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Der Rapper Yung Lean

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Den Cloudrapper Yung Lean hat der Zeitgeist eingeholt

Aber das ist gar nicht schlimm. Auf seinem mittlerweile sechsten Album „Starz“ zeigt der Babyface-Rapper aus Stockholm nämlich, dass er künstlerisch erwachsener und vielschichtiger geworden ist als viele andere Soundcloud-Rapper. Dabei ist Yung Lean erst 23.

Von Felix Diewald

Yung Lean ist 16 und geht noch zur Schule, als er die Rap-Welt für immer verändert. 2013 ist der kleine Junge aus Stockholm einer der ersten einer neuen Welle an jungen Musiker*innen, die Cloud-Rap im Internet machen. Noch bevor Amis wie Lil Peep und Post Malone bekannt waren und auch, bevor hier in Österreich ein Wiener Malerei-Student namens Julian Sellmeister die Kunstfigur Yung Hurn erfunden hat. Der erste große Hit des Rap Außenseiters Yung Lean: „Ginseng Strip 2002“.

Clean und wütend

Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Es folgten drei sehr erfolgreiche Alben, Konzerte auf der ganzen Welt und schließlich ein Krankenhausaufenthalt in den USA wegen einer Überdosis an Medikamenten. Yung Lean zog anschließend aus Amerika wieder zurück nach Schweden, um dort mit seiner Familie zu leben. Am Freitag ist Yung Leans sechstes Album „Starz" rausgekommen. Es ist das erste, das er nüchtern eingespielt hat. Mittlerweile geht Yung Lean sogar regelmäßig in Stockholm in den Boxclub. Und das hört man dem Album an. Es klingt, trotz immer noch maximal wolkiger Beats, viel klarer als das Frühwerk des schwedischen Rappers. „All-star, no face, ski mask my agenda“ rappt ein sehr wütender Yung Lean auf dem rockigen Opener-Lied „My Agenda“.

Yung Leans Nachahmer sind berühmter geworden als er selbst

Der Rapper Yung Lean

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Das Grundproblem, das Yung Lean heute, sieben Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung hat: All die Musiker (und es sind vor allem Männer, die ihn in der jüngeren Vergangenheit nachmachten oder sich auf ihn beriefen) haben Yung Lean auch ein Stück weit sein Alleinstellungsmerkmal genommen. Hört man „Starz“, denkt man sofort an viel zu früh verstorbenen Cloudrapper wie Juice Wrld oder Lil Peep. Wie so oft sind diese nachfolgenden Ami-rapper zu größeren, besser vermarktbaren Stars geworden als der Initiator der Bewegung, Yung Lean selbst.

Der Prototyp Sad Boy zwischen Ironie und Wahrhaftigkeit

Nichtsdestotrotz steht Yung Lean wie kaum ein anderer für einen im Internet mittlerweile sehr geläufigen Junge-Männer-Typus: Den des „sad boys“, also des coolen, aber irgendwie verträumten und introvertierten Hipsters. Yung Lean zeichnet sich, trotz bisweilen hyper-ironischem Verhalten, durch eine stellenweise komplett ehrliche, romantische und auch peinliche Seite aus. Wenn er, wie im Titeltrack „Starz“ gemeinsam mit Ariel Pink singt, dann hat das nichts Cooles, sondern etwas sehr Emotionales.

Das Money Boy-Parodie-Problem

Yung Lean wurde am Anfang seiner Karriere – ähnlich wie Money Boy – oft das Verarschen oder die Parodie von Hip Hop vorgeworfen. Ein sechzehnjähriger Milchbubi aus Stockholm, der über Drogen rappt – das kann er doch nicht ernst meinen, dachten viele. Diesen Verdacht hat man beim gereiften Yung Lean aus dem Jahr 2020 nicht mehr. Der Rapper ist, soweit man das über einen 23-jährigen sagen kann erwachsen, ambitioniert und vielschichtiger geworden. Auf seinen älteren Songs klang er immer wieder wie der kleine Bruder von irgendeinem Rapper, der halt auch mittun will und dessen Habitus mehr oder weniger gut imitiert. Diese Momente sind vorbei.

Schwierige Zeit in Miami

Dazu beigetragen haben sicher auch die schwierigen letzten Jahre. Als Yung Lean bis vor einiger Zeit noch in Miami lebte und drogenabhängig war, starb sein Freund und Manager i an einer Überdosis. Auch Yung Lean wurde in dieser Zeit aufgrund von Medikamentenmissbrauch in ein Krankenhaus eingeliefert. Diese Episode verarbeitet der Schwede im neuen Lied „Yayo", das in ganz typischer Yung-Lean-Manier mehr oder weniger aus einem einzigen Refrain besteht.

Neuer Cloud-Rap-Sound

Der Cloud-Rap von Yung Lean ist jetzt düsterer und hat Trance- und Computer-Musik-Einflüsse. Oft trägt er in Videos jetzt eine ungut aussehende Bankräuber-Mütze und posiert mit leinepflichtigen Hunden. Auch Varianten des Dream Pop finden sich auf den Beat-Unterlagen von „Starz“, auch Witch-House, wie auf dem tollen Song „Boylife in EU".

Yung Lean hat sein künstlerisches Schaffen erweitert

Yung Lean ist schon länger nicht mehr ausschließlich Rapper. Er macht Punk mit seiner Band Död Mark und unter dem Alias Jonatan Leandoer96 (sein echter Name) eine gelungene Mischung aus Indie und Garagen-Rock. Sein Oeuvre zeugt von einem größeren Kunstverständnis, das über Internet-Memes hinausgeht. Die Erweiterung seines künstlerischen Schaffens war enorm wichtig. Nur so kann Yung Lean popkulturell weiter relevant bleiben. Denn der postmoderne Internet-Humor, mit dem Yung Lean weltweit bekannt wurde, ist mittlerweile im Mainstream angekommen: Yung Hurn kann etwa auf einer bumvollen Donauinsel spielen und Mode-Menschen tragen ganz ernsthaft ironische, trashige Kleidung vom Secondhand-Store. Yung Lean hat sich, smart wie er ist, weiterentwickelt. Er macht vielleicht nicht die eingängigste Musik. Aber interessant ist sie immer.

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