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Die richtige Wortwahl in Krisenzeiten

Sprache ist wichtig – vor allem in Zeiten von Krisen, wie gerade während der Coronavirus-Pandemie. Ein Interview darüber, welche Auswirkungen die richtige Wortwahl haben kann.

Linguist*innen an der Universität Lancaster in Großbritannien haben Beispiele für alternative Metaphern gesammelt, die das Virus und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Gesundheitssystem beschreiben – abseits der häufig verwendeten, Kriegs-bezogenen Begriffe. Joanna Bostock hat mit Veronika Koller von der Universität Lancaster darüber gesprochen.

Joanna Bostock: Metaphern, die eigentlich mit Krieg in Zusammenhang stehen, haben gerade Hochsaison. Da gibt es Fälle wie etwa in den USA, da hat jemand vom „Pearl Harbour Moment“ gesprochen. Oder ganz am Anfang haben wir vom „Epizentrum“ der Epidemie gesprochen. Können Sie weitere Beispiele nennen für Begriffe, die im Rahmen dieser Pandemie verwendet werden, die negativ und schädlich sind?

Linguistin Veronika Koller

Lancaster University

Veronika Koller ist Linguistin an der Universität Lancaster.

Veronika Koller: Es ist wichtig zu betonen, dass nicht eine Art über etwas zu sprechen alleine entweder gut oder schädlich ist. Was man häufig hört im Zusammenhang mit der jetzigen Pandemie sind Bezeichnungen, die eigentlich aus dem Krieg kommen. Man spricht von der „Front“ des Gesundheitssystems, vom „Pearl Harbour Moment“ oder vom „Kampf“ gegen die Krankheit. Bis zu einem gewissen Grad kann das auch hilfreich sein, man kreiert das Gefühl einer gemeinsamen Anstrengung und von Solidarität.

Das Ganze hat aber auch Nachteile. Bei manchen Menschen können solche militärischen Begriffe Angst auslösen und Kriegsmetaphern sind meistens nicht hilfreich, um Menschen dazu zu bekommen, etwas sein zu lassen. Mit den weltweiten Ausgangsbeschränkungen, sollen Menschen gerade ja eigentlich etwas nicht tun, nicht nach draußen gehen, sondern zuhause bleiben. Eine Kriegsmetapher ist aber besser, um Menschen zu mobilisieren und dazu zu bewegen, etwas zu tun als etwas nicht zu tun.

„Eine Kriegsmetapher ist besser, um Menschen zu mobilisieren und dazu zu bewegen, etwas zu tun als etwas nicht zu tun.“

Wenn Kriegsrhetorik nicht die beste Lösung ist. Welche Alternativen gibt es? Haben Sie da andere Beispiele?

Ja, da gibt es aus Ländern auf der ganzen Welt viele verschiedene Beispiele. Die dänische Königin etwa hat vom Virus als ein „nicht willkommener Gast“ gesprochen. Oder in Italien werden häufig Fußball-Metaphern benützt. Man beschreibt die Situation wie ein Fußballspiel, in dem man einige Tore Rückstand hatte, mittlerweile hat man zwar aufgeholt, aber noch nicht gewonnen. Oder in den Niederlanden gibt es Beispiele von Politiker*innen, die sagen, wir dürfen das Virus nicht an Land gewinnen lassen. Das hat natürlich jeweils mit dem historischen Kontext der Länder zu tun.

Was könnte der Effekt davon sein, andere, weniger mit Gewalt verbundene, Sprache zu verwenden?

Menschen, die zu Angststörungen oder posttraumatischen Störungen neigen, würde das sicherlich helfen. Damit sie sich nicht fühlen, als wären sie gerade an einem Kriegsschauplatz. Wir wissen nämlich, dass häufig verwendete Ausdrücke genau das bewirken können. Das Ziel sollte sein, eine Bandbreite an Metaphern zu haben und weniger militärische und mit Gewalt assoziierte Begriffe zu verwenden.

Die Kriegsmetaphern funktionieren zum Teil ja auch gar nicht, das Virus ist kein Gegner, ein Virus hat keine Feindseligkeit.

„Das Virus ist kein Gegner in einem Krieg, ein Virus hat keine Feindseligkeit.“

Richten sich Ihre Beobachtungen vor allem an Politiker*innen oder Journalist*innen oder gilt das für jeden und jede?

Es gilt für alle, besonders aber natürlich für die Menschen, denen im Moment am meisten zugehört wird, deren Worte gerade besonders häufig gelesen werden. Und wir wissen, dass in Krisenzeiten, gerade wenn sich die Sachlage so schnell ändert, Menschen verstärkt Medien konsumieren und sich Statements von Politiker*innen live anschauen. Es sollten also gerade Journalist*innen und Politiker*innen versuchen, vielseitigere Begriffe zu verwenden, wenn sie über das Coronavirus sprechen.

Sie sind ja Österreicherin. Haben Sie das Auftreten und die Sprache der österreichischen Regierung mitverfolgt? Mir kommt es so vor, als würden sie vor allem die Beschränkungen häufig als eine Einladung an Bürger*innen formulieren anstatt als strenge Regel oder Drohung, die der Bevölkerung einfach vorgesetzt wird.

Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der auch hier in Großbritannien gerade diskutiert wird. Eine Einladung hat nämlich eine ganz andere Tragkraft als eine Regel oder eine Anweisung. Und hier in Großbritannien ist das sehr verwirrend, weil es manchmal als eine Regel bezeichnet wird und dann wieder als Orientierungshilfe. Weil einen Rat kann ich befolgen, muss ich aber nicht, während ich einer Anweisung auf alle Fälle folgen muss, da habe ich keine Wahl. Das ist hierzulande oft weniger eindeutig in der Kommunikation als in Österreich, so mein Eindruck.

„In jeder Krisensituation muss man sich bewusst sein, welche Macht eine Aussage mit sich bringt.“

Muss man also besonders genau sein, wenn man über eine Pandemie spricht?

In jeder Krisensituation muss man sich bewusst sein, welche Macht eine Aussage mit sich bringt. Ob Menschen etwas tun müssen oder die Option haben, etwas zu tun. Da ist es sehr wichtig, klare und präzise Aussagen zu treffen.

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