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Antemilio

Goldroger - der Rapper, der mit Konventionen bricht

Im November ist sein insgesamt drittes Album „Diskman Antishock“ erschienen. Letzten Freitag ist der zweite Teil der Platte rausgekommen. Auf „Diskman Antishock I + II“ bricht Goldroger bewusst und voller Leichtigkeit mit den Konventionen des Deutschraps.

von Alica Ouschan

Cover

Irrsinn Tonträger

Diskman Antishock II ist am 8. Mai 2020 bei Irrsinn Tonträger erschienen.

Der Kölner klingt wie niemand sonst im Deutschrap. Seine Texte sind wirr und voll von nerdy-popkulturellen Referenzen, die keiner versteht. Sein Flow gleicht eher einem Nuscheln, als Rappen. Warum macht Goldrogers Weirdness ihn trotzdem so einzigartig und unverzichtbar?

Diese Frage lässt sich schwer beantworten, vielmehr geht es darum, seine Musik für sich sprechen zu lassen: Reue, Drogen, Melancholie, Jugend und Liebe. Das sind die großen Themen seiner aktuellen Albumreihe und des „Diskman Antishock“-Universums. „Es ist das letzte Mal, dass ich dieses ganze Erwachsen-werden-Ding für mich verarbeiten wollte“, sagt der Künstler im FM4 Interview. „Ich will keiner von denen sein, die mit Ende dreißig noch in ihren Teens festhängen. Ich wollte unter all diese Dinge einfach mal einen Haken setzen und das für mich abschließen.“

Viele Songs der „Diskman Antishock“-Reihe katapultieren einen beim Hören sofort zurück in diese Zeit: „Lavalampe Lazer“ ist voll von ersten Malen, der Text unterlegt mit einem psychodelischen HipHop Beat, der einen in wohligen Erinnerungen schwelgen lässt und zugleich einen wehmütigen Vibe versprüht.

Reue, Drogen, Melancholie, Jugend & Liebe

Dieser Vibe zieht sich durchs gesamte erste Album und findet seine Fortsetzung in „Diskman Antishock II“. Obwohl die Geschichte keinem klaren Konzept folgt, durchkreuzen sich die großen Themen immer wieder und sorgen für ein wehmütiges und doch schönes Hörerlebnis. Im Novemver 2018 hatte Goldroger über 40 Demos aufgenommen, mit dem Vorsatz sich all das von der Seele zu schreiben, das ihn aus dieser Zeit noch belastete.

Auf ein Album haben es dann nur jeweils sieben Songs geschafft. „Ich wollte nicht, dass irgendeiner dieser Songs untergeht - 7 Songs, 7 Banger, deswegen wollte ich auch nicht ein Album mit 14 oder 21 Songs machen. Es ist ja auch kein wirkliches Konzept-Album, aber alle Songs bewegen sich schon innerhalb einer Welt.“

Goldroger Pressebild

Frederike Wetzels

Diese Welt gleicht beim Hören oftmals mehr einem Gefühlsuniversum. Dieses wird nicht nur durch den Text kreiert, sondern natürlich auch durch die Musik. Seit Goldroger sein musikalisches Kunstprojekt 2015 gestartet hat, arbeitet er mit dem Produzenten-Duo Dienst & Schulter zusammen. Sie beschränken sich nicht auf klassische HipHop Beats, sondern vermischen sie mit allen möglichen alternativen Genres. Es entsteht eine psychodelische Mischung aus Trap, Punk, Indie und Pop.

Goldroger in der deutschsprachigen Raplandschaft einzuordnen scheint beinahe unmöglich - er klingt wie kein zweiter. Nicht verwunderlich ist es, dass er dafür umso öfter mit englischsprachigen Künstlern verglichen wird, aus deren Musik er selbst viel Inspiration schöpft: Brockhampton, Kid Cudi, Kanye West, Tyler The Creator und sein großes Vorbild Frank Ocean. Ihm ähnelt er nämlich nicht nur musikalisch: Frank Ocean Songs sind oft wirr, musikalisch wie textlich ist nicht klar, ob der Song ein Thema hat. Man muss ihn 20 Mal hören und kann ihn trotzdem auf viele Arten interpretieren - genau wie bei vielen Goldroger Songs.

Popkulturelle Referenzen als stilistisches Merkmal

Textlich fällt Goldroger nämlich vor Allem durch das übermäßige Einsetzen von popkulturelle Referenzen auf. Vergleiche aus Filmen, Comics und der Literatur machen seine Songs zu Überraschungseiern, bei denen man bei jedem Mal hören irgendwas Neues entdecken kann. Diese ausgeklügelten und wohl durchdachten Vergleiche können jedoch vom stilistischen Markenzeichen schnell zum Stolperstein werden - nicht alle Referenzen sind für jede*n verständlich.

„Normalerweise verwende ich popkulturelle Referenzen nur einzeln, weil ein Vergleich mal in eine Zeile passt. Ich denke mir, die Leute, die das verstehen und es krass feiern, wiegen locker die Leute auf, die mal eine einzelne Zeile nicht verstehen. Der Sinn des Songs sollte sich ja trotzdem erschließen. Und wir haben 2020, wenn sich jemand wirklich mit der Bedeutung von einzelnen Vergleichen auseinandersetzen will, soll er’s halt googeln.“, sagt Goldroger, dessen Texte schon alleine wegen seiner beabsichtigt schludrigen Aussprache oft unverständlich sind.

Anders verhält es sich bei einem der besten und gleichzeitig traurigsten Songs des aktuellen Albums. „Horcrux“ ist der Song, dessen Handlung und Text sich ganz und gar um die schwarzmagische Metapher aus Harry Potter spinnt. „Da war es wirklich so, dass ich damit gehadert habe, ob’s überhaupt okay ist, über dieses Thema zu schreiben, ob ich kein Monster bin, wenn ich das ausschlachte. Dann kam ich auf dieses Harry Potter Ding und es hat irgendwie gepasst.“

Ist es okay, mich an deinen Tränen zu bereichern? / Es sind dunkle Künste, meine Seele zerteilt / Und am leblosen Fleisch zehren die Geier / Fand keine Worte, sagte es wortlos / In mein’n Augen die Mordlust / Ich wandt’ den Blick ab, Schuss in den Torso / Und dieser Song wird der Horcrux

Von Elon Musk und Bill Gates im Song „Tesla“ und Lip Gallagher, dem Charakter aus der Serie „Shameless“ im gleichnamigen Song, über Nietzsche und David Bowie, bis hinzum markanntesten Beispiel „Horcrux“, ziehen sich die Vergleiche und Referenzen durch Goldrogers Musik, wie der nicht vorhandene rote Faden und der melancholische Vibe seiner „Diskman Antishock“-Geschichte.

Weirdness als Erfolgsrezept?

Goldroger hat damit eine Lücke in der deutschsprachigen Musiklandschaft geschlossen. Seine Songs sind zum Hören, vor allem aber zum Fühlen. Für ihn ist es okay, dass er mit seiner außergewöhnlichen Musik und seiner strangen Art zu texten bisher nur eine kleine Zahl an Leuten erreicht hat. „Trotzdem wünsche ich mir, dass ich eines Tages so gut darin bin, dass ich mir meine Weirdness beibehalte und trotzdem Songs schreibe, die für super viele Leute funktionieren - ohne einen Kompromiss eingehen zu müssen.“

Live-Konzert
Goldroger geht im Herbst auf „Diskman Legends“ Tour. Am 29. Oktober kommt er für ein Konzert ins Wiener Flex Café.

Goldroger selbst sieht sich auf der Skala seiner musikalischen Entwicklung erst bei 50 Prozent und will noch weitere Alben rausbringen und Musik machen, bis er 35 ist (mindestens). Außerdem ist das Potential der Klangwelt, die er sich für „Diskman Antishock I + II“ erschaffen hat, noch nicht voll ausgeschöpft. Die Geschichten aus Goldrogers Jugendjahren sind noch nicht zu Ende erzählt - zumindest noch nicht ganz.

„Diskman Antishock“ war eigentlich als Trilogie geplant, der dritte Teil hätte ebenfalls bald erscheinen sollen. Leider hat die Corona-Krise auch Goldrogers Kreativität einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der dritte Teil wird kommen, so viel ist sicher - offen bleibt wann wir erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Bis dahin kann aber trotzdem ein klares Fazit über den Ausnahme-Rapper gezogen werden: Goldroger ist anders und anders ist in diesem Fall ganz klar mehr als gut.

Goldroger presse

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