FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kanisfluh

CC0

Zu schön, um wahr zu sein. Zu wahr, um schön zu sein

In „Die Bagage“ erzählt Monika Helfer ihre Familiengeschichte. Die Geschichte einer wunderschönen Großmutter, eines eigensinnigen Großvaters, der sein Leben lang eine Tochter völlig ignorieren wird – die Mutter von Monika Helfer -, und der Kinder, die sich in Armut gegen die Dorfbewohner behaupten müssen. Seit Monaten ist „Die Bagage“ auf den Bestsellerlisten. Völlig zu Recht.

von Zita Bereuter

„Mariaundjosef!“ ist im Bregenzerwälder Dialekt ein (mittlerweile selten gebrauchter) Ausdruck für böse Überraschungen. Ironie des Schicksals, dass die Eltern „der Bagage“ Maria und Josef heißen. Moosbrugger, um genauer zu sein. Sie leben im hinteren Bregenzerwald und bei all dem, was dieser Familie zustößt, denkt man viel zu oft „Mariaundjosef!“.

Monika Helfer Die Bagage

Hanser Verlag

„Die Bagage“ von Monika Helfer ist bei Hanser erschienen.

Das von ihr eingelesene Hörbuch gibt es im Hörverlag.

Maria Moosbrugger ist Mitte 20 und eine umwerfend schöne Frau, erzählt Monika Helfer in dem autobiographischen Roman. „Maria hieß meine schöne Großmutter, der alle Männer nachgestiegen wären, wenn nicht alle Männer Angst vor ihrem Mann gehabt hätten.“

Der Großvater ist den Dorfbewohnern zu eigensinnig, zu schlau, zu undurchschaubar. Außerdem macht der wortkarge Mann „Geschäftchen“ mit dem Bürgermeister.

Als Josef 1914 in den Ersten Weltkrieg einberufen wird, soll daher der Bürgermeister auf Maria und die Kinder aufpassen. Will heißen, er soll aufpassen, dass kein Mann ihr zu nahe kommt. Dabei ist es der Bürgermeister, der Maria ständig bedrängt. Tatsächlich taucht dann ein interessanter Mann auf und als Josef aus dem Krieg zurückkommt, ist Maria schwanger. Vielleicht von ihm, von einem Fronturlaub, vielleicht aber auch von wem anderen.

Josef jedenfalls ignoriert das Kind. Nie nennt er das Mädchen bei ihrem Namen: Grete. „Er hatte keinen Zorn auf sie, keine Wut; er verabscheute sie, er ekelte sich vor ihr, als würde sie nach dem Zudringling riechen ihr Leben lang. Sie schlug er nie. Die anderen Kinder manchmal. Die Grete nie. Er wollte sie nicht einmal im Schlagen berühren. Er tat, als gäbe es sie nicht. Er habe bis zu seinem Tod nie ein Wort mit ihr gesprochen.“

Grete, die von Josef nicht mal angeschaut wurde, ist die Mutter von Monika Helfer.

Es ist eine unglaubliche Familiengeschichte. Zu schön, um wahr zu sein. Zu wahr, um schön zu sein. Die Bagage wird ob ihrer Armut von der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt. Die Schönheit der Mutter hingegen führt zu Argwohn und Neid. Dabei wollten sie vor allem eines: nichts Besonderes sein.

Halloah FM4
Am Sonntag, 16. August, besucht Halloah FM4 Vorarlberg. Auch den Bregenzerwald.

Und für euer Ländlewissen gibt es Halloha Vorarlberg! - Das FM4 Bundesländerquiz

Auf gut 150 Seiten eröffnet Monika Helfer eine Familiengeschichte, zeichnet das Dorfleben ab, ohne in einen Heimatkitsch zu verfallen, erzählt von Liebe und vom Krieg, von emanzipierten Frauen und von Schönheit, die gleichsam Segen und Fluch sein kann.

Sie spannt den Bogen über hundert Jahre in die Gegenwart, ja greift sogar über den Tod hinaus. Die zeitlichen Erzählsprünge und das Skizzenhafte irritieren anfangs, um später umso mehr zu faszinieren. Berührend, knapp und verdichtet zeigt Monika Helfer, was ein Familienerbe vermag.

Mit 32 Jahren stirbt Maria und lässt sieben Kinder zurück. Ein Jahr später stirbt auch Josef. Der Tod schlägt in dieser Familie viel zu oft viel zu früh und tragisch zu. „Die Bagage waren sie erst richtig geworden nach dem Tod ihrer Eltern“, schreibt Monika Helfer. Und an einer anderen Stelle: „Bei der Bagage kam eben viel zusammen.“

Dass „Die Bagage“ ein Bestseller geworden ist, verwundert nicht. Im Gegenteil, man würde gern zu jedem Familienmitglied einen Roman lesen.

mehr Buch:

Aktuell: