FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Radfahrer auf dem Pop-Up-Radweg auf der Praterstraße

APA/Herbert Pfarrhofer

Radfahren in Wien: Wahlkampf zwischen „Rad-Boom fördern“ und „Autofahrer-Schikane“

Im Frühjahr sind in Wien mehr Menschen aufs Rad gestiegen, um Menschenansammlungen in den Öffis zu meiden. Als Sofortmaßnahme hat die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein „Pop-Up-Radwege“ installiert. Aktuell gibt es noch 1,5 Kilometer temporärer Wege. Nicht nur die sind im Wien-Wahlkampf ein emotionales Thema, sondern das Radfahren in Wien generell.

Von Lena Raffetseder

Im Mai wurde der erste „Pop-Up-Radweg“ stadtauswärts auf der Praterstraße eingerichtet. Ein temporärer Radstreifen, der mit einer orangen Markierung Radfahrer*innen von Autos trennt. Es sind nur 700 Meter, die auf der Praterstraße noch bis November für Radfahrer*innen reserviert sind, trotzdem wird die Strecke viel diskutiert.

Was im letzten Wien-Wahlkampf die umstrittene „Begegnungszone“ in der Mariahilferstraße war, ist jetzt scheinbar der „Pop-Up-Radweg“. Die Wiener-ÖVP spricht von „Grünem Pop-Up-Populismus“, die FPÖ sieht in der Maßnahme „Autofahrerschikane“. Dabei geht es insgesamt um eine Strecke von nicht einmal zwei Kilometern: „Dem entspricht die Diskussion nicht ganz“, sagt Roland Romano von der Radlobby Wien. Ihm fehlen eher neue Radwege - 30 Kilometer pro Jahr.

„Hauptstraßen sind symptomatisch“

Aktuell legen Wiener*innen sieben Prozent aller Strecken mit dem Rad zurück. Bei der Radlobby höre man oft, dass sich Menschen nicht trauen würden, aufs Rad umzusteigen. Der Grund: Man fühle sich nicht sicher, weil es zu wenig geschützte Anlagen gibt, sagt Romano. „Die Leute wollen aufs Rad gelockt werden und dafür müssen die Wiener Straßen sicherer werden.“

„Symptomatisch“ für Wien sind laut Roland Romano Hauptstraßen ohne getrennte Radwege. Denn ein aufgemalter Streifen biete keinen Schutz vor dem motorisierten Verkehr. Wenn die Radlobby von Radwegen spricht, sind getrennte Bereiche für Radfahrer*innen gemeint. Aktuell gibt es davon in Wien rund 160 – nicht zusammenhängende - Kilometer, das gesamte Straßennetz der Stadt umfasst 2.800 Kilometer. Großteils bewegen sich die Radfahrer*innen also im Mischverkehr mit den Autos.

Tipps für den Rad-Umstieg

Auf der Radlkarte sind für Klagenfurt, Linz, Steyr, Wien und das Rheintal optimale Wege fürs Rad eingezeichnet, auch der Routenplaner der Mobilitätsagentur Wien ist eine Möglichkeit

Hilfreich kann es auch sein, ein paar radrelevante Punkte der Straßenverkehrsordnung aufzufrischen

Stößt man unterwegs auf Probleme, kann man die im Radkummerkasten melden

Ein Positivbeispiel ist für Romano die Ringstrecke entlang des Stadtparks. Fußgänger*innen haben viel Platz, es gibt eine Baumallee, Radfahrer*innen haben einen getrennten Radweg. Auch die vieldiskutierte Mariahilferstraße funktioniere als geteilter Raum gut, vor allem wenn man bedenkt, dass täglich 8.000 Menschen durch die Begegnungszone radeln.

Zukunftsvisionen

Bis 2030 sollen pro Jahr 30 Kilometer baulich getrennte Radwege errichtet werden, fordert die Radlobby gemeinsam mit Partner*innen im Rahmen der Initiative „Platz für Wien“. Mit der Umsetzung von 18 Forderungen soll der Weg zu einer „klimagerechten und verkehrssicheren“ Stadt erreicht werden. Grüne und NEOS unterstützen die Forderungen, die SPÖ Wien hat Teile davon in ihr Wahlprogramm übernommen. „Ein Ausbau der Radwege von zwei bis acht Kilometer pro Jahr ist aber zu wenig, um den Radverkehr bis 2030 zu verdoppeln“, sagt Romano. Der Sprecher der Radlobby sieht viele Lippenbekenntnisse. Seiner Beobachtung nach ist es häufig auch die Bezirksebene, auf der verkehrspolitische Vorhaben scheitern.

Vorschläge, wo neue Radwege entstehen könnten, gibt es genug. Im Rahmen einer Studie der TU Wien – in Auftrag gegeben von der Mobilitätsagentur der Stadt Wien – wurde eine „Prioritätenliste baulicher Radverkehrsmaßnahmen für Wien“ erstellt. Den Radverkehr nachhaltig erhöhen könnten der Studie zufolge etwa Radwege in der Ottakringer Straße, Wattgasse, Fasangasse, Alser Straße oder der Währinger Straße (andere sind in der interaktiven Karte zu sehen).

Der Platz muss irgendwo herkommen

Der Bau von Radwegen ist auch immer eine Frage der Verteilung des öffentlichen Raums. In Wien kommen im Schnitt auf 100 Menschen 37 Autos, zwei Drittel der Flächen sind aber dem Autoverkehr vorbehalten. Roland Romano beobachtet seit zehn Jahren, dass der Ausbau der Radinfrastruktur argumentativ an Autokollaps und Autofahrer-Schikane gekoppelt ist: „Durch dieses Framing wird der logische Umbau der Straßen als scheinbar negativ beurteilt, obwohl von mehr Platz für Menschen der Großteil profitieren würde.“

mehr Politik:

Aktuell: