FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Backbone

Eggnut

game

„Backbone“: Waschbär mit Sinnkrise

Das hinreißend stylische Pixel-Abenteuer „Backbone“ ist eine Noir-Detektivgeschichte mit einigen Überraschungen.

Von Rainer Sigl

Ein Ehemann, der sich seltsam verhält; eine misstrauische Ehefrau; ein abgehalfterter Detektiv. Die Zutaten sind klassisch, mit einem Unterschied: Die Klientin ist ein Otter und der Detektiv ist ein Waschbär.

Das kanadische Pixel-Adventure „Backbone“ zeigt eine Stadt voller anthropomorpher Tiere, doch sein dystopisches Vancouver könnte inhaltlich nicht weiter von Entenhausen entfernt sein. Hier herrschen Kriminalität, Drogen, Gewalt und eine tierische Hierarchie, in der das kapitalistische Prinzip vom Fressen und Gefressenwerden eine ganz neue Bedeutung annimmt.

Der vermeintliche Allerweltsauftrag stellt sich für mich in der Rolle des Detektivs schnell als gefährlich heraus, denn wie sich nach anfänglichen Nachforschungen schnell zeigt, hat Herr Otter wohl ein Drogenproblem - und hat sich außerdem mit der Mafia in Gestalt einer angsteinflößenden Eisbärin eingelassen.

James Ellroy trifft Cronenberg

Verdächtige verhören, heimlich bei Politikern einbrechen, eine Verschwörung aufdecken: In den ersten zwei Spielstunden ist „Backbone“ ein angenehm klassisches Detektivabenteuer, in dem ich in Multiple-Choice-Dialogen Gespräche führe, originelle Puzzles löse und gemeinsam mit meiner Partnerin ein komplexes Netz aus Hinweisen zu einer schier unglaublichen Beweiskette kombiniere.

Der niedliche Look täuscht nur kurz: In Sachen Gewalt und erwachsene Themen ist „Backbone“ absolut kein Spiel für Kinder. Im Gegenteil: Vom ersten Moment an ist das hier die hard-boiled Version eines klassischen Noir-Thrillers der Marke James Ellroy. Und irgendwann, etwa in der Spielhälfte nach zwei, drei Stunden, kippt auch dieser Charakter auf eine düster philosophische Ebene, die auch ältere Spielerinnen und Spieler verstört zurücklassen wird.

„Backbone“, entwickelt von Eggnut und im Vertrieb von Raw Fury, ist für Windows erschienen, Konsolen-Versionen sollen folgen.

Nicht nur, weil es sich - das sei weniger als Spoiler denn als Warnung gemeint - vom Noir-Genre hin zu etwas ganz anderem verändert, sondern auch, weil es sich traut, Erzähltraditionen über den Haufen zu schmeißen und klassische Story-Konventionen links liegen zu lassen. Die einen wird’s faszinieren, die anderen ärgern - you have been warned.

Backbone

Eggnut

Ein tierisches Einzelstück

„Backbone“ ist optisch und in Sachen Musik hervorragend gelungen und absolut stylisch, es ist gut geschrieben und langweilt dank der erwähnten Story-Wendungen niemals. Nur wer mit der Erwartungshaltung startet, hier ein klassisches Point&Click-Abenteuer zu bekommen, riskiert unter Umständen eine Enttäuschung.

Dass die Detektivgeschichte samt spielerisch interessanten Gameplay-Mechanismen und Rätseln schlussendlich kaum eine Rolle mehr spielt, wird nicht jeder und jedem gefallen. Trotzdem - oder gerade deswegen - hinterlässt dieses kleine Spiel einen bleibenden Eindruck. Wer gut mit subversiven WTF-Momenten in Videospielen umgehen kann - oder sie gar zu würdigen weiß -, sollte „Backbone“ eine Chance geben.

mehr Game:

Aktuell: