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CC0 / Pixabay

Buch

Die Infantin entführt uns in eine andere Art der Isolation

Der neue Roman der österreichischen Autorin Helena Adler erzählt die Geschichte einer angeborenen Form der Isolation. Ein junges Mädchen, das am Bauernhof aufwächst - komplett abgeschottet von jeder Lebensrealität, die nicht die ihrer Familie ist.

Die Infantin trägt den Scheitel links wurde von Helena Adler geschrieben, hat 184 Seiten und ist im Jung und Jung Verlag erschienen.

buch cover

Jung und Jung Verlag

Helena Adler wurde 1983 in Oberndorf bei Salzburg in einem Opel Kadett geboren.

von Alica Ouschan

Viele von uns befinden sich gerade in einer Isolation, die wir so noch nicht gekannt haben. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass Isolation viele Gesichter hat.

Helena Adler erzählt in ihrem neuen Roman mit beeindruckend bildhafter und ebenso zynischer Sprache die Geschichte eines kleinen Mädchens, das versucht sich von den Strukturen, in die sie hineingeboren ist, zu emanzipieren. Ein Bauernhof, böse Zwillingsschwestern, Streit und häusliche Gewalt umgeben die Infantin in ihrer Mission, anders zu sein als ihre Familie.

Wer den Scheitel links trägt liebt das Risiko

Wer den Scheitel links trägt, so sagt man, der spielt gern auf Risiko und ist unangepasst. Als die Geschichte beginnt, ist die Infantin gerade mal im Volksschulalter. Und das ist auch die Zeit, wo sie im Akt der Rebellion den Hof ihrer Eltern niederbrennt. Das Buch erzählt, wie sie aufwächst, gepiesakt und gepeinigt vom Leben, das sie nie wollte und in dem sie für immer gefangen sein wird.

Die Geschichte führt uns durch den schmerzlichen Verlust ihrer Urgroßeltern und den inneren Konflikt zwischen Liebe uns Hass ihren Familienmitgliedern gegenüber. Über erste Schwärmereien für unerreichbare Liebhaber und die grausamen Gewaltphantasien eines jähzornigen und hilflosen Kleinkindes gegenüber ihren Zwillingsschwestern.

Zwischen Lebensfreude und Jähzorn

Autorin Helena Adler verwendet dynamische Wortkreationen und bildhafte Sprache, um die Wahrnehmung eines infantilen Mädchens zu beschreiben, das damals vermutlich noch zu jung gewesen ist, um sich so wortgewandt ausdrücken zu können. Sie bringt die wirren, bizzaren Gedanken eines Kindes zu Papier: lebhaft, jähzornig, beschwingt und optisch ausdrucksstark.

Die Infantin wird älter, mit ihr altern auch die Gedanken. Mit scharfer Zunge beschreibt die Infantin ihre Erfahrungen, in der sich, vor allem in der Phase der Pubertät wohl so einige Landkinder wiederfinden.

Ich stecke unsere Flagge in den staubigen Grund. Sie trägt das Gesicht von Kurt Cobain und riecht nach Muff, und wo es mufft, da riecht es nach Freiheit. Ein Eldorado für Adoleszente, würden Psychoanalytiker sagen.

Der Wunsch nach Unabhänigkeit, durch den sie sich in einer neuen Familie wiederfindet, die sie sich selbst ausgesucht hat. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie dort Führung und Verantwortung übernimmt, weil sie zuhause nie die Chance bekommen hat. Und der jähe Einbruch, wenn sie sich durch unvorhergesehene Schicksalsschläge auf ihre Wurzeln zurück besinnen und zu ihrer Familie heimkehren muss.

Mit Witz und Wut beschreibt Helena Adler, wie die Protagonistin von einer Infantin zur jungen Frau wird. Sie ist diejenige, die den Scheitel in ihrem Umfeld am weitesten links trägt. Während sie mit aller Kraft versucht aus den Strukturen auszubrechen, die sie umgeben, erkennt sie, dass sie selbst Teil dieser Strukturen ist.

Helena Adler lässt einen - zur Abwechslung vom momentanen Alltag - in eine Welt der Isolation eintauchen, aus der man noch entkommen kann, wenn man den Scheitel nur weit genug links trägt.

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