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Silhouetten von drei Personen auf der Wiener Donauinsel

APA/HERBERT NEUBAUER

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Der „echte“ Wiener

Todor Ovtcharov darüber, was die aktuellen Wiener Wahlplakate mit „echten“ Wiener*innen und dem Gemüseverkäufer von nebenan zu tun haben.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

In Wien kommen bald Wahlen. Die Straßen sind wieder voll mit Plakaten mit Politikern, die nett in die Zukunft lächeln. Eine Partei will diese Zukunft der jetzigen dunklen Gegenwart entgegenstellen. Und für diese dunkle Gegenwart sorgen natürlich dunkelhäutige Menschen.

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Ich habe im Internet eine Botschaft von einem der Kandidaten dieser Partei gesehen, der in der Grillzone der Donauinsel spazieren gegangen ist und festgestellt hat, dass dort nur Muslime grillen würden. Er schlägt vor, dass diese Grillzonen von den „echten“ Wienern zurückerobert werden. Wie das passieren soll, teilt er uns nicht mit.

Vielleicht durch deutliche Erkennungsmerkmale für „unechte“ Wiener: Alle Muslime sollten vielleicht in Zukunft einen großen roten Halbmond sichtbar an ihrer Kleidung tragen, alle Menschen aus Osteuropa einen roten Stern und alle aus dem Westen, wie Franzosen oder Amerikaner, einen blauen Punkt. So kann man leicht erkennen, wer „echt“ und wer „unecht“ ist. Um Stoff zu sparen, könnte man allen „unechten“ schlicht verbieten sich Steaks, Burger und Grillware im Supermarkt zu kaufen. Am Besten sollten alle „unechten“ vom Einkaufen ausgeschlossen sein. So werden sie verhungern und schnell ist man sie los und die „echten“ können ihre Grillzone zurückhaben. Kein Mensch, kein Problem!

Ein Wahlplakat zeigt einen Mann in einem Trainingsanzug mit einem Halbmond an der Schulter, der vor einer AMS-Stelle eine Schubkarre voll mit Geldscheinen schiebt. Für alle, die die Metapher, dass Ausländer den Staat ausrauben, nicht verstehen, wird das auch schriftlich verdeutlicht. In den 1930er Jahren hat es auch solche Plakate und Karikaturen gegeben, die damals die Juden als Staatsausbeuter dargestellt haben. Die Ähnlichkeit zwischen diesem Wahlplakat und den Bildern der Nazis ist erschreckend.

Der fünfjährige Sohn einer Bekannten von mir hat in diesem Wahlplakat den Gemüseverkäufer von nebenan erkannt. Er sieht ihn jeden Tag mit einem Schubkarren voll mit Paprika oder mit Kraut. Mit einem Schubkarren voll mit Geldscheinen habe er ihn aber noch nie gesehen. Der junge Mann bekommt vom Gemüseverkäufer immer einen Apfel oder ein paar Erdbeeren geschenkt. Das Kind hat seine Mutter gefragt, wann der Onkel mit dem Schubkarren mit dem Geld vorbeikommt und ob es nicht gefährlich sei, dass ihn wer ausraubt. Er schlug vor, den netten Onkel zu bewachen, und nahm sein Holzgewehr. „Wahrscheinlich braucht er das Geld, um Kraut zu kaufen“, dachte sich der Kleine, „und wenn am Markt kein Kraut da ist, haben wir auch kein Kraut für unseren Braten. Deshalb muss ich ihn bewachen!“ Kinder wissen es immer besser.

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