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„Candyman“ ist zurück: Horrorkino in Bestform

Nia DaCostas „Candyman“ knüpft an den Horrorklassiker von vor knapp 30 Jahren an und bringt die düstere Legende in eine US-amerikanische Gegenwart zwischen Black Lives Matter, Polizeigewalt und ungebremster Gentrifizierung.

Von Jan Hestmann

Anthony (Yahya Abdul-Mateen II) lebt in einem gentrifizierten Chicagoer Viertel, in dem er sich mäßig erfolgreich als Künstler durchschlägt. Sein Galerist, der ihn als starke Schwarze Stimme am Kunstmarkt verkaufen will, sitzt ihm im Nacken, doch die Inspiration bleibt vorerst aus. Das ändert sich, als Anthony in einem Waschsalon von der Legende des Candyman erfährt. Wie besessen von der Geschichte, stürzt er sich in Recherchen für sein nächstes Kunstwerk – und beschwört dadurch alte Geister.

Filmstills aus "Candyman"

Candyman

„Candyman“ von der Regisseurin Nia DaCosta knüpft direkt an den Horrorklassiker von Bernard Rose aus dem Jahr 1992 an, der wiederum auf der Kurzgeschichte „The Forbidden“ des britischen Autors und Filmemachers Clive Barker basiert. Der Legende nach muss man fünfmal den Namen Candyman in den Spiegel sagen. Tut man das, erscheint ein Mann mit Haken anstelle einer Hand und tötet einen. Der Entstehungsgeschichte zufolge ist Candyman der Sohn eines ehemaligen afroamerikanischen Sklaven, der eine schicksalhafte Liebesbeziehung zu einer Weißen einging. Deren Vater hetzte daraufhin einen Mob auf ihn, der ihm einen Arm abschnitt, ihn mit Honig übergoss und von einem Schwarm Bienen zu Tode stechen ließ.

Alte Legende & Alltagsrassismus

Knapp dreißig Jahre später bringt Nia DaCosta Candyman zurück auf die Leinwand. Die ursprüngliche Legende des Candyman wird darin fortgeführt und gleichzeitig um eine weitere, zeitgemäße Geschichte ergänzt: Ein Mann namens Sherman Fields, der wegen seiner Hakenhand auch Candyman genannt wird, wird fälschlicherweise beschuldigt, Süßigkeiten mit versteckten Rasierklingen an Kinder zu verteilen, und daraufhin von einer Gruppe Polizisten brutal totgeschlagen.

Nia DaCostas Legende des Candyman ist in den gegenwärtigen USA verortet, geprägt von überbordender Polizeigewalt gegen Schwarze, Black Lives Matter und Gentrifizierung. Und darüber hinaus auch noch eine Parodie auf den Kunstmarkt. Dass die Wiedergeburt des Candyman auch als Vehikel dient, um einen scharfen, gesellschaftspolitischen Kommentar im Kinosaal zu platzieren, ist wenig überraschend. Ein Hinweis dafür ist, dass auch Jordan Peele hier als Produzent und Co-Autor die Finger im Spiel hat. Der Jordan Peele, der erst 2017 mit seinem eigenen Regiedebüt „Get Out“ einen der scharfsinnigsten Horrorsatiren der letzten Jahre gemacht hat, die auf durchaus subtile Weise den Alltagsrassismus in liberalen Kreisen thematisiert.

Filmstills aus "Candyman"

Candyman

Die Subtilität von „Get Out“ erreicht Nia DaCostas „Candyman“ zwar nicht, das macht auch nichts. Ihr Film ist auf seine ganz eigene Art ein Kinohighlight dieses Jahres. „Candyman“ ist nicht nur schlagkräftiger Kommentar im Zeichen von BLM, er ist darüber hinaus auch ein zutiefst gelungener Genrefilm, der es schafft, auch atmosphärisch an seinen 30 Jahre alten Vorläufer anzuschließen und zugleich etwas ganz Neues aus der Candyman-Legende macht.

Genrefans dürfen sich auch an einer ausgiebigen Portion Gore sattsehen. Besonders schön inszeniert ist dabei eine Szene an einer Highschool-Toilette, ganz stilecht im Teenie-Slasher-Gewand. Und dann ist da als Sahnehäubchen noch der glänzende Cast, angeführt von Yahya Abdul-Mateen II, über Teyonah Parris, die seine Freundin und Kunstgalerie-Direktorin Brianne spielt, Nathan Stewart-Jarrett bis hin zu einem Comeback von Tony Todd als Candyman.

„Candyman“ ist eine reich gefüllte Überraschungskiste für Menschen, die sich endlich wieder auf großes Kino freuen, radikal und subversiv, unheimlich und humorvoll zugleich. Say her name: Den Namen Nia DaCosta sollte man sich auf alle Fälle merken.

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