„One Of These Days“ von Bastian Günther

Der Film „One Of These Days“ erzählt die verstörende Geschichte eines „Hands-On“-Wettbewerbs in der texanischen Provinz. Ein Film über den Traum vom besseren Leben und die Verliererseite des American Dream.

von Xaver Stockinger

„Alright folks, here is how we do!“, plärrt ein gelfrisierter Mittfünfziger mit Südstaaten-Akzent in der allerersten Szene von „One Of These Days“ in die Kamera. Es ist der Chef eines Autohauses, der hier die Spielregeln des jährlich von ihm veranstalteten „Hands-On“-Wettbewerbs erklärt. Ein funkelnagelneuer Pick-Up-Truck wartet als Hauptgewinn für eine*n der 20 Teilnehmenden. Wer mit seiner Hand am längsten den Truck berührt, darf diesen mit nach Hause nehmen. Sitzen, Anlehnen oder Schlafen sind nicht erlaubt, lediglich kurze Pausen zwischendurch können für ein wenig Erholung genutzt werden.

Während die Teilnehmer*innen, die sich so ein Auto aus eigener Tasche nicht leisten können Tag und Nacht gegen Schlafmangel und Hitze kämpfend am Auto stehen, amüsieren sich rund um sie zahlreiche Schaulustige. Mit Free Drinks, DJs und Rabattaktionen macht der Autohändler aus dem „Hands-On“-Contest ein regelrechtes Volksfest.

Dieser Wettbewerb, von dem „One Of These Days“ erzählt, ist nicht etwa frei erfunden, sondern entstammt der US-amerikanischen Realität. In den USA waren solche Hands-On-Contests in den 1990ern und 2000ern beliebte Events. Auch popkulturell fanden sie schon Niederschlag, etwa in der US-Sitcom Malcolm in The Middle (Folge „Bomb Shelter“, Staffel 7, Episode 18) oder in der Doku „Hands On A Hardbody“ aus dem Jahr 1997.

Für den deutschen Regisseur Bastian Günther, der zwischen Berlin und Texas lebt, haben diese Werke jedoch die dahinter liegenden Problematiken zu wenig kritisch beleuchtet. Zu schreiend sei die menschliche Ausbeutung, die Schadenfreude und der Voyeurismus, die bei solchen Veranstaltungen mitschwingen, erklärt er im FM4-Interview.

Bastian Günther konzentriert sich in „One Of These Days“ auf zwei Figuren: Joan, dargestellt von Carrie Preston (True Blood, The Good Wife), die beim Autohaus angestellt ist und den Contest mit Begeisterung betreut. Jeder Zweifel am Event wird von ihrem stählernen Lächeln einfach zerquetscht. So entgegnet sie auf die Frage, ob es nicht gefährlich sei, Menschen ohne Schlaf in der Hitze tagelang stehen zu lassen: “No, it`s a blast!”.

Die zweite Hauptfigur ist Kyle, gespielt vom Briten Joe Cole (Peaky Blinders), der sich für den Dreh extra einen texanischen Akzent antrainiert hat. Kyle ist ein junger, mittelloser Familienvater, der am Wettbewerb teilnimmt und sich durch den Gewinn des Trucks ein besseres Leben für sein Baby und seine Freundin erhofft.

Kyle und seine Mitstreiter*innen repräsentieren die Verliererseite des American Dream. Sie sehen im Contest die einmalige Chance, ihrer Armut zu entkommen. So finden sich neben Kyle am Truck etwa ein älterer Herr, der sich fest entschlossen einen Katheder ans Bein gebunden hat, um nicht einmal während den Pinkelpausen seinen Platz verlassen zu müssen oder auch eine strenggläubige Frau, die verzweifelt Bibelstellen rezitiert, in der Hoffnung, so länger durchhalten zu können. Sie alle nehmen die Strapazen des Contests auf sich, im Wissen um eine bittere Wahrheit: „Selbst wenn du gewinnst, bleibst du für immer der Idiot, der tagelang um ein Auto gestanden ist, weil er es sich aus eigener Tasche nicht leisten konnte“, erklärt ein Teilnehmer im Film.

Ist die Stimmung am Anfang des Wettbewerbs noch heiter und gelassen, wird sie – wenn aus 10, 40 und wenn aus 40, 80 schlaflose Stunden am Truck werden - allmählich düsterer und bedrohlicher. Immer mehr entwickelt sich „One Of These Days“ zum Psycho-Kammerspiel auf dem texanischen Parkplatz. Erschöpfung und Wahnsinn breiten sich in der schwülen Südstaaten-Hitze zwischen Kyle und seinen Kontrahent*innen aus. Die Eskalationsschraube dreht sich dabei zusehends nach oben und gipfelt in einer tragischen Katastrophe, die bei einem Hands-On-Contest im Jahr 2005 tatsächlich so passiert ist, in diesem Text aber nicht vorweggenommen werden soll.

Bastian Günther meistert die Herausforderung, einen monotonen Ausdauer-Wettbewerb packend zu verfilmen. Die flirrenden Bilder von Michael Kotschi und die von Melancholie durchdrungene Musik von The Notwist verleihen der Geschichte zusätzlich jenen sensorischen Rahmen, in dem ihr verstörender Kern noch besser zur Geltung kommt. „One Of These Days“ ist ein soghaftes, menschliches Drama über einen Wettbewerb, der ein perverses System auf einem texanischen Autohändler-Parkplatz zusammenfasst. Eine große Empfehlung.