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Polizei in der Wiener Innenstadt

APA/GEORG HOCHMUTH

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Neulich im Museum

Ein geplanter Museumsbesuch führte Todor am Montagabend in die Wiener Innenstadt. Hier schildert er, wie er den Abend des Terroranschlags erlebt hat.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Mein Freund Franz hatte mich überredet, am Montag Abend mit unseren Kindern ein Museum zu besuchen. Das sollte genau am Abend vor dem Lockdown passieren. Da niemand weiß, wie lange diese Situation dauern würde, haben wir uns entschieden, dass unsere Kinder davor noch etwas Schönes sehen sollen, um dieses Gefühl längerfristig zu bewahren. Wir sollten uns vor dem Museum treffen.

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Ich kam wie immer zu spät, Franz war bereits drinnen und wartete dort auf mich. Es war ungewöhnlich warm für Anfang November. Wir gingen zum Museum am Ring und beeilten uns nicht, so schön war der Abend. Die Schanigärten der Lokale waren voll mit Menschen, die „zum letzten Mal“ das Leben genießen wollten. Ich hatte das Gefühl, dass mich alle anlächeln, wie in einem Zeichentrickfilm. Genau wie in einem Zeichentrickfilm änderte sich plötzlich alles. Das Lächeln waren auf einmal weg, Sirenen ertönten, Hubschrauber flogen am Himmel. Die Menschen fingen an, die Lokale zu verlassen und alle schauten auf ihre Handys. Wenn etwas Wichtiges passiert, schauen die Menschen von heute sich nicht um, sondern ins Internet. Nur auf einem Tisch saßen zwei Verliebte und schauten einander in die Augen, so als ob sie die Sirenen nicht hören. Ihre Gesichter leuchteten gelb, angestrahlt von ihren gelben Jacken.

In diesem Moment schickte mir Franz eine Nachricht. Ein Video von der Webseite einer Boulevardzeitung, wo man eine Schießerei am Schwedenplatz sieht. Er hat das drinnen im Museum schneller mitbekommen was passiert, als ich draußen auf der Straße. Er fragt mich, ob um mich herum Menschen aufeinander schießen. Ich stand verblüfft da und wusste nicht, was ich antworten kann. Ich bekam bald ein neues Video von der gleichen Webseite – Menschen stehen vor einem Lokal in einer Blutlake. Die Menschen um mich herum, die auf ihre Handys schauten, fingen an, wild herumzurennen.

Die Boulevardzeitung verbreitete erste Gerüchte – es gibt eine Geiselnahme auf der Mariahilferstraße, Menschen werden massenweise in der ganzen Stadt erschossen und so weiter. Die Seite goss Öl in das Feuer der Unruhe. Genau solche „Nachrichtenseiten“ arbeiten den Terroristen in die Hände, indem sie Panik und Massenunruhe verbreiten. Ich beruhigte Franz, dass um mich herum alles halbwegs ruhig ist. Ich ging nach Hause und verlegte meinen Besuch im Museum in bessere Zeiten.

Franz blieb stundenlang im Museum eingesperrt. In der Zwischenzeit versuchte er, das Bild „Der Turm von Babel“ seiner Tochter zu erklären. „Jetzt weiß ich, warum Menschen so unterschiedlich sind“, sagte sie schließlich. Nach der Antwort muss ich sie das nächste Mal, wenn ich sie treffe, fragen.

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