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Studentenwappen des Corps Hansea Wien

gemeinfrei / commons.wikimedia.org

Wenn eine schlagende Verbindung nach rechts außen rückt

Ein ehemaliges Mitglied berichtet von Identitären, dem aktuellen Rechtsruck eines Wiener Corps und von Querverbindungen in ein Ministerium.

Von Christoph Weiss

Das Akademische Corps Hansea zu Wien bezeichnet sich auf seiner Website als demokratische Studentenverbindung, als „Erziehungsbund mit klaren Zielsetzungen“, als „Lebensbund mit tragfähiger Freundschaft“ und als „Männerbund mit langer Tradition“. So weit so gut, Burschenschaften sind für eine konservative und traditionelle Einstellung bekannt.

Doch die Verbindung hat ehemaligen Mitgliedern zufolge während der letzten Jahre eine Wandlung nach rechts vollzogen. Dieser Wandel der Hansea gehe einher mit einem starken Zustrom von Identitären bei der Verbindung, sagt ein ehemaliger Burschenschafter, der anonym bleiben will.

Aus dem in Deutschland ansässigen Kösener Senioren-Convents-Verband, deren Mitglied die Hansea seit etwa 100 Jahren war, wurde die Verbindung laut Quellen der Redaktion teilweise - nämlich nur betreffend die jungen Mitglieder, also die sogenannten Aktivitas - ausgeschlossen. Über einen kompletten Ausschluss auch der Alten Herren werde im KSCV diskutiert.

Bude der Hansea

anonym

Im Vereinslokal des Akademischen Corps Hansea zu Wien

Zumindest geduldet seien diese Entwicklungen - die schließlich auch zum Ausschluss der Aktivitas aus dem KSCV geführt haben - aber auch vom Altherrenobmann des Akademischen Corps Hansea zu Wien, Dieter Hüttner. Der ist auch Mitglied in einer zweiten schlagenden Verbindung, der Pennalen Burschenschaft Ghibellinia zu Wien. Im Sportministerium - früher unter der Leitung von Heinz-Christian Strache, inzwischen geleitet von Werner Kogler - wurde Dieter Hüttner, der auch Chefredakteur des Bundessportmagazins ist, mittlerweile zum Ministerialrat befördert.

Zu einem Interview über den Rechtsruck und den Einfluss der Identitären bei schlagenden Verbindungen hat FM4 ein früheres Mitglied einer solchen Verbindung zum Interview getroffen.

Du warst viele Jahre Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung. Aus welchem Grund wolltest du anfangs dort Mitglied werden?

Ich wurde während meines Studiums Waffenstudent, doch geplant hatte ich das nie - es hat sich einfach so ergeben. Über Freunde habe ich damals meine Verbindung kennengelernt. Zuerst war ich sehr skeptisch, da ich die üblichen Vorurteile hatte, jedoch habe ich bald festgestellt, dass diese auf meinen Bund nicht zutrafen. Da mir die Freundschaft und das Prinzip des Lebensbundes sehr gut gefallen haben, bin ich dann dabei geblieben.

Hat sich deine Einstellung hinsichtlich dieses Prinzips im Lauf der Jahre geändert? Bzw. wie hat sich die Verbindung selbst verändert?

Nein, meine Einstellung hat sich nicht geändert. Der Bund hat leider einen starken Rechtsruck gemacht, und das gefiel mir gar nicht. Ich bin Österreicher, Deutschtümelei mag ich nicht, und auch keine Verherrlichung von Gott sei Dank lange vergangenen Zeiten. Letztendlich wich das, wofür mein Bund stand, so weit von meiner persönlichen Einstellung und von den ursprünglichen Werten unserer Altvorderen ab, dass ich das nicht mehr vor mir vertreten konnte. Daher bin ich ausgetreten.

Was waren diese ursprünglichen Werte, die du im Lauf der Zeit nicht mehr dort gesehen hast?

Die Grundprinzipien der französischen Revolution: Liberté, Égalité, Fraternité. In meinem Bund war niemand politisch „gleichgeschaltet“. Politische Ansichten waren eine rein persönliche Sache, der Bund selbst war unpolitisch. Natürlich haben wir beim Bier auch über politische Themen diskutiert und es gab viele verschiedene Ansichten von liberal bis national, aber man muss ja nicht in allem einer Meinung sein.

Gab es dann im Lauf der Jahre bestimmte Personen oder Gruppierungen, die für die Abweichungen von diesen Werten verantwortlich waren?

Dazu muss man verstehen, wie eine Verbindung aufgebaut ist. Da ist es nämlich nicht so, dass die Alten Herren den Ton angeben, sondern das machen die Jungen, die Aktivitas. Hat man nun eher rechtskonservativen Nachwuchs, kann das eine gewisse Eigendynamik bekommen, denn die ziehen wieder Leute an, die so sind wie sie oder noch rechter. Wenn dann gleichzeitig die liberalen Kräfte im Bund schwinden, befindet sich der Bund in einer rechten Abwärtsspirale, aus der man nur mehr schwer rauskommt. Konkret zur Frage: Ja, schuld sind alle - einerseits der Nachwuchs, der dem Bund einen immer stärkeren Rechtsruck gab, aber auch die Alten Herren, die es verabsäumt haben, rechtzeitig dagegenzusteuern. Das soll aber nicht heißen, Alte Herren wären alle liberal - es gab genug, die den Rechtsruck nicht nur begrüßt, sondern auch mitinitiiert haben.

Reichskriegsflagge in den Räumen der Corps Hensea

anonym

Alexander Schleyer vor der im Vereinslokal des Akademischen Corps Hansea aufgehängten Reichskriegsflagge. Er ist ein der breiten Öffentlichkeit recht gut bekanntes Mitglied der Hansea: Von Mai bis September 2017 war er Kapitän der C-Star, eines von der internationalen extremen Rechten finanzierten Schiffs, das im Rahmen einer “Defend Europe” genannten Aktion die humanitäre und ehrenamtliche Arbeit zur Rettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer behindern wollte.

Zum Thema Rechtsruck: Du kennst das Foto, das ein Mitglied des Akademischen Corps Hansea, Alexander Schleyer, vor einer deutschen Reichskriegsflagge im Vereinslokal zeigt. Wie typisch ist das für die Akademischen Corps, und was denkst du über dieses Bild?

Ja, das Foto kenne ich, es ist sehr typisch für ein Corps in Wien - nicht für die anderen. Das Foto finde ich sehr passend für den Abgebildeten.

Der Abgebildete ist auch aktiv bei der Identitären Bewegung Österreich. Welche Rolle spielt diese Organisation deiner Meinung nach für den Rechtsruck bei den Corps?

Einen generellen Rechtsruck der Corps kann ich nicht erkennen. Dies gilt aber nicht für das Corps Hansea, das im letzten Jahrzehnt einen außerordentlichen Rechtsruck erfahren hat. Dafür sind mehrere Personen verantwortlich, die auch äußerst aktiv bei den Identitären waren.

Zu den Aktivitäten der Identitären gehörte in den letzten Jahren auch eine Aktion im Mittelmeer. Mit dem Schiff C-Star wollte die Identitäre Bewegung die Flüchtlings-Rettungsschiffe vor der Küste Libyens bei ihrer Arbeit kontrollieren beziehungsweise behindern. Alexander Schleyer war Kapitän der C-Star. Inwiefern hat bei dieser Aktion das Akademische Corps Hansea eine Rolle gespielt?

Das Corps Hansea selbst hat dabei absolut keine Rolle gespielt, allerdings wurde die „Defend Europe“-Aktion der Identitären von einigen Hanseaten sehr positiv aufgenommen. Zum Beispiel habe ich persönlich miterlebt, wie der Altherrenobman Dieter Hüttner damals den Kapitän, also seinen Corpsbruder Alexander Schleyer, als Helden bezeichnete.

Dieter Hüttner ist nicht nur Altherrenobmann des Akademischen Corps Hansea zu Wien, einer schlagenden Studentenverbindung, der vom DÖW Kontakte zu den als rechtsextrem eingestuften Identitären bescheinigt werden. Der ehemalige Spitzenkandidat der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher (AUF) bei den Kammerwahlen an der Landesverteidigungsakademie ist inzwischen auch Chefredakteur des vom Sportministerium herausgegebenen Bundessportmagazin - laut Eigendefintion eine Fachzeitschrift mit Berichten und Analysen zu Fragen der Sportstrategie, der Sportmedizin und der Integration im Sport.

Wie würdest du das Verhältnis zwischen den jungen und den alten Mitgliedern der Hansea beschreiben?

Das Verhältnis ist mittlerweile sehr gut, weil praktisch alle liberalen Alten Herren das Corps verlassen haben oder schlichtweg rausgeworfen worden sind. Dem ging ein Richtungsstreit der Traditionalisten und Nationalisten voraus. Die einen wollten, dass das Corps Hansea den alten Traditionen verbunden bleibt, die anderen wollten eine sehr viel eindeutig politischere Richtung. Der Altherrenobmann des Corps Hansea, Dieter Hüttner, gibt sich nach außen hin gerne liberal. Vor Außenstehenden, also Nicht-Korporierten, weiß er seine wahre Gesinnung sehr gut zu verstecken. Wenn man allerdings weiß, dass er neben dem Corps Hansea, auch Mitglied der als deutschnational eingestuften Pennalen Burschenschaft Ghibellinia zu Wien ist, bekommt man einen Eindruck seiner wahren Gesinnung.

Wie schätzt du das Verhältnis zwischen dem Altherrenobmann Dieter Hüttner und dem C-Star-Kapitän Alexander Schleyer ein, auch abseits der Aktion im Mittelmeer?

Sie haben ein ausgezeichnetes Verhältnis - manche gehen sogar soweit, dies als innig zu bezeichnen. Das Corps Hansea hat - wie alle Bünde - zwei Teile, den der Aktivitas und den der Alten Herren. Während Schleyer viele Jahre lange Senior des Corps Hansea war und damit die Aktivitas geführt hat, war und ist Dieter Hüttner Altherrenobmann. Als Obmann ist er der einzige der Alten Herren, der Sitz und Stimme im Corpsburschenkonvent, dem Entscheidungsgremium für praktisch alles, was täglich anfällt, hat. Dieter Hüttner hatte also über viele Jahre hinweg engste Kontakte mit Schleyer, aber auch mit anderen Identitären, die Chargen in der Aktivitas hatten. Darüber hinaus konnte man auch bei Kneipen oder einfach nur am Biertresen sehen, wie gut Hüttner und Schleyer sich verstanden - sowohl persönlich, als auch politisch.

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