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„Law & Order“ in Corona-Zeiten

Es ist eine nie da gewesene Situation: Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hebeln gerade zahlreiche unserer persönlichen Rechte und Freiheiten aus. Wie weit darf das gehen, und ist das alles noch im rechtlichen Rahmen? Wir haben bei einem Verfassungsjuristen nachgefragt.

Von Viktoria Waldegger

Versammlungsfreiheit: ausgesetzt, persönlicher Kontakt mit anderen soll vermieden werden. Erwerbsfreiheit: gilt nur mehr für notwendige Artikel, viele Geschäfte sind geschlossen. Persönliche Freiheit: Spazieren gehen ist gerade noch erlaubt, sollte aber nicht ausgenutzt werden. Reisefreiheit: Die Außengrenze der EU soll 30 Tage lang für „nicht notwendige Reisen“ geschlossen werden. Zahlreiche unserer Grundrechte sind derzeit sehr stark eingeschränkt. Um Österreich gegen das Coronavirus zu wappnen, hat der Nationalrat am Sonntag ein COVID-19-Maßnahmengesetz beschlossen.

Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck

Peter Bußjäger

Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck

Auch er habe sich gewundert, was alles möglich sei, es sei aber eine ganz neuartige Herausforderung, erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck. Generell gelte aber: Auch die Grundrechte, mit Ausnahme des Folterverbotes, könnten eingeschränkt werden, wenn „ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben sei“. Das gelte nun, trotzdem: Die Maßnahmen müssen immer verhältnismäßig sein.

Dünnes Eis für langfristige Maßnahmen

Die rechtliche Deckung sei für die aktuellen Maßnahmen ausreichend, sie sei aber dünn, so Bußjäger. Sobald die medizinischen Expert*innen erklären, man könne die Maßnahmen zurückfahren, sei auch Handlungsbedarf für die Behörden gegeben. Dann müssten die Einschränkungen zumindest teilweise zurückgefahren oder sogar ganz gestoppt werden.

Nicht alle Verbote lassen sich für den Verfassungsjuristen aber umsetzen: Nicht verhältnismäßig sei es derzeit seiner Meinung nach, einsame Spaziergänge im Wald oder Joggen von einzelnen Personen zu verbieten. Auch die Meinungsfreiheit im Internet könne nicht verboten werden, auch nicht, um einige Fake-News-Kommentare zu verhindern, so Bußjäger.

Handydaten unter Beobachtung

Am Dienstag sorgte der Netzanbieter A1 für einen Aufschrei: Er erklärte, aus freiwilligen Stücken der Bundesregierung die Handybewegungsdaten seiner Nutzer*innen zur Verfügung zu stellen. Damit kann die Regierung sehen, wo sich wie viele Menschen bewegen. Anonymisiert ist das für Bußjäger derzeit in Ordnung, nicht-anonymisiert wie in China wäre es seiner Ansicht nach aber ein übermäßig starker Eingriff in die Privatsphäre.

Es gilt: kritisch bleiben

Das gelte es in den nächsten Wochen kritisch zu beobachten, erklärt der Verfassungsjurist. Denn wenn das Coronavirus unter Kontrolle sei, müssten alle schauen, dass die gesetzten Maßnahmen auch wieder zurückgenommen werden. Das sei bei den Ausgangsbeschränkungen offensichtlich, aber etwa bei der Übermittlung der Handydaten schwierig zu kontrollieren.

„Es wird sicher etwas zurückbleiben aus dieser Zeit“, glaubt Bußjäger. Denn: In der „Post-Corona-Ära“ müsse man sich damit befassen, wie relativ leicht bürgerliche Freiheiten im öffentlichen Interesse eingeschränkt werden konnten und welche Schlüsse daraus gezogen werden. Also sollten wir da dann besonders wachsam sein? Das gelte jetzt schon, sagt Bußjäger.

„CoView“ will Watchdog sein

Unter dem Namen „CoView“ hat sich diese Woche auch eine Gruppe von Aktivist*innen zusammengetan. Sie machen es sich zur Aufgabe, die gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Maßnahen in der aktuellen Krise im Auge zu behalten. Denn die Situation biete jenen, die „Interesse an Kontroll- und Überwachungspolitik haben, jetzt weitgehend freie Hand“. Hinter der Gruppe stehen laut eigenen Angaben bereits über 100 Menschen, viele davon aus dem Kunst-, Kultur, Sozial- und Wissenschaftsbereich; die Gründer*innen wollten anonym bleiben.

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