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Ein "Fernsehbeitrag"

Magyar Televízió

„Journalistin provozierte mit Fragen“

„profil“-Journalistin Franziska Tschinderle wollte im Zuge einer Recherche einige Fragen an die Fidesz-Delegation im EU-Parlament stellen. Diese wurden nicht beantwortet. Dafür gab es im ungarischen Staatsfernsehen einen Beitrag über ihre „Provokation“ und sie wurde darin diskreditiert. Kein Novum in Orbán-Ungarn.

von Lukas Lottersberger

  • Als sich Orbán, Salvini und Morawiecki in Budapest getroffen und über die mögliche Schaffung einer neuen Allianz gesprochen haben, warum war niemand vom Rassemblement National oder der FPÖ anwesend?
  • Was ist das Ziel dieser Allianz?
  • Die Schaffung europaskeptischer Koalitionen ist nicht neu und reicht zurück bis in die 1980er. Mehrmals sind diese gescheitert, wegen unterschiedlicher Ansichten zur Türkei und Russland, sowie wegen antisemitischer Attacken. Wie kann man ein Scheitern diesmal verhindern?

Diese Fragen wollte die Fidesz-Delegation im EU-Parlament nicht beantworten, weil es sich dabei „um keine richtigen Fragen handle“ sondern um „Provokationen“, so die Reaktion einer Sprecherin.

Mail

Magyar Televízió

Ausschnitt aus dem Fernsehbeitrag: Die Mail von Petra Pásztor-Paulik, Delegationsassistentin der Fidesz im EU-Parlament.

Am Abend wurde der „provokanten“ Korrespondenz zwischen Franziska Tschinderle und Fidesz dann ein dreiminütiger Beitrag im ungarischen Fernsehen gewidmet. Solche Fragen würden nur „Amateurjournalisten“ stellen, kommentierte der Sprecher des Beitrags. Und: Die europäische linksliberale Presse habe damit „eine beispiellose Attacke gestartet“.

Der TV-Beitrag ist auf YouTube zu finden. Die Kommentarspalte ist voll mit kritischen und sarkastischen Bemerkungen über den Beitrag und über die offensichtliche Einflussnahme der Regierung auf den Rundfunk.

Attacken gegen Journalist:innen nichts Neues

2010 ist das umstrittene Mediengesetz in Ungarn in Kraft getreten. Große Teile der Medienlandschaft stehen seither direkt oder indirekt unter dem Einfluss der regierenden Fidesz-Partei. Attacken und Diskreditierungen seien für ungarische Journalist:innen nichts Neues, sagt Franziska Tschinderle, und kämen regelmäßig vor.

„Die Strategie dahinter ist, die Journalisten zu verunglimpfen, ihnen die Kompetenz abzusprechen, sie lächerlich zu machen und ihnen damit die Glaubwürdigkeiten zu nehmen“, erklärt ORF-Ungarn-Korrespondent Ernst Gelegs. Das Ziel sei, Zuseher:innen über unliebsame Journalist:innen zu „briefen“ und zu vermitteln, sie seien inkompetent. „Gerade bei ausländischen Journalisten heißt es nicht selten: ‚Der kann ja nicht einmal ungarisch, der kann das ja alles nicht verstehen.‘“, erklärt Korrespondent Ernst Gelegs.

Franziska Tschinderle will sich freilich nicht einschüchtern lassen: „Ganz im Gegenteil. Vernetzung mit Kolleginnen aus Ungarn, aus anderen Ländern ist umso wichtiger.“ Es sei wichtig, weiterhin genau hinzuschauen, etwa auch in Slowenien, wo es laut Tschinderle ähnliche Tendenzen gibt. „Gerade uns als Nachbarland sollte das etwas angehen, dass im Nachbarland die Demokratie untegraben wird und die Pressefreiheit unter Beschuss steht“, betont die Journalistin.

Kritik und Solidarität

Auf Twitter bekam Tschinderle von österreichischen Kolleg:innen viele Solidaritätsbekundungen. Auch Politiker:innen meldeten sich zu Wort und kritisierten den bizarren Fernsehbeitrag und die Vorgehensweise scharf. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kommentierte:

Unabhängige und kritische Medien in Ungarn haben es seit dem Mediengesetz von 2010 schwer. Vor allem im Netz gibt es sie noch. Vor kurzem wurde etwa der kritische Radiosender Klub Rádio vom UKW-Äther genommen. Seitdem sendet er nur mehr online. 2016 wurde die größte ungarische Tageszeitung Népszabadság von einem Tag auf den anderen eingestellt. Die Mediengruppe zu der die Zeitung gehörte, wurde an ein regierungsnahes Unternehmen verkauft.

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