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Frau schnäuzt sich in ein Taschentuch

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Mit Akzent: Wer niest, verliert!

Früher war Niesen was normales. Als jemand nieste, sagte man „Gesundheit“. Heute ist es nicht mehr so.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ein alter Witz aus dem Kindergarten: „Wie jagt man Hasen? Man streut Pfeffer auf Steine im Wald, die Hasen niesen und schlagen ihre Köpfe gegen die Steine. Danach muss man sie nur einsammeln.“

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Früher war Niesen was normales. Als jemand nieste, sagte man „Gesundheit“. Heute ist es nicht mehr so.

Man niest, wenn Fremdkörper die Nasenschleimhaut erreichen. Ich habe einen Bekannten, der immer niesen muss, wenn er ein stärkeres Parfum riecht. So hat er auch seine jetzige Ehefrau kennengelernt. Als er ihr begegnete, fing er von ihrem Parfum zu niesen an und sie fand das irgendwie süß.

Eine andere Bekannte ist allergisch gegen Staub. Schon sehr wenig Staub verursacht bei ihr heftige Niesanfälle. Sie meint, sie habe einmal 47 Mal hintereinander niesen müssen. In den letzten Monaten ist sie paranoid geworden und will ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Denn sie hat Angst, dass die Leute die Rettung rufen oder noch schlimmer – sie lynchen, wenn sie in der Öffentlichkeit noch einmal einen solchen Niesanfall bekommt.

Meine Mutter ist der gewissenhafteste Bürger der Welt. Sie wäscht sich die Hände dreihundert Mal am Tag, trägt immer eine Riesenflasche Desinfektionsmittel in ihrer Handtasche und hat auf der Straße auch immer eine Filtermaske an. Sie ähnelt sehr einem Astronauten. So ausgerüstet machte sie sich auf den Weg zum Supermarkt nebenan, um Milch zu kaufen. Und dort im Supermarkt nieste sie zum Unglück auf einmal sehr laut.

Normalerweise hätte niemand darauf geachtet, doch jetzt hörte sich ihr Niesen wie die Explosion einer Handgranate an. Alle anderen Kunden im Supermarkt zerstreuten sich im Geschäft so schnell, als ob in ihrem unmittelbaren Umfeld ein Vakuum entstanden wäre. Sie stand in der Mitte dieses Vakuums und spürte die beschuldigenden Blicke der Anderen.

Unter ihrer speziellen Maske flossen Körperflüssigkeiten und sie konnte sie nicht abnehmen, um ihr Gesicht abzuwischen. Sie war knapp daran, entweder zu ersticken, oder - oh mein Gott - noch mal zu niesen. Sie flog aus dem Supermarkt wie ein Sektdeckel.

Draußen nahm sie ihre Maske ab, wischte ihr Gesicht ab, desinfizierte alles sorgfältig, setzte ihre Reservemaske auf und wollte wieder ins Geschäft reinkommen. Sie stoppte an der Schwelle. Was würde passieren, wenn sie jetzt erkannt würde, als diejenige, die vor kurzem gewagt hat, zu niesen? Deshalb ging sie in ein anderes Geschäft, drei Straßen weiter Milch kaufen. Sie fühlte sich wie der Hase aus dem Kindergartenwitz: Als ob sie in den Wald rennt, wo alle Steine mit Pfeffer bedeckt sind und man aufpassen muss, beim Niesen nicht mit dem Kopf aufzuprallen.

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