In diesem Wiener Ankunftszentrum planen ukrainische Flüchtlinge ihre nächsten Schritte
Von Lena Raffetseder
Zwischen einem Indoor-Beachvolleyballplatz und einer Covid-19-Teststraße planen Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, ihre nächsten Schritte. Rund 1.000 Menschen sind jeden Tag zumindest für ein paar Stunden in der umfunktionierten Sport & Fun-Halle in der Engerthstraße im 2. Bezirk. Hier bekommen sie erste Informationen, medizinische und psychologische Akutbetreuung, Essen und Trinken.
Betrieben wird das Ankunftszentrum von der Stadt Wien und Train of Hope. Es soll ein Ort sein, an dem Geflüchtete aus der Ukraine in Wien „einfach mal ankommen und ein Stück weit zur Ruhe kommen können,“ sagt Nina Andresen von Train of Hope. Das Ziel ist es, das Zentrum am Abend zu verlassen: „Der nächste Schritt der Personen hängt davon ab, wo sie hinmöchten. Personen, die in Wien bleiben möchten, zum Austria Center zur Registrierung. Personen, die in ein anderes europäisches Land oder auch eine andere österreichische Stadt wollen, bekommen einfach einen Schlafplatz für eine Nacht vermittelt und können sich am nächsten Tag auf die Weiterreise machen.“
Neue Bedarfsliste! Vielen Dank für eure Unterstützung 💛Wie immer bitte nur die genannten Dinge vorbeibringen, wir haben nur begrenzt Platz. Abgabe in der Engerthstraße 267, 1020 Wien (beim Container links neben der Halle), täglich von 10-20 Uhr🙏 #humanityfirst pic.twitter.com/uEhQKSbeXo
— Train of Hope - Wien (@trainofhope) 14. März 2022
„We are safe but we are afraid for our families“
Drei Mahlzeiten gibt es am Tag, bei einer Sachspendenausgabe kann man sich das Nötigste für die erste Nacht mitnehmen: Frische Socken, eine Zahnbürste, einen Pyjama für die Kinder, Zubehör für die vielen Haustiere. Für Katzen gibt es hier auch einen kleinen Auslauf; die Haustiere hatten in den Tagen vor der Ankunft kaum Bewegung. Besonders viel Platz ist für die Kinder reserviert, es gibt eine Fläche zum Fußballspielen, Tischfußballtische und eine eigene Spielecke.

FM4/Lena Raffetseder
An Tischen im Aufenthaltsbereich sitzen die Erwachsenen, die meisten von ihnen starren aufs Handy. „We are safe but we are afraid for our families,“ sagen die Freundinnen Oksana und Margarita. Sie zeigen auf dem Handy Fotos ihrer Familien, die sich im Keller verstecken.
Physisch in Wien, aber mental Zuhause bei ihrer Familie in Tscherkassy ist auch Inna. Sie macht sich große Sorgen um ihre Familie, vor allem wenn es bei ihnen Sirenenalarm gibt. Dann bekommt Inna nämlich automatisch eine Push-Nachricht auf ihr Handy: „Sometimes I just cry out of sadness and I have panic attacks. When I wake up every time I feel that the first important thing I have to do is check with my family to make sure everything is fine with them.”
Bei Kriegsausbruch war die 30-Jährige im Ausland und konnte nicht mehr in die Heimat zurück. Über Umwege ist sie von Ägypten nach Wien gekommen; viel Gepäck hatte sie da nicht mit. Inna kennt in Wien niemanden, aber sie war vor vier Jahren als Touristin hier und hat sich entschieden, jetzt einmal hier zu bleiben. Wie viele andere hier hofft sie, dass sie bald in die Ukraine zurückkehren kann.
Vom ersten Schock erholen
Die aus der Ukraine geflüchteten Menschen organisieren hier ihre nächsten Schritte, wirken gefasst, auch wenn sie von Partner*innen erzählen, die sie in der Ukraine zurücklassen mussten. Hier erholen sie sich nur vom allerersten Schock, indem sie sich auf das Notwendigste konzentrieren. Im Gespräch wirken sie fast emotionslos. Aber dieser Eindruck täuscht natürlich, sagt Matthias Theil, der im Rahmen der psychosozialen Akutbetreuung Wien im Ankunftszentrum präsent ist: „Das heißt nicht, dass sie drinnen keine Emotionen haben. Die sind jetzt im Augenblick nur in der Phase, wie sie die nächsten Schritte organisieren und ihr Überleben sichern, bevor sie sich in die nächste Unsicherheit einlassen.“ Nämlich die Weiterfahrt oder die Weitervermittlung in ein Quartier.
Publiziert am 15.03.2022