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Cover des Buches "Zeig ihnen, wie man Spaß hat" von Nicole Flattery

Hanser Berlin

„Zeig ihnen, wie man Spaß hat“

Acht Kurzgeschichten, acht gescheiterte Frauen. Nicole Flatterys Debüt „Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ feiert Antiheldinnen und macht Kurzgeschichten great again.

Von Ambra Schuster

„Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ ist als Titel ironisch zu verstehen. Die irische Autorin Nicole Flattery zelebriert das Scheitern von Frauen in unterschiedlichen, miserablen Lebenslagen.

Vor der Tankstelle war mein Heimatort vor allem bei Leuten berühmt gewesen, die unter Reisekrankheit litten. Hier hielten sie an und würgten und spuckten, um dann ein besseres Ziel anzusteuern. Bei meiner Rückkehr aus der Stadt hatte ich geglaubt, der Ort und ich hätten uns vielleicht beide auf strahlende glamouröse Weise verändert, aber das war nicht so. Enttäuschung und die Freuden des Ausgenutztwerdens waren für uns beide alte Bekannte.

In der Titelgebenden Kurzgeschichte „Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ bleibt die Protagonistin namenlos. Mit Ende 20 kehrt sie aus der Großstadt in ihr irisches Heimatdorf zurück, wo sie jetzt an einer Tankstelle arbeitet. Es ist ein Resozialisierungsprogramm, an dem sie teilnimmt. Das Setting ist trist, deprimierend. Die Ich-Erzählerin wirkt verloren und nimmt immer skurrilere Züge an.

„Kuschel nicht immer mit der Pflanze“, ermahnte Kevin mich oft. „Ich halte sie nur ein bisschen fest,“ log ich.

Erst nach und nach stellt sich heraus, dass die Protagonistin in der Großstadt nicht Schauspielerin, sondern Pornodarstellerin war.

Autorin Nicole Flattery

Conor Horgan

Nicole Flattery, geboren 1990, lebt in Galway. Sie erhielt den White Review Short Story Prize 2017. „Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ ist ihr erstes Buch.

„Zwei Mal pro Woche ließ ich mir die Nägel machen - darin lag etwas Gewalttätiges, das ich anbetungswürdig fand. Die Zimmer, in denen ich gefilmt wurde, sahen auch aus wie Kosmetikstudios: die gleichen Hochglanzzeitschriften auf dem Couchtisch, die gleichen Kunststoffmöbel, sinnlose Worte, die durch die Luft sausten. Und Frauen, jede Menge – alle stumm miteinander verschworen, ein exklusiver Club.“

In der Stadt wurde die Erzählerin von ihrem Ex-Freund, dem Regisseur, misshandelt. Sie hat es über sich ergehen lassen. Bis sie eines Morgens doch geht.

„Ich gehe zurück nach Hause.“ Er drehte sich nur auf die Seite, warf mir einen finsteren Blick zu, als würde ich hinwerfen, zu schnell aufgeben. Das Letzte, was er zu mir sagte, war „Erzähl bloß nichts Falsches über die Firma.“

Morbider Humor und Dystopie

Mehr Antiheldinnentum als in Nicole Flatterys Debüt geht kaum. In acht Kurzgeschichten begegnet man acht kaputten Frauen voll Weltschmerz. Neben der ehemaligen Pornodarstellerin ist da auch die krebskranke Angestellte, die faule Studentin, die ein Verhältnis mit ihrem Professor hat und die Lehrerin, die in ihren 40ern auf die immer gleich verlaufenden Online-Dates geht. Nicht zu vergessen – die selbstmordgefährdete junge Frau, die in „Die Aufnahme“ mit einem narzisstischen Comedian in New York liiert ist. Eine Kurzgeschichte, für die die Nicole Flattery bereits 2017 den White Review Kurzgeschichten-Preis bekommen hatte.

Cover des Buches "Zeig ihnen, wie man Spaß hat" von Nicole Flattery

Hanser Berlin

„Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ ist mit 254 Seiten im Hanser Berlin Verlag erschienen und wurde von Tanja Handels aus dem Englischen übersetzt.

Zwischen den Protagonistinnen gibt es Parallelen: Sie teilen eine schwierige Kindheit, Depressionen und ihre toxischen Beziehungen zu meist älteren Männern. Und ihre ländliche, ärmliche, irische Herkunft.

Happy Ends gibt es in Nicole Flatterys Kurzgeschichten nicht. Die irische Autorin vermittelt in „Zeig ihnen, wie man Spaß hat“ ein bedrückendes, groteskes Stimmungsbild, dumpf und unterkühlt. Und trotzdem – Nicole Flattery makes Kurzgeschichten great again. Ihr Debüt ist im Ton trocken. Morbider Humor und surreale Wendungen geben den Erzählungen die dringend nötige Leichtigkeit. Sie verzichtet bewusst auf ein modernes Frauenbild und hebt sich alleine schon dadurch ab. Gleichzeitig verliert Flattery nie die Achtung vor ihren Protagonistinnen und gönnt ihnen Lebenstrotz, Racheaktionen und Glücksmomente. Mit präzisem Unterton verhöhnt Flattery die Gesellschaft, in der wir leben.

An einem ruhigen Abend sprach ich die Kassiererin an, während sie durch meine Einkäufe scannte. „Der Laden gefällt mir.“ „Er ist ganz okay.“ Sie sah sich meine Tabletten an, las die Mengen- und Dosierungsangaben sorgfältig durch. „Haben Sie eine lange, nervenaufreibende Reise vor sich?“ Ich dachte an den Weg vom Fernseher bis zum Schrank. „Ja“.

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