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Lehrling bei der Arbeit

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Mit der Überbetrieblichen Lehre gegen die Krise

Durch die Krise werden nächstes Jahr viele Lehrstellen fehlen. Damit nicht tausende Jugendliche arbeitslos werden, gibt es die sogenannte „Überbetriebliche Lehre“, kurz ÜBA, die jetzt ausgebaut werden soll. Wir haben mit zwei Lehrlingen gesprochen, die derzeit eine ÜBA machen.

Von David Riegler

Die Jugendarbeitslosigkeit steigt und die Anzahl der Lehrstellen sinkt. Junge Menschen hat die Krise, die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurde, hart getroffen. Die Zahlen haben sich im Sommer etwas gebessert, trotzdem erwarten Expert*innen, dass viele Lehrstellen nächstes Jahr fehlen werden, denn einige Unternehmen konnten bisher nur durch die Kurzarbeit überleben und werden wohl auch in den nächsten Monaten niemanden ins Unternehmen aufnehmen. Die Alternative für Jugendliche, die keine Lehre finden, heißt „Überbetriebliche Lehrausbildung“, kurz ÜBA.

Lehrstellensuche während der Pandemie

„Es ist auf jeden Fall in der Corona-Zeit noch schwieriger eine Lehrstelle zu finden als sonst. Ich habe viele Bewerbungen abgeschickt und hatte sogar Bewerbungsgespräche, doch es hat leider nicht geklappt“, sagt Fabian, der seit September eine Überbetriebliche Lehre als Maschinenbautechniker macht. Auch nach langer Suche konnte er keine Lehrstelle finden, daher hat ihn das AMS an den Trägerverein „Jugend am Werk“ vermittelt. Dort soll er das Gleiche lernen, wie bei einer klassischen Lehre in einem Betrieb. Die Überbetriebliche Lehrausbildung ist einer Lehre im Betrieb gleichgestellt, inklusive Besuch der Berufsschule.

Lehrlinge vor Computer

Jugend am Werk

Der Alltag in der ÜBA ist jedoch ein wenig anders als im Betrieb und unterscheidet sich je nach Lehre und Trägerverein. Bei Jugend am Werk gibt es zusätzlich zur fachlichen und praktischen Ausbildung Nachhilfelehrer und Sozialpädagogen, die die Jugendlichen unterstützen. Außerdem muss ein Wochenbericht für das AMS verfasst werden. Die Praxis wird teilweise in Übungswerkstätten gelernt, teilweise aber auch in externen Unternehmen, mit denen die Trägervereine kooperieren. Die Betreuer*innen funktionieren als Brückenbauer*innen zwischen den Lehrlingen und den Unternehmen und organisieren regelmäßig Praktika.

Vom Praktikum ins Unternehmen

Bernhard, der gerade im zweiten Lehrjahr eine Überbetriebliche Lehrausbildung zum Tischler macht, hat schon sein zweites Praktikum abgeschlossen: „Das erste Praktikum war leider ein Fehlgriff, doch das zweite Praktikum war großartig, denn man hat einiges machen können.“ Teilweise werden die Lehrlinge direkt nach dem Praktikum von den Unternehmen übernommen, was laut Bernhard zwei klare Vorteile für die Jugendlichen hat: „Es kann ein längerer Arbeitsplatz sein und man verdient mehr Geld.“

Bei einer Lehre im Betrieb gibt es oft die Möglichkeit, auch danach im Unternehmen zu bleiben, was bei einer Überbetrieblichen Lehrausbildung wegfällt. Wer die Lehrabschlussprüfung in der ÜBA macht, muss dann erst recht wieder von vorne loslegen und Bewerbungen schreiben. Außerdem gibt es immer noch einige Unternehmer*innen, die der Überbetrieblichen Ausbildung nicht vertrauen und eher jemanden einstellen, der/die schon in einem Betrieb ausgebildet wurde. Doch wie Bernhard schon erwähnt hat, ist auch die Bezahlung für die Jugendlichen ein Problem.

Knapp 330 Euro Lohn im Monat

Die Lehrlingsentschädigung in einer ÜBA wurde in den letzten Jahren massiv gekürzt. In den ersten beiden Lehrjahren bekommen die Jugendlichen nur knapp 330 Euro monatlich. Davon zu leben ist unmöglich, daher haben auch viele das Ziel schnellstmöglich von einer Firma übernommen zu werden. Diese Hoffnung teilt auch Fabian: „Bei dem Praktikum muss man sein Bestes geben, damit die Firma sagt, der hat uns so gut gefallen, dass wir ihn übernehmen.“ Er schätzt, dass in seiner Klasse fast alle darauf hoffen übernommen zu werden.

Lehrlinge vor Maschine

Jugend am Werk

Doch damit das auch realistisch ist, müssten die österreichischen Unternehmen bereit sein, deutlich mehr junge Menschen auszubilden. Schon jetzt sind knapp 10.000 Menschen in einer ÜBA und durch die Krise plant das AMS für nächstes Jahr sogar 14.000 Plätze in Überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Um diese Zahl zu senken und die Unternehmen zu mehr Ausbildungsbereitschaft zu motivieren, haben die Sozialpartner unterschiedliche Lösungsvorschläge.

Wie schafft man mehr Ausbildungsplätze?

Susanne Hofer, Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend, sieht beim aktuellen Modell die Gefahr, dass die Unternehmen die Lehrlinge erst nach dem Ende ihrer ÜBA aufnehmen und die Kosten der Ausbildung dem Staat überlassen: „Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache, dass sich Betriebe einfach die Lehrausbildung ersparen.“ Ihr Vorschlag ist eine Fachkräftemilliarde für die Aus- und Weiterbildung der Jugendlichen. Außerdem sollen die Kosten der ÜBA aus einem Topf bezahlt werden, in den auch die Unternehmen einzahlen sollen, konkret ein Prozent der Bruttolohnsumme. „Das würde die Gefahr der Senkung der Ausbildungsbereitschaft, sowie der Verlagerung der Ausbildungskosten auf den Staat, entgegenwirken“, meint Susanne Hofer.

Auch die Wirtschaftskammer möchte, dass Lehrlinge vermehrt in den Betrieben ausgebildet werden, allerdings mit einem anderen Modell. Sie fordert, dass Unternehmen, die Jugendliche aus der Überbetrieblichen Lehrausbildung übernehmen, eine Förderung bekommen. Konkret soll die Hälfte der Ausbildungskosten, die sich der Staat ersparen würde, an das Unternehmen gehen. Außerdem fordert die Wirtschaftskammer zusätzliche Verbesserungen für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, zum Beispiel Steuervorteile oder flexiblere Möglichkeiten einen Lehrvertrag aufzulösen. Zusätzlich dazu soll es ein Leistungsstipendium für ältere Lehrlinge geben, die laut Wirtschaftskammer eine interessante Zielgruppe für Unternehmen seien.

Solange keine Lösung umgesetzt wird, werden wohl immer mehr Jugendliche ihren Abschluss in einer ÜBA machen, zumindest solange sich die wirtschaftliche Situation nicht entspannt. Bernhard findet es nicht schlimm seine Tischlerlehre in der ÜBA abzuschließen, im Gegenteil: „Ich würde den Abschluss sogar gerne hier machen, denn man wird hier auch mehr unterstützt für die Lehrabschlussprüfung und hat jede Menge Zeit, um für den praktischen Teil zu üben.“

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