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Virologe Florian Krammer

Claudia Paul - www.claudiapaul.com

interview

Florian Krammer über B.1.1.7: „Man muss ein Auge auf diese Varianten haben“

Der Virologe Florian Krammer im Interivew über den B.1.1.7-Stamm des Coronavirus und darüber, warum wir schneller impfen sollten und man die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung möglichst gering halten muss.

Der sogenannte B.1.1.7 Stamm des Coronavirus sorgt im Moment weltweit für Aufruhr. Die vor den Weihnachtsfeiertagen erstmals aufgetretene britische Coronavirus-Mutation ist mittlerweile weltweit in 32 Ländern, darunter in 15 europäischen Staaten inklusive Österreich nachgewiesen worden. Auch in Österreich gibt es vier Fälle, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober und AGES-Chef Franz Allerberger in einer Pressekonferenz bestätigten. Aber was wissen wir wirklich über die Mutation?

Riem Higazi hat Professor Dr. Florian Krammer um eine Erklärung gebeten. Der gebürtige Steirer arbeitet am Mount Sinai Hospital in New York, einem der weltweit renommiertesten Forschungszentren für Virologie.

Riem Higazi: Ganz zu Beginn - was ist B.1.1.7?

Florian Krammer: Naja, das ist eine Variante vom SARS Corona Virus 2, die im Herbst in England aufgetreten ist und mittlerweile einen großen Anteil der Infektionen in England ausmacht. Sie ist mittlerweile auch in anderen Ländern detektiert worden. Die hat ein paar Mutationen und von den epidemiologischen Daten her scheint es so, als wäre wäre diese Variante infektiöser als andere Varianten vom SARS Corona Virus 2. Es gibt ja viele Varianten. Das ist das, was man momentan weiß.

Was man auch sieht ist, dass diese Variante mit großer Wahrscheinlichkeit keine schwereren Infektionen hervorruft als andere Varianten bzw. die alte Variante. Und mittlerweile gibts auch ganz gute Datensätze, die zeigen, dass die Impfstoffe, die sich momentan in Entwicklung befinden, auch relativ gut gegen diese Variante schützen werden Also von diesen Aspekten her braucht man sich da nicht zu große Sorgen machen. Es ist natürlich besorgniserregend, dass die Variante infektiöser zu sein scheint. Aber das heißt nicht, dass man das mit Abstand halten und Masken nicht aufhalten könnte.

„Das heißt nicht, dass man das mit Abstand halten und Masken nicht aufhalten könnte.“

Und stimmt es, dass Kinder mehr betroffen sind von der neuen Variante?

Da gibts nicht wirklich gute Daten dazu. Von der momentanen Datenlage her kann man das eigentlich nicht sagen. Man kann sagen, dass die Variante infektiöser ist, und wenn die in Erwachsenen infektiöser ist, ist sie vermutlich auch infektiöser in Kindern. Das ist die einzige Aussage, die man da treffen kann. Man sieht keinen Unterschied in der Schwere der Erkrankungen verglichen mit anderen Varianten, auch nicht in Kindern. Und ich würde mir da ehrlich gesagt nicht zu viele Sorgen um diese Variante machen. Aber es wäre natürlich wichtig, dass man grundsätzlich die Viruszirkulation in der Bevölkerung niedrig hält. Das kann man ja mit mit den Maßnahmen, die jetzt gesetzt wurden, die eingesetzt werden, auch gegen diese Variante bewerkstelligen.

Also das was ich gelesen habe über eine höhere Viruslast oder die Secondary Attack Rate. Darüber machst du dir keine Sorgen?

Naja, das verursacht vermutlich die höhere Infektiösität. Wie gesagt, natürlich ist es problematisch, wenn man jetzt ein Virus hat, das sich leichter übertragen lässt. Eine Person, die mit diesem Virus infiziert ist, infiziert wahrscheinlich mehr Personen als eine Person, die mit anderen Varianten des Virus infiziert ist. Das ist natürlich ein Problem. Aber wie gesagt, es lässt sich trotzdem aufhalten. Und die Daten, die wir eben jetzt momentan sehen, besagen, dass das Virus keine schlimmeren Erkrankungen hervorruft als andere Varianten.

Und es gibt mittlerweile genügend Daten, die zeigen, dass Leute, die geimpft wurden, vermutlich auch gegen diese Variante geschützt sind. Also da gibt’s mittlerweile auch serologische Daten. Seren von Leuten, die mit dem Pfizer oder Moderna Impfstoff geimpft wurden, neutralisieren die neue Variante (N501Y) eigentlich auch ganz gut.

Besteht die Möglichkeit, wenn eine weitere Mutation kommt, dass diese das Impfen dann zunichte macht?

Jein. Die Gefahr besteht bei RNA-Viren immer, dass die mutieren. Wir haben das ja jetzt schon ein paarmal gesehen. Da kommen Varianten, dann gibt’s einen riesen Aufschrei in den Medien. Wir haben das vor kurzem mit der Nerz-Variante gesehen. Alle machen sich Sorgen und dann im Endeffekt stellt sich heraus, das ist vielleicht gar nicht so schlimm. Man muss auf jeden Fall ein Auge auf diese Varianten haben. Es gibt momentan eine Variante in Südafrika, um die mach ich mir eher Sorgen.

„Die Gefahr besteht bei RNA-Viren immer, dass die mutieren.“

Man muss aber auch im Auge behalten, dass dieses Oberflächenprotein des Virus (das ja das Angriffsziel der Impfung ist) sehr groß ist. Da gibt’s viele Punkte, wo Antikörper andocken können und viele Punkte, wo, wenn diese Antikörper andocken, das Virus neutralisiert wird. Wenn sich da jetzt einige Mutationen einschleichen und sich vielleicht einige Stellen verändern, heißt das noch lange nicht, dass der Impfstoff nicht funktioniert. Und zusätzlich dazu gibt’s Daten, die zeigen, dass es über Zeit eine Reifung dieser Antikörperantwort gibt (affinity maturation). Und diese Antikörper, die dann quasi gereift sind, zeigen auch teilweise gute Bindung an Varianten, die der Neutralisierung am Anfang entkommen sind.

Also ich glaube, es ist wichtig, dass man, wenn man geimpft wird, die Impfung zweimal bekommt, um hohe Antikörper-Titer zu erzielen. Zwei Mal impfen ist auch wichtig, damit es wirklich zu dieser Reifung der Antikörperantwort kommen kann. Aber wie gesagt, ich würde mir da grundsätzlich jetzt weniger Sorgen machen. Man muss ein Auge drauf halten, aber es ist kein Grund zur Panik.

Wenn du den Regierunge der Welt einen Rat geben würdest bezüglich B117 , was würdest du sagen?

Naja, vielleicht sollte man einen schnelleren Impfstoff Rollout machen, also das geht in manchen Staaten ja relativ langsam. Man kann da ein Auge auf Israel werfen, die haben schon mehr als zehn Prozent ihrer Bevölkerung geimpft. Es wäre wichtig, dass man das wirklich schnell macht. Und die andere wichtige Sache ist natürlich, dass man wirklich die Viruszirkulation niedrig hält. Ob das jetzt diese neue Variante ist oder andere Varianten oder die alten Varianten, das macht da eigentlich keinen Unterschied.

„Es ist wichtig, dass man die Viruszirkulation niedrig hält.“

Wir wollen wenig Virus in der Bevölkerung. Das wäre wichtig. Das ist auch wichtig, weil umso mehr Viren in Menschen replizieren, umso mehr Chancen haben diese Viren, dass sie sich verändern. Ein Virus kann nicht mutieren, wenn es nicht repliziert und die Chance, dass ein Virus mutiert, ist umso größer, umso mehr Virus in der Bevölkerung unterwegs ist und um so mehr Infektionen es gibt. Wenn man das unten hält, dann reduziert man auch die Chance, dass es zu neuen Varianten kommt.

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