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Boiko Borissov bei der letzten Wahl

APA/AFP/Nikolay DOYCHINOV

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Wieder Wahlen in Bulgarien: Aller guten Dinge sind drei!

Ihr kennt vielleicht das alte Sprichwort, dass man drei Sachen nicht zurückholen kann: die Zeit, das unbedacht gesprochene Wort und die verpasste Gelegenheit.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

In meinem Geburtsland Bulgarien sollte man das vielleicht immer wieder wiederholen. Denn diesen Sonntag finden dort zum dritten Mal in diesem Jahr Parlamentswahlen statt. Im Jahr 2020 gab es massenhaft Straßenproteste gegen den langjährigen Regierungschef Boiko Borissov. Er wurde der Korruption, Freundelwirtschaft und ungezogenem Benehmens beschuldigt. Auf der Welle dieser Proteste zogen einige neue Parteien ins Parlament, mit dem Versprechen, Borissov und seine Partei für immer vom Thron der Macht zu stoßen. Stattdessen haben sie sich zerstritten und sich in zwei Parlamenten unfähig gezeigt, eine Regierung zu bilden. Es wurde viel Zeit verschwendet, viele Worte wurden umsonst gesprochen und viele Möglichkeiten verpasst.

Der erfahrene Borissov nutzt das aus und das Moto seiner aktuellen Wahlkampagne ist, dass ohne ihn nur Chaos herrscht. Laut Umfragen steht seine Partei GERB wieder an der Spitze. Er wird wahrscheinlich die Wahlen gewinnen, niemand wird aber mit ihm regieren wollen.

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Die Situation ist jetzt noch komplizierter, denn gemeinsam mit den Parlamentswahlen werden auch Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Der regierende Präsident Radev, der für eine zweite Amtszeit kandidiert und sich als klarer Gegner von Borissov positioniert, scheint eigentlich der Favorit zu sein. Im Jahr 2020 war er das Gesicht der Antiregierungsproteste, heuer musste er aber bereits zwei Expertenregierungen bestellen, die die höchst unpopulären Corona-Maßnahmen durchsetzen sollten.

Nur einer von fünf Bulgaren ist vollständig gegen Covid geimpft, jeden Tag gibt es über 200 und oft über 300 Tote. Die Krankenhäuser sind überfüllt, der Direktor des größten Notfallspitals in Sofia meinte in einem Fernsehinterview neulich, dass neun von zehn Intensivpatienten in Bulgarien sterben. Die vom Präsidenten eingesetzte Expertenregierung führte erst vor wenigen Wochen die 3G-Eintrittsregelung ein. Soziologen sagen, dass diese Regelung Radev den Wahlsieg in der ersten Runde kosten wird. Es ist immer wieder verwunderlich, dass die konservativsten Kreise in der bulgarischen Gesellschaft die liberalsten Coronamaßnahmen befürworten.

Seit Beginn der Pandemie haben in Bulgarien mehr als 25000 Menschen ihr Leben verloren. Das ist eine kleine Stadt, die es nicht mehr gibt. Eine Stadt, die weder bei den Parlaments- noch bei den Präsidentschaftswahlen wählen wird. Die leise Mehrheit verlorener Zeit, Worte und Gelegenheiten.

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