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Auf laut

Genderbacklash in der Coronakrise

Kochen, Putzen, Homeschooling. In der Krise bleiben Haushalt und Kinder einmal mehr an den Frauen hängen.

Von Barbara Köppel

Als ich mit meinem Kollegen telefoniere, um die heutige Sendung zu planen, halte ich mit einer Hand das Handy ans Ohr und mit der anderen den Behälter unterm Stabmixer, weil das Kind gerade Backwerk in seine Bananenmilch drechselt und dabei begeistert „Kekse! Kekse! Kekse!“ brüllt. Eigentlich bin ich im Homeoffice. Eigentlich arbeite ich gerade an einer anderen Sendung. Eigentlich ist mein Partner auch da und bemüht sich redlich, die Aufmerksamkeit des knapp Dreijährigen wieder auf sich zu ziehen, aber der will partout nur mit meiner Hilfe gatschen. Auch gut. Ich schlinge noch schnell Aufgewärmtes vom Vortag hinunter und werte den Vorfall als Mittagspause.

Katharina Mader, Assistenz-Professorin der WU-Wien für Feministische Ökonomie

Gersin-Livia Paya

Katharina Mader ist Expertin für feministische Ökonomie und heute Abend zu Gast in FM4 Auf Laut.

Wo genau hat die Coronakrise traditionelle Geschlechterrollen verstärkt oder auch aufgebrochen? Wie schaut die Arbeitsteilung bei Euch aus?

Anrufen und mitdiskutieren könnt ihr ab 21 Uhr.

0800 226 996

Im Homeoffice mit Kindern ist der wahre Chef immer im Nebenzimmer. Ein echter Rückzug gelingt nur phasenweise. Meine Kolleg*innen wundern sich schon lange nicht mehr, wenn mein Sohn während einer Videokonferenz auf meinen Schoß klettert. Auch das Interview mit Ökonomin Katharina Mader, das ich für diesen Artikel geführt habe, findet statt, während ihr jüngeres Kindergartenkind gerade seinen Mittagsschlaf hält und das ältere von ihrem Mann betreut wird. Beide sind im Homeoffice, er übernimmt Haushalt und Kinder am Vormittag, sie am Nachmittag. Die untertags liegen gebliebene Erwerbsarbeit wird abends und nachts nachgeholt.

Überholte Rollenbilder und Überbelastung

Das sind nur zwei Beispiele eines permanenten Zustands des Workarounds, in dem sich Frauen seit Beginn der Coronakrise befinden. Noch dazu vergleichsweise privilegierte. Andere Mütter haben mehr Kinder, unterbezahlte Systemerhaltungsjobs, sind Alleinerzieherinnen und/oder nebenher noch im Homeschooling eingeteilt. Manche alles zusammen. Die Mehrfachbelastung der Frauen ist längst zur Überbelastung geworden.

„Seit der Coronakrise sehen wir in vielen Haushalten das Aufleben überholter Rollenbilder“, sagt auch Katharina Mader, Expertin für feministische Ökonomie an der Wirtschaftsuni Wien. „Die Frau ist wieder für den gesamten privaten Bereich zuständig und leistet den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit. In einer Studie zum Thema Homeoffice und Hausarbeit, die wir gerade durchführen, finden sich Aussagen wie „Es bleibt alles an mir hängen“, „Meine Tage sind länger denn je“ oder „Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll“.

Das Austrian Corona Panel der Uni Wien hat Daten zu gesellschaftlichen Entwicklungen in der Coronakrise schon ausgewertet. In einer dieser Umfragen gibt fast die Hälfte der Mütter (47%) an, während der Coronakrise viel mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufgewendet zu haben. Bei Vätern waren es weniger als ein Drittel (29%). Bei Eltern, die Vollzeit arbeiten, haben die Mütter (63%) sogar doppelt so oft die Kinder übernommen als Väter (30%).

Die meisten Familien in Österreich leben aber das traditionelle Hauptverdiener-Zuverdienerin-Modell. Spätestens nach dem ersten Kind arbeitet die Frau in Teilzeit. Homeschooling, Kochen und Putzen gingen mit dem Einsetzen der Ausgangsbeschränkungen quasi automatisch auf Kosten ihres Jobs, erklärt die Ökonomin: „Sie steckt nur ein bisschen zurück, arbeitet anstatt ihrer üblichen zwanzig Stunden vielleicht nur mehr zehn, übernimmt dadurch mehr unbezahlte Arbeit und es fällt nicht so stark auf, wie wenn er seine Vollzeit reduzieren würde.“

Strukturelle Benachteiligungen von Frauen

Eine Entscheidung, die etliche Paare zuletzt aus finanziell pragmatischen Gründen genau so getroffen haben, und die auf individueller Ebene total nachvollziehbar ist, der aber strukturelle Benachteiligungen zugrunde liegen: Erstens ist Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft nach wie vor mehr Wert als Hausarbeit und die Fürsorge für Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige. Zweitens sind wir noch viel zu stark in sozialisierten Denkmustern gefangen, à la „Sie sieht den Dreck eher“ oder „Sie kann das einfach besser mit dem Baby“. Drittens sind es institutionelle Rahmenbedingungen, die Frauen in Küche und Kinderzimmer drängen. Mit einem 12+2-Karenzmodell, einem Familienbonus, der das Hauptverdiener-Ideal favorisiert und einem real existenten Gender-Paygap wird sich in Österreich nichts so schnell am Status quo ändern.

Eine Gruppe, die den Genderbacklash in der aktuellen Situation daher besonders stark erlebt hat, sind gut ausgebildete, gut bezahlte Frauen, sagt Katharina Mader. „Die hatten die Schule, die Nachmittagsbetreuung, den Kindergarten. Die hatten aber auch die Großeltern, die Babysitterin, die Putzfrau oder andere schwarz Angestellte, die Hilfsarbeiten übernommen haben. Die hatten aber offensichtlich nicht einen Partner, der gefunden hat, die Hälfte dieser Arbeit gehört mir. Jetzt in der Krise sind also sie es, die all das abfangen müssen, was an Ausgelagertem und Zugekauften nicht mehr möglich ist.“

Corona hat gezeigt, wie fragil die Gleichberechtigung der Geschlechter auch im Mittelstand ist. Genau dort sieht man aber wiederum, dass nun auch immer mehr Väter im Homeoffice mehr Zeit mit Hausarbeit und Kindern verbringen. Das ist eine gute Sache und eine Chance die Arbeitsaufteilung neu zu verhandeln und nachhaltig fair zu gestalten. Die meisten werden aber wohl noch eine Weile weiterstrudeln. Denn mit Unterricht nur alle zwei Tage und den Sommerferien vor der Tür ist die Betreuungskrise noch lange nicht vorbei.

FM4 Auf Laut: Wer schupft bei euch Haushalt und Kinder?

Kochen, putzen, kümmern und obendrein Homeschooling und der Job. Die zusätzliche Hausarbeit und Kinderbetreuung haben während der Ausgangsbeschränkungen zum Großteil Frauen übernommen. Gleichzeitig hat die Coronakrise diese unbezahlte Arbeit stärker sichtbar gemacht. Krisenstäbe und Politik bleiben jedoch weiterhin Männersache. Wo gibt es (politischen) Handlungsbedarf? Wir sprechen dazu mit der Ökonomin Katharina Mader und Anrufer*innen. Anrufen und mitdiskutieren könnt ihr unter 0800 226 996 ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut

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