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Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Wien

APA/GEORG HOCHMUTH

Welche Rolle spielen Frauen auf rechten Demos?

Es gehen nicht nur Frauen für ihre Rechte auf die Straße, sondern es gehen auch rechte Frauen auf die Straße. Ambra Schuster hat die Politikwissenschafterin Natascha Strobl gefragt, welche Rolle Frauen auf rechten und rechtsextremen Demos spielen und was sie motiviert.

Natascha Strobl vor dem FM4 Studio

Radio FM4

Natascha Strobl ist Politikwissenschafterin aus Wien und beschäftigt sich vor allem mit der extremen Rechten, vor allem mit der Neuen Rechten. Auf Twitter publiziert sie ihre Ad-hoc-Analysen vor allem zu rechter Sprache.

FM4: Seit wann gibt es Frauen in rechten Bewegungen?

Natascha Strobl: Es hat schon immer rechte, rechtsextreme und auch faschistische Frauen gegeben. Auch bei Neonazi-Kundgebungen haben Frauen teilgenommen. Es gab zum Beispiel eine eigene Skin-Girl-Kultur, die sich in eine neonazistische Frauenkultur teilweise integriert hat. Wir sehen Frauen überall in der rechtsextremen Szene. Was man aber sagen kann: umso militanter und gewalttätiger, desto weniger Frauen. Wenn man zum Beispiel Richtung Hooligan-Szene geht, da sind Frauen schon fast die Ausnahme. Aber umso softer die Themen, desto mehr Frauen.

FM4: Also sind Frauen nicht nur die Mitläufer*innen, als die sie oft gesehen werden?

Nein, Frauen sind eigenständige politische Akteurinnen. Auch wenn sie nicht immer die Möglichkeit haben, das genauso auszuleben. Wir haben es bei Rechtsextremismus und Faschismus zwar mit einer dezidiert an Männlichkeit orientierten Ideologie zu tun, in der Theorie wie in der Praxis. Nichtsdestotrotz gibt es Frauen, die sich darin wiederfinden. Die werden da nicht reinmanipuliert oder wissen nicht, was sie tun, sondern die möchten genau so eine Welt haben, wie es diese Ideologie verspricht. Das war schon immer so. „Frauen sind nicht arme, passive Hascherl, die die Welt nicht verstehen, sondern können genauso rassistisch, genauso antisemitisch, auch genauso misogyn sein wie ihre männlichen Gegenparts.“ - Natascha Strobl

FM4: Wo engagieren sich Frauen, die rechts orientiert sind?

Wir sehen Frauen in rechten Parteien, sogar ganz an der Spitze. Spätestens in der zweiten und dritten Reihe sind diese Parteien aber noch immer sehr männlich besetzt. Auch bei Organisationen wie den Identitären gab es von Anfang an Frauen, die eigenständig gehandelt haben. Zwar nicht an der Spitze, als die Personen, die sprechen durften und die medial vorgekommen sind, aber auch hier gab es immer wieder prominente Frauen.

FM4: Haben sie dort tatsächlich mitzubestimmen?

Wenn man sich die interne Machtverteilung in rechten Organisationen ansieht, sieht man dass Faschismus historisch und auch in seiner aktuellen Erscheinungsform aus Männerbünden besteht und dass die maßgebenden Personen zum großen Teil Männer sind, die an einem ganz bestimmten Männlichkeitsideal anhaften. Diese Organisationen sind weit weg davon, von Frauen übernommen zu werden.

FM4: Wie hat sich die rechte Protestkultur in den letzten Jahren verändert?

Natascha Strobl: Wir sehen in den letzten Jahren auf der Straße vermehrt Bewegungen, die nicht mehr so eindeutig von straff organisierten Gruppen ausgehen. Das Spektrum wird immer diffuser, findet sich online zusammen, wo natürlich auch die organisierte extreme Rechte dabei ist. Aber es gibt auch sehr viele lose Zusammenhänge, Cliquen, Freundeskreise, kleine Gruppen. Und umso mehr wir das sehen, desto mehr sehen wir auch, dass Frauen tatsächlich auch vereinzelt führende Rollen einnehmen.

Aber es sind trotz allem Männerbünde, die auch in der Neuen Rechten letztendlich entscheiden. Man hat nur vor zirka 10 Jahren spätestens gemerkt, dass man mit rein männerbündischen Strukturen, mit Burschenschaften zum Beispiel, auch keinen Blumentopf in der Öffentlichkeit gewinnt. Das ist einer der Momente, wo die Identitären gegründet worden sind. Die die Burschenschaften waren in einer Krise. Die Identitären haben dann diese Lücke gefüllt, auch deswegen, weil die Eintrittshürden niedriger waren. Man musste kein Mann sein und nicht studieren. Hier haben sich einfach Räume eröffnet, die in der Form nicht da waren.

FM4: Sollen Frauen in der rechten Szene auch einfach die Akzeptanz in der breiten Bevölkerung steigern?

Ja, dass sie auch kalkuliert benutzt werden, sieht man zum Beispiel an den Demonstrationen der Identitären, wo Frauen immer in die ersten Reihen gestellt werden. Wenn Medien Bilder machen, dann machen die die von vorne und dann wirkt es so, als wären da ganz viele Frauen. Dass dann die nächsten 20 Reihen fast nur aus Männern bestehen, sieht man nicht, auf dem Foto wirkt es sehr divers.

FM4: Bei den aktuellen Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind besonders viele Frauen zu sehen, warum ist das so?

Natascha Strobl: Bei den Querdenker-Demonstrationen sehen wir Frauen in einigen Ländern auch an der Spitze. Das sind vor allem rechts-esoterische Spektren. Vor allem unter den Impfgegner*innen sind viele Frauen dabei. Generell, bei allem, was mit Kindern zu tun hat, da sehen wir viele Frauen. Da fällt man doch wieder in so durchaus patriarchale Denkweisen rein. Alles, was Gesundheit betrifft, ist auch ein sehr frauenlastiges Thema.

In Deutschland gab es Anfang März sogar eine eigene Frauendemonstration der Querdenker*innen. Hier versucht man sehr schnell von linken Protestformen zu lernen und sie umzumünzen, hier bedient man sich auch an feministischen Protestformen und ahmt diese nach für die eigenen Zwecke. Bei diesem Frauenmarsch waren vermehrt Frauen auf der Straße, die sich stark an esoterisch-naturmystischen Gedankenwelten orientieren. Das ist durchaus von Frauen besetzt ist in dieser diffusen rechtsextrem-/rechts-esoterischen Szene.

FM4: Auch das feministische Thema Gewalt an Frauen wird von der Rechten angeprangert...

Natascha Strobl: Dieses Thema wurde übernommen, wobei man da vor allem Gewalt an weißen Frauen meint und die Täter unter Migranten identifiziert. Das hat man schon 2015/16 gesehen, wo es auch einen eigenen Frauenableger der Demonstrationen gegeben hat mit „120 Dezibel“. Das war eine Organisation, die von den Identitären gegründet worden ist, wo so Astroturf-mäßig getan wurde, als hätten sich ganz viele Frauen zusammengefunden, die jetzt endlich einmal aufbrechen und sich gegen Gewalt wehren. Das war aber eine ganz eindeutig von den Identitären besetzte Kampagne.

FM4: Warum ist der Feminismus so verhasst in der rechten Szene?

Für rechte Frauen ist Feminismus Teil einer politisch korrekten linken, globalistischen Verschwörung, die einem selbst etwas Schlechtes will. Viele dieser Frauen haben dezidiert antifeministische Sichtweisen und fühlen sich weder in der Verantwortung, noch finden sie es ideologisch gut oder notwendig, strukturell etwas daran zu ändern, dass Männer in diesen Parteien oder Organisationen bevorzugt werden. Das merkt man ja auch immer wieder. Man will keine Quotenfrau sein. Man hat es ganz alleine geschafft. Wenn es andere Frauen nicht schaffen, dann ist das deren Problem. Bis hin zur Ablehnung von geschlechtergerechter Sprache und einem sogar absichtlichen Kokettieren damit, selbst wenn es angebracht wäre, eben nicht die weibliche Form zu verwenden. Das sind keine irgendwie gearteten Feministinnen, sondern passen sehr gut in das patriarchale Grundgerüst dieser Organisationen und Parteien.

FM4: Warum fühlen sich Frauen angesprochen von einer Ideologie, die nicht auf ihre Förderung und ihr Wohlsein ausgerichtet ist?

Auch Frauen haben mehrere Identitäten. Wenn sie Rassismus zu einem Grundpfeiler ihrer Identität machen, dann fühlen sie sich angesprochen von rechtsextremen Demonstrationen. Dann macht man ja gerade den Feminismus verantwortlich dafür, dass alles so furchtbar ist. Das wird alles miteinander verquickt und zu einem großen Feindbild und dann will man gar nichts mit Frauenförderung oder Emanzipation zu tun haben, sondern dann fühlt man die eigenen Interessen genau von denen vertreten, die vermeintlich etwas gegen diese Feinde machen.

FM4: Seit wann gibt es eigentlich historische Forschung zu Frauen auf rechten Demos und in der rechten Szene?

Natascha Strobl: Das war in der historischen Forschung lange nicht so ein Schwerpunkt, weil man natürlich fokussiert hat auf Faschismus als Männerbund. Aber es ist der kritischen und feministischen Forschung zu verdanken, dass Frauen nicht nur als passive Objekte in der Geschichte wahrgenommen worden sind, sondern eben auch als Akteurinnen und auch als Akteurinnen von menschenfeindlichen Handlungen, als Täterinnen. Nur so nimmt man Frauen in ihrer ganzen Komplexität wahr. Das ist ein Grundpfeiler des Feminismus, zu sagen, Frauen sind genauso komplexe Wesen wie andere Menschen und können genauso gut, schlecht oder beides sein wie andere Menschen. Es ist eine Banalität, das heutzutage zu sagen, aber es ist leider noch immer für viele keine Selbstverständlichkeit.

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