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Basteibrücke in der Sächsischen Schweiz

CC0 von Julius_Silver via Pixabay

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Wenn niemand auf deine Rückkehr wartet: „Elbwärts“ von Thilo Krause

Nach Jahren in der Stadt zieht der Protagonist in Thilo Krauses Roman „Elbwärts“ mit Identitätsfragen wieder in sein Dorf in der Sächsichen Schweiz zurück. Doch statt Antworten zu finden schlittert er in eine Krise, denn seine Rückkehr hat er sich ganz anders vorgestellt.

Von Simon Welebil

Wenn zwei Menschen vom Land in die Stadt ziehen, ist das oft nur eine zeitlich befristete Episode, die entweder mit dem Studienabschluss endet oder aber mit dem ersten Kind. Denn wenn es darum geht, ob das Kind in einer kleinen Wohnung in einer Asphalt- und Betonwüste oder in einem eigenen Haus mit Garten aufwachsen soll, fällt die Entscheidung leicht für Letzteres.

So scheint es auch in Thilo Krauses Roman „Elbwärts“ zu sein. Der namenlose Protagonist schwärmt seiner Partnerin Christina so lange von den Äpfeln und dem Himmel in der Sächsischen Schweiz vor, die er vor 20 Jahren verlassen hat, dass sie beschließen, dafür ihr Leben in der Stadt aufzugeben.

Landidylle mit dunklen Flecken

Obgleich die Sächsische Schweiz mit ihren malerischen Türmen aus Sandstein ein Magnet für Tourist*innen ist, sind die Orte an der Grenze zu Tschechien doch eher Abwanderungsgebiet, sodass sie recht schnell ein passendes Haus finden, das nur leicht renovierungsbedürftig ist. Christina findet auch schnell Arbeit im lokalen Ärztehaus und der Protagonist will sich in ihrem ersten Sommer vor allem um das Haus, ihr Kind und die Zukunft, ein kleines Café kümmern.

„Jetzt haben wir also ein Haus mit Sandkasten und Schaukel. Wenn einer vorbeiläuft am Zaun wird er denken: ein glückliches Haus. Mir gefällt der Gedanke. Mir gefällt die Vorstellung, dass jemand von außen auf unser Leben schaut und neidisch wird. In dieser Vorstellung kann ich mich einrichten.“

Doch dieses Bild der Landidylle kann er nicht lange aufrechterhalten. Denn der Protagonist hat Christina einiges verschwiegen. Die Äpfel und der Himmel sind für ihn nicht der Grund gewesen, zurück zu kommen, sondern Dinge aus seiner Vergangenheit, die er nicht aufarbeiten konnte, und die vor allem mit den Menschen in dieser Gegend zu tun haben.

Roman "Elbwärts" von Thilo Krause

Hanser Verlag

„Elbwärts“ von Thilo Krause ist bei Hanser erschienen.

Mit seinem Jugendfreund Vito, der damals beim gemeinsamen Klettern ein Bein verloren hat, hat er noch einiges zu klären, genauso wie mit der Dorfgemeinschaft, die er sich im repressiven DDR-System zu Feinden gemacht hat.

Niemand hat auf dich gewartet

Der Protagonist kommt auf Identitätssuche in seine Heimat zurück, die dort aber bald zur Identitätskrise wird. „Du kannst nicht einfach so wiederkommen“, wirft ihm Vito entgegen. Hier hat niemand auf ihn gewartet. Er entfernt sich immer weiter von einem normalen, bürgerlichen Leben, streunt tagelang barfuß und planlos durch Wiesen und Wälder und begibt sich auf Pfade, auf denen ihm seine Partnerin nicht mehr folgen will.

Autor Thilo Krause verhandelt in „Elbwärts“ Fragen von Identität und Heimat. Er lässt seinen Protagonisten vor allem in seiner Vergangenheit nach Antworten suchen, wobei ihm allerdings die Gegenwart in die Quere kommt, konkret in der Form von Neonazis, die im Wald Sommercamps abhalten und deren Gedankengut er auch in seiner Nachbarschaft entdeckt.

Dass im malerischen Sehnsuchtsort die Blut-und-Boden-Ideologie Einzug hält, trifft auch in der Realität zu, entfaltet im Roman, in dem es vor allem um Zugehörigkeit und Fremdheit geht, aber eine besondere Wirkung, gerade weil der Autor meist nur bei vagen Andeutungen bleibt. Der starke Roman mit klarer Sprache bleibt lange im Gedächtnis.

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