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Filmstill aus "Ya No Estoy Aqui"

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„Ya no estoy aqui“ ist ein Musikfilm mit Substanz

„Ya no estoy aqui“ zeigt anhand des Schicksals des mexikanischen Teeangers Ulises, woher der Schmerz rührt, der in Cumbia, dieser Musik und Kultur gelebt, gefeiert und verarbeitet wird.

Von Natalie Brunner

Die Musikrichtung Cumbia entstand an der karibischen Küste Kolumbiens während der Zeit des Sklavenhandels und drang in den folgenden Jahrhunderten nach Mittel- und Südamerika vor. Cumbia ist das musikalische Rückgrat Lateinamerikas. Ein aus Westafrika kommender Beat kombiniert mit lokalen indigenen Rythmiken.

Seit den 1960 er Jahren gibt es lokal unterschiedliche Einflüsse von Rock, Dub, Pop, Hip Hop und elektronischer Musik. Die Popularität von Cumbia ist damals explodiert und der Sound kann gegenwärtig von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich klingen. Es gibt unterschiedlichste Cumbias für jede und jeden zwischen 7 und 97. Cumbia rult in Lateinamerika von Juazez bis Feuerland.

Freude & Melancholie

Cumbia ist auch ein Tanz - schlurfend und kreisförmig. Enge Drehungen und komplexe anmutige Handgesten sind ein wichtiger Bestandteil. Historikerinnen vermuten, dass die schmalen Schritte auf die Ketten zurückzuführen sind, die an den Beinen der versklavten Tänzerinnen und Tänzer waren und ihre Bewegung einschränkten.

Das ist wohl einer der Gründe dafür, dass Cumbia oft Freude und Melancholie gleichzeitig vermittelt.

„Ya no estoy aqui“ ist via Netflix zu streamen.

Jugendkultur & politische Kritik

Der Film „Ya no estoy aqui“, zu deutsch „Ich bin nicht mehr da“, begleitet den 17-jährigen Ulises, Kopf einer Cumbia Tanzcrew aus den Slums von Monterrey Mexico, auf seiner unfreiwilligen Irrfahrt nach New York. Das Ergebnis: ein großartiger Film über eine nicht marktgenerierte Jugendkultur und eine präzise politische Kritik der Migrationspolitik der USA.

Die in Monterey Mexico lebenden Cumbia Kids, deren Anführer der Film „Ya no estoy aqui“ begleitet, nennen sich Cholombianos, denn kolumbianische Produkte haben auf der Straße die Reputation, den größten Reinheitsgrad zu haben. Deshalb der Name, weil ihre Liebe zu Cumbia nach Eigendefinition die größte und reinste ist.

Ulises, die Hauptfigur, und seine Crew, die Terkos, haben einen großartigen Style: Gebleichte ausrasierte und toupierte Frisuren, extra Baggy Workwear Suits und die Mädchen tragen Los Angeles Latin X Style kombiniert mit Accessoires vom 50er Jahre Film Diven.

Filmstill aus "Ya No Estoy Aqui"

Netflix

Ulises versteht sich mit allen im Viertel gut. Die lokale Gang respektiert ihn und wie er seine Truppe zusammen hält, bis er eines Tages zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er muss über Nacht verschwinden. Ulises landet in New York wo er mit einer Truppe von Tagelöhnern am Bau arbeitet. Er freundet sich bei einem Job mit der Enkelin eines Ladenbesitzers aus Queens an, die ihn mitnimmt - zu Parties und dem was sie unter Spaß versteht.

Zwei Erzählstränge

„Ya no estoy aqui“ ist nicht linear erzählt, sondern pendelt ständig zwischen den zwei Zeitsträngen, zwischen Ulises zu Hause in Monterrey und seiner Einsamkeit im Exil in den USA hin und her.

Der Regisseur von „Ya no estoy aqui“, Fernando Frías de la Parra, begleitet mit seinem großen Gespür für Bildkomposition Ulises mit langen Kamerafahrten. Wie er alleine und mittellos durch das U-Bahn System von New York driftet, unterbrochen von den Szenen aus seinem Leben in Mexiko und den Erinnerungen an die Gewalt, die zu seiner unfreiwilligen Migration geführt hat.

Frías de la Parra erzählt seine Geschichten durch Bilder und nicht durch Dialoge. Ulises’ Kleidung, seine Frisur, der Hintergrund - all das sind Anhaltspunkte, um sich in der komplizierten Rückblendenstruktur des Films zurechtzufinden. Und das macht Sinn, denn der Film erzählt von Trauma und dem Schock, durch den Menschen wandern, wenn in einer Sekunde ihre Welt, ihr zu Hause verlieren.

Das Glück vergangener Momente

Ulises realisieret, dass er nicht nur einen Ort und Menschen verloren hat, sondern auch seine Kultur und seinen Platz in der Welt. Die Cumbias, die Ulises in dem Film hört, handeln von Heimweh und dem Versuch, sich durch Erinnerungen das Glück vergangener Momente zurückzuholen.

Zusätzlich ist „Ya no estoy aqui“ auch ein großer ausgestreckter Mittelfinger an das Narrativ, das Rechtspopulisten spinnen: Die Horden aus dem Süden, die das schöne Leben wollen.

Denn es sind Menschen, die einfach überleben wollen. Ulises wollte nie weg, so schön ist es nicht im Norden, aber zu Hause wartet auf Ulises nur Zerstörung und Gewalt. Ihm wurde nicht nur sein zu Hause, sondern auch seine Kultur genommen. Und daran zerbricht er.

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