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Feiern, die verbotene Frucht

Wie verändert die Pandemie unsere Partykultur? Was feiern wir und was macht eine gute Party eigentlich aus? Wir haben vier Menschen zwischen 19 und 25 Jahren nach Antworten gefragt.

Von Gersin Livia Paya

Mein Kollege Lukas Tagwerker und ich planten eine Diskussionssendung zum Thema Feiern. Die Vorbereitungstreffen waren voller Fragen in einem leeren Kaffehaus. Immerhin war Pandemie. Zweimal haben wir viel diskutiert und kontroversielle Meinungen gehabt, über Hedonismus, über Risiken und Ängste. Und dann wurde der Afroamerikaner George Floyd getötet.

Weiter über die Party des Lebens zu diskutieren ging dann nicht mehr, und ans Feiern zu denken war auch nicht mehr möglich. Und dann sind Protestwellen entstanden, in Wien waren 50.000 Menschen dicht gedrängt in den Straßen. In diesem Demonstrieren spürte man den Wunsch nach dem Ende des Alleinseins. In der Nacht nach dem Protest stand ich auf einem vom Mond erhellten Karlsplatz voll tanzender Menschenmassen. Die Party war zurück und die Fragen dazu auch. Wir haben also ein recht zufällig zusammengewürfeltes Panel eingeladen und vier junge Menschen um ihre Meinung gebeten.

Party Menschen

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v.l.n.r.: Stefan, Niklas, Navneet, Lisa

Unsere Gesprächspartner*innen: Niklas, ein 19-jähriger Koch und Kellner, sein Kumpel Stefan, ein 24-jähriger Versicherungsangestellter, beide aus Fischamend. Die 23-jährige Lisa, die Kultur- und Sozialanthropoligie studiert und Navneet, die 25-jährige Promomanagerin eines Musiklabels. Gefunden habe ich sie alle bei ihrer gemeinsamen Leidenschaft, einer Partyveranstaltungs-Gruppe auf Facebook. Aber wollen alle vier Risiken eingehen, um zu feiern?

Ich wollte sie das alle im Freien fragen, der Regen hat uns aber in ein Kaffehaus getrieben. Das war für niemanden ein Problem, aber schon bei der Begrüßung gab es Unterschiede, die wir mittlerweile alle kennen: Niklas und Stefan schütteln die Hand, Navneet umarmt und Lisa setzt sich einfach dazu. Sie ist verkatert, und damit sitzt der erste Lacher. Wir teilen uns mein Desinfektionsmittel und ich frage los.

Wie habt ihr Euch in den letzten Monaten verhalten, habt ihr eure Eltern gesehen? Party gemacht?

Navneet:Die ersten zwei Monate fuhr ich fix nicht nach Salzburg zu meinen Eltern. Ich wollte keine Ansteckung riskieren.

Lisa:Ich hatte am Anfang schon einen Konflikt. Ich wollte nicht nach Südtirol aufs Land, weil ich mich weiter ausleben wollte. Meine Mutter arbeitet in einem Altersheim, ich wollte da nichts riskieren. Im Nachhinein weiß ich, dass am Land mehr gefeiert wurde als in Wien.

Stefan:Ich habe nichts gemacht, erst mit der Gastro-Öffnung haben wir eine private Parkplatzparty gemacht, nur was Kleines mit Abstand, zu viert.

Navneet:Mit der Gastro-Öffnung gab es einen Schlüsselmoment, ich fing auch erst dann an, Freunde zu treffen. Auch bei uns in der 6er-WG gab es dann einen Mini-Rave.

Lisa:Da bin ich neidisch, ich bin verkümmert in meiner 2er-WG.

Niklas:Ich lebe bei meinen Eltern, ich habe niemanden gesehen, ich fand das aber sehr entspannend, wir haben einen großen Garten.

PArty Menschen Interview

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Was macht denn eigentlich eine gute Party aus?

Stefan:Wenn es keine Pandemie gibt! Und wenn die Musik gut ist, wenn die Menschen, mit denen man aus ist, auch gut drauf sind.

Niklas:Für mich ist eine Party nicht an Alkohol gebunden, da bin ich manchmal vielleicht die Spaßbremse, aber damit kann ich leben. Einfach unbeschwert feiern mit Freunden, und dass man runterkommt nach der Arbeit und den Kopf frei hat.

Navneet:Die Location ist ein sehr großer Faktor für mich, Werk, Fluc und Forelle sind zum Beispiel meine Top-Locations in Wien. Und ein/e gute/r DJ gehen Hand in Hand dabei. Wenn die Musik passt, macht es so viel aus, da kannst du auch nüchtern im Club sein. Und wenn beim Drop von der Musik die ganze Crowd abgeht.

Lisa:Für mich ist eine gute Party wenn alle Menschen strahlen. Wenn alles frei von Rassismus, Sexismus und Diskriminierungen ist. Und wenn auch die eher faden Leute mal locker sind und die auch Strahlemenschen sind und es mal fühlen, dann ist es eine gute Party.

Wie wichtig ist euch Clubkultur?

Navneet:Ich hoffe das klingt jetzt nicht total absurd, aber für mich war die Demo mit 50.000 Menschen schon ein Mini Startschuss in Richtung Rave- und Club- und Open Air-Normalität. Wenn wir Glück haben, passiert da wirklich nichts. Wenn wir eine Demo mit 50.000 Menschen überstehen, dann ist es wahrscheinlicher, dass auch 1000 Menschen auf einem Haufen raven können.

Stefan:Es ist schon eine Frechheit, man kann überall hingehen, aber nicht feiern. Das ist schade, dass es auf der Strecke bleibt.

Lisa:Die Clubkultur ist sehr wichtig. Wir junge Menschen sind alle sehr individualistisch geworden, jeder geht seinen eigenen Weg. Aber beim Feiern sind wir alle ein Kollektiv, da ist es egal, woher du kommst, wer du bist und wie du aussiehst. Ich finde es wichtig, dass auch die Clubs dafür kämpfen, sonst spaltet sich weiter alles auf, alles bleibt in einer Bubble und nichts vermischt sich, (also zum Beispiel) bei illegalen Raves oder Demonstrationen. Aber die Institution Club verbindet uns.

Navneet:Es ist auch Freiheit. Das geht extrem ab. Während der Corona-Lockdown-Zeit hatte man nichts vor am Abend und war quasi abgesperrt. Es ist ein bisschen zum Verzweifeln, wenn man hört, dass es vielleicht erst ab 2021 wieder möglich ist. Es ist auch ein ethischer Konflikt: Ist dir Menschenleben oder Raven gehen wichtiger? Jeder normale Mensch würde sagen Menschenleben, aber aus einer Mini-egoistischen Sicht wünscht man sich doch, dass die Clubs wieder öffnen, man wieder rauskommt und dass man diesen Teil der eigenen Identität auch ausleben kann. Du bist nicht nur Büroangestellte oder Studentin, sondern du bist eben auch Raver.“

Wie ist es, Freunde zu treffen während einer Pandemie?

Lisa:Es gibt Tage, wo alle Leute rausgehen wollen und ich bin zu Hause und fühle es nicht. Ich weiß nicht, ob es Coronabedingt ist, aber manchmal überfordert es mich, im ganzen Trubel sind auch Ängste da. In der Wohnung war es so lange so eng und plötzlich ist man auf einer Wiese mit ganz vielen Menschen. Und in der Lockdown Zeit hätte ich jedem eine geklatscht, wenn jemand illegale Raves gemacht hat, da fand ich es sehr asozial. Aber jetzt - die Politik ist selbst schuld, wenn sie Lockerungen bringen und wir unsere Jugendkultur jetzt auch ausleben.“

Niklas: „Ich habe begonnen wieder rauszugehen und essen zu gehen, aber Bars und Clubs erst langsam wieder.“

Stefan: „Es soll jeder selbst entscheiden. Wenn jemand daheim bleiben will, habe ich kein Problem damit“

Navneet:90% meiner Freunde sind wieder normal unterwegs. Und bei mir ist es wie bei einer Droge, ich habe langsam angefangen wieder meine Freunde zu sehen und ich wollte dann gar nicht mehr aufhören, immer mehr Freunde zu sehen. Aber ein paar Mal hatte ich schlechtes Gewissen, weil wir sind noch in einer Pandemie, eigentlich sollte ich noch vorsichtig sein.

Gibt euch das Streamen viel?

Niklas:Die Stream Geschichte nicht so wirklich, aber wenn man einfach wirklich in einem Club sitzen darf und Live-Übertragungen sieht, das ist schon gut.

Navneet:Es gibt super Streams, wie zB. United We Stream aus Berlin, aber alleine zu Hause, wo es einen nicht so durchrüttelt, das ist irgendwie anders.

Lisa:Ja, als ich in der Küche mit meiner Mitbewohnerin einen DJ gestreamt habe, war das so merkwürdig, wir haben davor noch am selben Tisch für die Uni gelernt. Das war uns zu paradox!

Navneet:Am Anfang war das deprimierend, ich wollte unbedingt im Club stehen. Ich habe dann eine Weile einfach aufgehört, Techno zu hören, obwohl es coole Streams waren, es war mir aber zu deprimierend.“

Niklas:Ich habe nur Instagram-Streams gesehen, aber alleine zu Hause vor’m Bildschirm, das geht nicht.“

Stefan:Die ersten Streams waren cool, aber in den letzten Wochen war ich schon übersättigt und habe es gelassen.

Was feiert ihr eigentlich gerade? Gibt es Partys, zu denen ihr Nein sagt?

Navneet:Hauspartys und Geburtstage habe ich schon besucht. Aber keine Partys, wo viele Leute sind."

Lisa:Ich gehe auf keine WG-Partys.

Stefan:Ich nehme, was ich kriege.

Niklas:Ich war jetzt auf einer Party, aber habe davor alles abgesagt. Und jetzt habe ich viele Einladungen, aber nur im Freien. Ich wiege immer ab.

Stefan:Es ist schon wichtig abzuwiegen, ich glaube mittlerweile ist es nicht mehr so gefährlich, die Infektionszahlen sind nicht so hoch.

Niklas:Ich halte den Radius klein, also bleibe bei Leuten, die ich kenne und halte Abstand so gut es geht.

Navneet:Wenn Hauspartys, dann eher Freunde, die ich sonst auch treffe. Es ist weniger wie früher, wo man auch auf fremde Partys ging, weniger irgendwohin, um zu feiern.

Lisa:Wir waren alle in unseren Wohnungen, ich sehe nicht ein, warum ich jetzt wieder in Wohnungen gehen sollte. Ich gehe ins Freie feiern.“

Navneet: „Einige Freunde von mir vermeiden Outdoor Partys vor allem von Clubs, weil sie meinen, dass da alle hinstürmen.

Lisa:Auch die Sperrstunde ist eine Folter. Mir ist bei den Afterpartys aufgefallen, dass Feiern wieder eine verbotene Frucht geworden ist.

Niklas:Ich war erst einmal feiern und ich bin immer gleich nach Hause, ich achte auf das Hände Desinfizieren und auf den Abstand. Ich möchte auf der sicheren Seite bleiben.

Navneet:Ich war auf keiner Veranstaltung bisher. Mich schreckt die Sperrstunde ab, ich bin eine Nachteule, irgendwie stelle ich es mir schwer vor, dann zu gehen. Das Rave-Feeling kommt nicht auf.

Lisa:Dieses Feeling der Party-Leute ist aber so krass. Man will nicht mehr aufhören um 23 oder 1 Uhr. Es gibt so viele illegale Afterpartys.

Navneet:Die neuen Bestimmungen sind etwas unsexy. Tisch reservieren, nicht tanzen und frühe Sperrstunde. Cool, dass es Lösungen gibt, aber das Rave-Feeling kann uns nicht gegeben werden.

Lisa:Ja, das fiel mir schon auf. Viele sind auch nicht so kommunikativ momentan, mir geht es auch ähnlich. Man braucht jetzt schon mal ein bis zwei Bier, um locker zu werden.

Cheers!

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