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Cover "Die Spiegelreisende - Die Verlobten des Winters"

Suhrkamp / Insel

„Die Spiegelreisende“: Nach vier Teilen hat sichs ausgereist

Im Juni ist der vierte und letzte Teil der Fantasy-Reihe „Die Spiegelreisende“ der Französin Christelle Dabos erschienen. Ein Fazit nach über 2.000 Seiten.

Von Philipp Emberger

Angesiedelt ist „Die Spiegelreisende“ von Christelle Dabos in einer magischen postapokalyptischen Welt. Sie ist zersplittert in 21 Archen, an deren Spitze jeweils ein Familiengeist steht. Mittendrin ist die tollpatschige und loyale Ophelia. Sie lebt auf der Arche Anima und ist mit animistischen Fähigkeiten ausgestattet: Sie kann durch Spiegel reisen und ist eine sogenannte Leserin. Berührt sie einen Gegenstand mit ihren Händen kann sie dessen Geschichte sowie die Gefühle der Vorbesitzer*innen sehen und spüren. Die perfekte Eigenschaft für eine Museumsangestellte.

„Sie war eine hervorragende Leserin, eine der besten ihrer Generation. Schicht um Schicht, Jahrhundert für Jahrhundert vermochte sie den Lebenslauf einer Maschine freizulegen, all die Hände, die sie angefasst, benutzt, demoliert, wieder Instand gesetzt hatten.“

Buchcover "Im Sturm der Echos", Band 4 der Spiegelreisenden von Christelle Dabos

Suhrkamp / Insel

Der vierte und letzte Teil der Spiegelreisenden-Saga ist im Juni auf Deutsch erschienen in einer Übersetzung von Amelie Thoma.

Eine Zwangsheirat führt Ophelia im ersten Buch weg von ihrer Heimatarche hin zur eisigen Arche Pol. Dort haben die Bewohner*innen ein eisiges Gemüt. Wenig verwunderlich also, dass sie Ophelia nicht gerade mit offenen Armen willkommen heißen. Zu allem Überfluss gerät sie bald zwischen die Fronten der rivalisierenden Familienclans. Das bleibt allerdings im Laufe der vier Bücher nicht der einzige Konflikt. Ganz im Gegenteil, es wird noch schlimmer. Am Ende kämpft Ophelia gegen einen übermächtigen und unsichtbaren Gegner und wird kurzerhand unfreiwillig zur Retterin der Welt, denn diese droht auseinanderzubrechen.

Ein umfassendes Fantasy-Epos

Christelle Dabos liefert mit „Die Spiegelreisende“ ein umfangreiches Werk mit viel Liebe zum Detail. Seite für Seite kann man in die komplexe Welt eintauchen und dort versinken. Jede Arche hat Christelle Dabos beispielsweise mit einem eigenen Familiengeist mit unterschiedlichen Kräften ausgestattet. Da ist es gar nicht immer einfach den Überblick zu behalten.

In Frankreich werden die Bücher bereits als Meisterwerke gefeiert, und mittlerweile hat die Geschichte auch hier eine wachsende Fangemeinde. Ein bisschen mehr als ein Jahr hat es gedauert bis alle vier Teile vom Französischen ins Deutsche übersetzt worden sind. Mit „Im Sturm der Echos“ beendet Christelle Dabos nun die erfolgreiche Serie, weitere Teile sind nicht mehr geplant.

„Ophelia war keine Expertin in Sachen Familiengeister: Von den einundzwanzig, die es gab, hatte sie bisher nur zwei kennengelernt. Doch jede dieser Begegnungen hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“

In der Vergangenheit wurde „Die Spiegelreisende“ häufig mit Harry Potter verglichen, teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht. Beide Geschichten kreisen um Helden wider Willen. Harry Potter ist in die Rettung der Welt ebenso wie Ophelia zufällig hineingerutscht. Sie ist eine schüchterne Person, die sich gerne hinter ihrer dicken Brille und ihrem eigenwilligen Schal versteckt.

Während bei Harry Potter die Sympathiefront sehr klar ist, ist sie bei der Spiegelreisenden phasenweise etwas verworrener. Viele Protagonist*innen handeln im Verborgenen, ihre Motive sind oft unklar. Selbst am Ende bleibt man als Leser*in etwas verwirrt zurück und doch hat Dabos mit der Spiegelreisenden auf über 2.000 Seiten ein beeindruckende Fantasy-Reihe geschaffen. Der Vergleich mit Harry Potter ist zwar eindrucksvoll, muss aber gar nicht sein. Denn die Geschichte von Ophelia nimmt gefangen und die Protagonist*innen wachsen ans Herz. Was will man mehr als Leser*in?

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