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Hedy Lamarr vor Nordlichtern

HO / AFP

Erich Moechel

Notfunkübung 2020 im Zeichen der Erfinderin Hedy Lamarr

Das für heuer angenommene Szenario ist ein Totalausfall der gesamten elektronischen Kommunikation unbekannter Ausdehnung durch eine elektromagnetischen Impuls mit anschließenden Sabotagemaßnahmen. Federführend an der Übung beteiligt sind die Funkamateure von A1 und ORF.

Von Erich Moechel

Die traditionelle Notfunkübung der Funkamateure Österreichs am 1. Mai fällt mitten in die Coronavirus-Krise. Aus dem eher kommoden Funksportwettbewerb der vergangenen Jahre ist 2020 eine Übung zum Katastrophenschutz geworden. Das angenommene Szenario ist Sabotage durch gewaltige elektromagnetischen Impulse, die einen Totalausfall aller elektronischen Kommunikation von unbekannter geografischer Ausdehnung ausgelöst haben.

Die mobilen Amateurfunkteams des ORF versuchen über Kurzwellendatenfunk ein Lagebild aus Wien -Umgebung an das ORF-Zentrum zu übermitteln. Die Teams der A1 Telekom fahren die Vermittlungsstellen ab, um Schäden an den Glasfasernetzen zu erheben. Weil obendrein von Störungen des Funkverkehrs durch Unbekannte ausgegangen wird, kommt ein einfaches Frequenzsprungverfahren zur Anwendung, wie es die österreichische Hollywood-Diva und Erfinderin Hedy Lamarr 1942 patentieren ließ. Das heuer angenommene Katastrophenszenario ist leider nicht unrealistisch.

Bilder zur Notfunkübung

ORF

Hier werden die Gerätschaften für den Datenfunk auf Kurzwelle programmiert. Oben steht ein PACTOR-Modem, darunter ein professionelles Funkgerät von Codan, das unter anderen das Rote Kreuz bei Auslandseinsätzen, aber auch im heimischen Katastrophenfall verwendet. Das Rufzeichen OE1RMS verweist auf einen bekannten ORF-Funker, die Leitstelle ist die Clubstation OE1XRW im obersten Stock des ORF-Zentrums. Wie jede Funkerbude ist sie nahe an den Antennen.

Emails ohne Internet

Im Jahr 2014 stand die jährliche Funkübung im Zeichen eines Strom-Blackouts. Diese durchaus realistische Annahme wurde damals von Teilen der Ministerialbürokratie als „Panikmache“ abgetan. Man habe die Stromnetze stets unter Kontrolle, hieß es dazu.

„Für den ersten Teil von 10 bis 12 Uhr dieser ganz auf die Verhältnisse in Österreich zugeschnittenen Spezialübung sind die Übertragungsprotokolle Winmor und PACTOR zugelassen. Techniker des ORF sind rund um Wien unterwegs und übermitteln Lageprotokolle, Ereignisse und Stimmungsbilder aus der Bevölkerung an das ORF-Zentrum wo alle diese Informationen zusammenlaufen“, sagte Herbert Koblmiller zu ORF.at. Koblmiller ist Notfunkreferent des Österreichischen Versuchssenderverbands (OEVSV). Der 1927 gegründete Verband ist mit 6.000 lizenzierten Funkern die weitaus größte Funkerorganisation hierzulande.

Winmor ist ein Übertragungsprokoll, das es ermöglicht, ohne einen Internetanschluss über eine Kombination aus einem Windows-PC, dem Winlink-Mailprogramm und einem Kurzwellenfunkgerät E-Mails zu versenden. Das funktioniert sowohl direkt wie auch über ein weltweites Mailbox-System, das die schlanken Winmor-Datagramme in E-Mails verwandelt und dann regulär über TCP/IP weitersendet. Der Einsatz von Winmor dient dazu, dass sich auch andere Amateurfunkstationen mit Lageberichten der Spezialübung anschließen. Die dabei verwendete Mailadresse der Leitstation hat naturgemäß mit Hedy Lamarr zu tun.

Bilder zur Notfunkübung

ORF

Im Teletext sind die Informationen auf Seite 887 und Unterseiten zu finden. Sie sind alle an Funkamateure gerichtet, die den gewohnten Ablauf absolvieren. In der Regel sind das um die 600 Kurzwellenstationen in ganz Österreich, sowie viele über VHF/UHF in FM.

PACTOR, 80-Meterband, 40 Meter Draht

PACTOR ist das professionelle Gegenstück zu Winmor, die Protokolle sind robust und deutlich leistungsfähiger gegen Störungen, bei höheren Übertragungsraten. Dafür wird allerdings spezielle, nicht eben billige Hardware benötigt. Die gesamte Kommunikation wird im 80-Meterband (3,5 - 3,8 MHz) der Funkamateure durchgeführt, die Funkertrupps der A1 führen Full Size Dipole für 80 Meter mit.

Bilder zur Notfunkübung

seefunkschule.at

Herbert Koblmiller ist wie viele Amateure auch professioneller Funker, er unterhält eine Seefunkfunkschule.

„Diese 40 Meter langen Dipol-Drahtantennen wurden selbst gebaut, die Teilnehmer sind auch mit Messgeräten und Werkzeug für etwaige Reparaturen ausgerüstet. Die Antennen müssen an jedem neuen Funkstandort neu aufgebaut werden. Wir wollen testen, wie gut das in der Praxis eines Katastrophenfalls funktionieren könnte“, so Koblmiller weiter. „Ab 12 Uhr Ortszeit nehmen wir dann an, dass unsere Aussendungen gestört werden und Falschinformationen eingestreut werden und reagieren darauf, indem wir die Frequenzen zyklisch verändern.“

Frequenzhopping für Torpedos

Und das passiert ganz ähnlich wie die Torpedosteuerung der Hedy Lamarr, die im Jahr 1942 in den USA patentiert wurde. Feindliches „Jamming“, das ähnlich wie ein DOS-Angriff den gesamten Kommunikationskanal zustopft, wurde durch periodische Frequenzwechsel sowohl der Leitstation am Kriegsschiff wie des Torpedos selbst ausgeschaltet. Die Programmierung sowie die Synchronisation dieser Hops erfolgte damals durch Lochkartensysteme, heute werden einfach die Funkgeräte so programmiert. Um Störungen zusätzlich zu erschweren wird mit gesplitteten Frequenzen gearbeitet: Station A sendet auf Frequenz A und hört auf Frequenz B, dort sendet Station B, die Frequenz A abhört. Das Ganze nennt sich Duplex-Betrieb.

Patentschrift

public domain

Aus der Patentschrift von Hedy Lamarr, die hier als H.K. Markey (Hedy Kiesler Markey) ausgewiesen ist. Entwickelt wurde ihre Idee für eine gegen Jamming gesicherte Steuerung von Torpedos zusammen mit dem Komponisten Georges Antheil. Im Jüdischen Museum Wien ist noch bis 10. Mai eine Ausstellung über Lamarr zu sehen.

Das böse Carrington-Ereignis

Ein nach dem Erdbeben von 2015 in Nepal vermisster Österreicher wurde nach einer Woche unversehrt gefunden. Die Suchaktion wurde von einer österreichischen und einer Station aus Israel über Kurzwellenfunk mit nepalesischen Funkfreunden organisiert

Ein Totalausfall sämtlicher Kommunikationskanäle ist vor allem nach einem sogenannten „Carrington-Ereignis“ realistisch, wie es 1859 eingetreten ist. Vor 160 Jahren hatte der englische Astronom Richard Carrington neben den üblichen, dunklen Sonnenflecken plötzlich zwei grellweiße Flecken entdeckt. Stunden danach wurden extreme Schwankungen des Erdmagnetfelds registriert, entlang der ersten Telegrafenleitungen in England sprühten erst Funken, dann brannten sie an vielen Stellen völlig durch. Ansonsten gab es damals weder Stromnetze, noch Elektronik. Aber bis zum Äquator waren Polarlichter zu sehen, nach einem Tag war alles vorbei.

Solch extreme Sonnenstürme sind zwar ziemlich selten - die Astronomen gehen von ein bis drei pro Millenium für die Erde aus - sicher ist aber, dass ein Carrington-Ereignis irgendwann wieder auf der Erde eintreffen wird. Ebenso sicher ist, dass das gesamte elektronische Equipment des betroffenen Teils der Informationsgesellschaft - GPS, Wettersatelliten, Fest- und Mobilfunknetze, Datencenters etc. - schweren Schaden nehmen wird. Von aktiven Geräten, die unter Strom stehen, wird vom Computer bis zum Mobiltelefon Rauch aufsteigen. Die einzige gute Nachricht dabei ist, dass diese Katastrophe in erster Linie die sonnenzugewandte Hemisphäre treffen wird.

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