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ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler am Donnerstag, 02. Jänner 2020 bei der Präsentation des Regierungsprogramms in Wien

APA/HANS KLAUS TECHT

„Die Coronakrise hat mögliche Konflikte zwischen Grünen und ÖVP verdeckt“

Seit Pandemiebeginn befragen Forschende der Uni Wien regelmäßig 1.500 Menschen in Österreich zu Pandemie und Bewältigung. Politikwissenschafterin Sylvia Kritzinger erklärt, wie die Arbeit der Regierung über die Monate hinweg von den Befragten bewertet wurde.

Von Lena Raffetseder

Von März bis Juli 2020 haben die Forschenden wöchentlich die immer gleichen 1.500 Menschen befragt, seit August werden die Fragebögen monatlich versandt. Das erlaubt ein recht klares Bild darüber, wie die Befragten die Regierungsarbeit im Lauf des ersten Jahres der türkis-grünen-Regierung bewertet haben und wann es zu Veränderungen im Stimmungsbild gekommen ist.

Die Politikwissenschafterin Sylvia Kritzinger vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien ist eine der Leiterinnen des „Corona Panel Project“ und gibt im Interview Einblick in ihre Daten.

Radio FM4: Wie zufrieden waren denn eure Befragten mit der türkis-grünen-Regierung?

Sylvia Kritzinger: Zu Beginn unserer Befragungen war die Zufriedenheit mit der Arbeit und Leistungen der Bundesregierung sehr hoch. Das hat damit zu tun, dass gerade die Corona-Krise in der vollen Blüte gestanden ist im März, April.

Radio FM4: Gibts da Erklärungen dafür, warum am Anfang der Krise alle so zufrieden waren?

Ja, das sieht man in der Literatur sehr häufig, dass, wenn eine internationale Krise ausbricht, die Regierungs-Zufriedenheit grundsätzlich sehr stark steigt. Das nennt man der sogenannten „Rally-around-the-flag-Effekt“. Also die Menschen versammeln sich quasi hinter der Fahne, stehen hinter der Regierung und unterstützen sie, weil sie eben wissen: Es besteht eine besondere Krise, da muss man zusammenstehen. Und dieser Effekt ist einfach dann über die Zeit hinweg verschwunden, sodass sich dann die Regierungs-Zufriedenheit wieder auf der gleichen Ebene eingependelt hat wie davor.

Sylvia Kritzinger

Der Knopfdruecker

Sylvia Kritzinger ist Professorin für Methoden in den Sozialwissenschaften am Institut für Staatswissenschaft. der Universtität Wien. Sie ist unter anderem eine der Leiterinnen der Corona Panel Project und der Österreichischen Wahlstudie AUTNES.

Radio FM4: Hat das bestimmte Gründe, dass das abnimmt oder ist das ein natürlicher Verlauf?

Also der „Rally-around-the-Flag-Effekt“ ist sicherlich etwas, was ein natürlicher Verlauf ist, über die Zeit hinweg nimmt das immer ab. Man muss aber auch dazu sagen, dass im Fall der Corona-Krise auch nochmal zu sehen ist, dass hier bestimmte Maßnahmen, mit denen die Bevölkerung nicht zufrieden gewesen ist, wahrscheinlich dazu beigetragen haben, dass man auch mit der Regierung weniger zufrieden gewesen ist. Also das spielt sicherlich stark zusammen, von wegen, dass die Krise nicht aufhört, dass die Maßnahmen nicht aufhören. Oder Maßnahmen wieder eingeführt werden müssen, die es davor nicht mehr gab oder die die Regierung kommuniziert hat, dass es sie nicht mehr braucht, wie den Mund-Nasen-Schutz im Sommer. Das führt sicherlich dazu, dass die Bevölkerung grundsätzlich unzufriedener wird mit der Regierung.

Radio FM4: Gibts denn Unterschiede zwischen ÖVP-Wahler*innen und Grün-Wähler*innen was die Zufriedenheit angeht? Man könnte ja meinen dass die Grün-Wähler*innen mit der Regierungsbilanz unzufriedener sind, weil etwa Klimaschutzprojekte aufgeschoben worden sind und man beim Thema Aufnahme von Geflüchteten wieder gesehen hat, dass sich die eigene Partei nicht durchsetzt. Sind Grünwähler*innen unzufriedener?

Es gibt eine noch höhere Unterstützung vonseiten der ÖVP-Wähler und -Wählerinnen, als es bei den Grün-Wählern und -Wählerinnen der Fall ist, aber die brechen jetzt nicht komplett auseinander. Ich glaube, die Corona Krise hat einfach extrem viel überdeckt, was ansonsten wahrscheinlich innerhalb des letzten Jahres ein möglicher Konflikt zwischen ÖVP und Grünen gewesen wäre. Ich glaube, es ist schon so, dass die erste Krise die zweite Krise abgelöst hat. Im Sinne von: Wir müssen jetzt mal diese unmittelbare Gesundheitskrise, die gerade Todesopfer fordert, lösen und müssen dementsprechend die Klimakrise etwas zurückstellen und können weniger von unserer Partei hier verlangen.

Das hat sicher dazu geführt, dass hier die Zufriedenheit weniger zurückgegangen ist, als man sich das vielleicht so gemeinhin vorstellen kann. Wenn das aber vielleicht auf lange Sicht nicht angegangen wird, dass Klimapolitik nicht stark vorangetrieben wird, dass man hier nicht irgendwie Erfolge feiern kann vonseiten der grünen Partei, kann das dann natürlich irgendwann mal negative Auswirkungen auf die grünen Wähler und Wählerinnen haben. Zurzeit ist das noch nicht in dieser Form sichtbar.

Radio FM4: Immer wieder ist im letzten Jahr besprochen worden, dass eine Pandemie eine große Herausforderung für die Demokratie darstellt. Habt ihr das in euren Befragungen gesehen, dass das Vertrauen in die Demokratie zurückgegangen ist?

Schon seit längerer Zeit, wirklich schon seit Jahrzehnten, sehen wir, dass das Vertrauen in die Demokratie sehr hoch ist in Österreich, also die Österreicher und Österreicherinnen glauben an die österreichische Demokratie. Natürlich gibts immer wieder mal Kritikpunkte, dass man vielleicht etwas besser machen kann. Aber dieses Grundvertrauen, dass die österreichische Demokratie gut funktioniert, die ist vorhanden und die bleibt auch sehr stabil, selbst während der Corona-Krise.

Radio FM4: Wie ist denn deine Einschätzung als Politikwissenschafterin, kann man Bilanz ziehen über die politische Arbeit und das erste Jahr von Türkis-Grün oder steht und fällt die Bilanz mit den Infektionszahlen?

Man kann das letzte Jahr sehr schwer vergleichen mit zum Beispiel den ersten Regierungsjahren von anderen Regierungen. Diese Corona-Krise, das ist schon was Einzigartiges und dementsprechend müssen natürlich auch andere Standards an die Bewertung von Regierungsarbeit angelegt werden. Aber es wird sich zeigen, eben in den nächsten vier Jahren, die die Regierung ja regulär noch vor sich hat, wie viele der Vorhaben dann aufgearbeitet und umgesetzt werden.

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