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Rudolf Ruschel: „Ruhet in Friedberg“

Der österreichische Autor Rudolf Ruschel lässt zwei Aushilfsbestatter und beste Freunde in eine blutige Kriminalgeschichte stolpern, in der man leicht den Überblick über die Leichen verliert. Zudem wird unter der schwarzhumorigen Oberfläche am perfekten österreichischen Gesellschaftsbild gekratzt.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Es ist alles sehr schnell gegangen. In nicht einmal vier Wochen war die Geschichte der beiden Buddies Andi und Fipsi, die als Aushilfen in einem Bestattungsinstitut im steirischen Friedberg arbeiten, niedergeschrieben. Aber bis das Kriminalromandebüt „Ruhet in Friedberg“ fertig war, hat Autor Rudolf Ruschel das Manuskript drei Jahre überarbeitet. Und das hat sich ausgezahlt. Das Debüt ist ein rasanter, blutiger und schwarzhumoriger Roman geworden, der vor überraschenden Wendungen nur so strotzt.

Buchcover "Ruhet in Friedberg" des österreichischen Autors Rudolf Ruschel

btb Verlag

Das Kriminalromandebüt von Rudolf Ruschel ist im btb Verlag erschienen.

Dabei beginnt die Geschichte recht „gewöhnlich“, mit dem jugendlichen Andi, der nach einer durchsoffenen Nacht am Boden der „Bier Allee“ vom Wirt geweckt wird, sonst komme er zu spät zum Friedhof. Und schon rast der Andi mit seinem Restalkohol zu den Bestattern, wobei ausgerechnet an dem Tag der zu tragende Sarg gefühlte 150 Kilo wiegt. Sein ebenfalls verkaterter Saufkumpan und bester Freund Fipsi kann zudem die Parzelle des Grabes nicht finden und führt die Trauergäste im Friedhofslabyrinth herum, ohne zu wissen wohin. Als er dann endlich das Grab gefunden hat und die Zeremonie in vollem Gange ist, wird dem armen Andi auch noch speiübel. Und wie er so vor dem offenen Grab in der Hitze steht, überkommt es ihn im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Bestattungsinstitut bekommen die beiden eine Standpauke des cholerischen Vorarbeiters Macho zu hören. So weit, so „normal“. Aber Andi und Fipsi lässt der Gedanke nicht los, dass in dem schweren Sarg mehr als nur einer zu Grabe getragen wurde. Und so decken sie Schritt für Schritt die dunklen Machenschaften des Vorarbeiters auf und stolpern bald selbst in das blutige, mafiöse Netzwerk, das im Friedberger Friedhofsuntergrund am Werken ist. Wie sollen da die beiden Kumpel bloß wieder heil rauskommen?

Humor als Türöffner

Särge tragen, Urnen polieren und Kränze schlichten, das hat Autor Rudolf Ruschel selbst gemacht, als er als Aushilfe bei einem Bestatter in Niederösterreich gearbeitet hat. Vor zehn Jahren haben diese Stimmung am Friedhof und der durchaus schwarzhumorige Umgang der Kollegen die Idee für seinen Kriminalroman geliefert.

Erste größere Schreiberfahrungen mit seinem humorigen Stil hat Rudolf Ruschel beim FM4 Wortlaut Wettbewerb gesammelt, als er 2013 mit seiner Kurzgeschichte unter die Top 10 gekommen ist. Uns so wollte Ruschel in seinem Debüt den Humor mit einer spannenden Erzähldramaturgie verbinden. Was beim Buch sofort auffällt, ist der umgangssprachliche Stil, der ganz nah an seinen Figuren ist.

Autor Rudolf Ruschel im Portrait

Christian Kerber

Rudolf Ruschel, geboren und aufgewachsen in Niederösterreich, lebt und arbeitet als Schriftsteller in Hamburg.

„Wohin mit den Leichen? Früher ist man einfach mit einem Spaten in den Wald, Loch ausheben und gut, aber heute? Die ganzen Nordic-Walker, die Frischluftschnupperer, die Yogibären - zu Stoßzeiten strömt die komplette Polyamid-Elastan-Presswurstfraktion aus der Stadt und belagert den Wald. (...) Andauernd stolpert irgendein Depp über eine Leiche von früher, und dann kommen sie mit dem ganzen modernen DNA- und DNS- und Was-weiß-ich-was-Zeug an, und schwupps sitzt man lebenslang im Bau.“

Rudolf Ruschel: „Da ich nur drei Wochen Zeit zum Schreiben der Geschichte hatte, habe ich sie mir selbst erzählt, mit einem Diktiergerät aufgenommen und dann niedergeschrieben. Da ich diese Mündlichkeit in der Rohfassung ganz gut fand, habe ich daraus den Stil abgeleitet.“

Außerdem eignet sich genau dieser Stil wunderbar, die teils sehr makabre Sprache auch dem namenlosen Erzähler zu geben, der sich damit nicht sehr von den oft überzeichneten Klischee-Österreichern unterscheidet. Auch wenn das Buch am Anfang sehr lustig daherkommt, ändert sich mit der Zuspitzung der brutalen Morde auch der unterschwellige Ton. Schließlich kommen unter der Oberfläche die heiklen Tabuthemen der ländlichen Gesellschaft zutage. Für Ruschel ist eben genau der Humor der Türöffner für Problematiken, mit denen sich die Leser*innen dann unerwartet beschäftigen müssen: Alkoholismus, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, psychische Störungen.

Tarantino und die Coen-Brüder in Österreich

„Ruhet in Friedberg“ ist nicht ein klassischer Kriminalroman, da es keinen polizeilichen Ermittler gibt, keinen pensionierten Detektiv oder freiberuflichen Schnüffler, der einen Fall aufdecken möchte. Die beiden Freunde Andi und Fipsi werden unfreiwillig in die blutigen Situationen hineingezogen, die zeitweise an Filme wie „Pulp Fiction“ erinnern.

Rudolf Ruschel: „Ich habe nie wirklich Kriminalliteratur gelesen. Inspiriert worden bin ich eher von Filmen und Regisseuren. Also wenn Quentin Tarantino und die Coen-Brüder das österreichische Hinterland für sich entdecken und gemeinsam ein Drehbuch entwickeln würden, würde ungefähr ‚Ruhet in Friedberg‘ herauskommen.“

Man muss den Stil und den streckenweise derben Humor mögen, um mit Andi und Fipsi dieses Abenteuer durchzustehen. Gleichzeitig macht es viel Spaß, dem Plot voller Überraschungen und unvorhergesehenen Wendungen zu folgen. Für Spannung ist gesorgt, bis zum letzten Satz. Denn das Ende - wenn auch von den Verlegern anfänglich kritisiert - ist ein stimmiges und cleveres. Sogar der Literaturbetrieb bekommt in diesem Buch sein Fett ab, wie uns allen der Spiegel vorgehalten wird. So verbindet Ruschel nicht nur Humor mit Spannung, sondern auch Gesellschaftskritik mit einer liebevollen Sicht auf seine schrulligen Figuren.

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