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Rush von Maneskin

Tommaso Ottomano

Ist der große Hype um Måneskin schon vorbei?

Seit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 2021 scheint der Hype um die sexy/edgy Rock’n’Roller aus Italien kein Ende zu nehmen. Mit ihrem dritten Album „RUSH!“ stehen Måneskin vor ihrer bisher größten Bewährungsprobe.

Von Alica Ouschan

„Ich glaub das wars mit dem Måneskin Hype“, hat mein Kollege Christoph Sepin vor knapp zwei Wochen im FM4 Musikpodcast „Wer hören will muss fühlen“ zu mir gesagt. Wir haben in der ersten Folge des Jahres versucht, das Musikjahr 2023 vorherzusagen. Eines der ersten großen Alben ist das der italienischen Rockband Måneskin. „Ich glaube als das losgegangen ist, war das genau die richtige Zeit, dass das funktioniert hat - aber gleichzeitig ist ihr Band-Entwurf zu altmodisch“, meinte Christoph.

Argumente gibt es sowohl für als auch gegen seine Prognose zu Hauf.

Ist der Band-Entwurf aus der Zeit gefallen?

Da wäre zuerst einmal das Album-Cover, das vielleicht Edgyness vermitteln soll, eigentlich aber ziemlich grindig ist. Menschen unter den Rock schaun ist nicht gerade fortschrittlich. Hinzu kommt, dass Sänger und Showmacher Damiano David die (oft sehr jungen, weiblichen) Måneskin-Fans auf Konzerten gern als seine „Bitches“ und „Whores“ bezeichnet. Mit solchen und ähnlichen Aktionen löst sich die der Band zugeschriebene Progressivität leider schnell auf. Zurück bleibt ein Entwurf, der einer Rockband aus den Neunzigern, inklusive Sexismus, zum Verwechseln ähnlich sieht.

Rush von Maneskin

SONY

Auf der anderen Seite hat das Spiel mit Androgynität, das offene Zur-Schau-Stellen (queerer) Sexualitäten und das kompromisslose Zu-sich-Stehen und sich so zu feiern, wie man ist, die Band zu einem wichtigen musikalischen Sinnbild der Gen Z gemacht. Und die Band macht einen Sound und eine Ästhetik wieder populär und mainstreamtauglich, die schon lange passé schienen.

Immerhin fühlt es sich so an, als wäre der Sieg von Måneskin beim Eurovision Songcontest 2021 das Zeichen dafür gewesen, dass die junge Generation wieder bereit für Rockmusik ist. Das ganze restliche Jahr und auch 2022 gab es ein regelrechtes Pop-Punk und Rock-Revival in der englischsprachigen Musik. Måneskin haben das Momentum perfekt genutzt und sich durch ausgezeichnete Live-Konzerte und ihre unverwechselbare Ästhetik schnell als Band der Stunde etabliert.

Gleichzeitig gibt es wohl kaum eine Band, die so hart daran gearbeitet hat, den Moment des Senkrechtstarts ihrer internationalen Karriere aus dem kollektiven Bewusstsein zu verdrängen, wie Måneskin. Die Band will mehr sein, als eine von vielen Songcontest-Gewinnerinnen und hat seit dem Sieg alles dafür getan: die USA, ihre Musikszene und die zahlreichen Fans erobern, sich als Powerhaus auf live Konzerten etablieren, mit Iggy Pop kollaborieren und für die Stones Support spielen.

Arrivederci Italiano

Mit „Rush!“ ist jetzt das erste Måneskin-Album erschienen, auf dem mehr englische als italienische Songs sind - ein weiterer Schritt in Richtung internationale Superstars. Aber kann die Musik dem Status der Band als sexy Rock’n’Roll-Zoomer mit Fuck-It-Attitude das Wasser reichen?

Die - auch für mich als großer Måneskin-Fan - überraschende Antwort lautet: Ja. Entgegen der Zwischenbilanz nach den vier durchwachsenen Vorab-Singles lässt sich getrost sagen, dass Måneskin die hohen Erwartungen erfüllt haben. Ihr Sound klingt raffinierter, die rotzige Attitude noch authentischer. Die Melodien sind eingängig und gleichzeitig klingt entgegen der Erwartungen nicht jeder Song gleich. Es ist zudem nicht einfach eine willkürliche Aneinanderreihung von radiotauglichen Rock-Hits. Im Gegenteil, die Band zeigt musikalische Facetten und an manchen Stellen sogar Verletzlichkeit.

Sex und Verletzlichkeit als Kontrast

Die wenigen Balladen bilden einen schönen Kontrast zur erbarmungslosen Coolness, dem allgegenwärtigen Sex und der ständigen Extase. Auch wenn es schade ist, dass nur mehr drei Songs auf italienisch sind, so steht der Band das Englische mittlerweile so gut, dass es kaum auffällt.

Die großen Hits des Albums sind das im vergangenen Jahr erschienene „Supermodel“, das großartige „Baby Said“, das überraschend düstere „Gasoline“, sowie das wegweisende „Gossip“.

Dieser Track enthält bei genauerem Hinhören nicht nur eine scharfe Kritik am Hollywood-Lifestyle, in den die vier Anfangzwanziger im vergangenen Jahr regelrecht hineingestoßen wurden, sondern ist auch ein Feature mit Gitarren-Legende Tom Morello (Rage Against the Machine, Audioslave, Prophets of Rage). „Das ist das Beste an dem was wir machen“, sagt Damiano über die Zusammenarbeit. „Rockmusik-Legenden kommen auf einen zu und sagen ‚Endlich wieder Teenies die Rock machen‘ - und dann gehen sie mit dir ins Studio“.

Die Nummer ist eines der großen Highlights, nicht unterschätzt werden sollte aber auch die Kraft der italienischen Ballade „Il Dono Della Vita“. Herausstechend ist der Song „Kool Kidz“, der in seiner Grime-artigen Aufmachung und dem aufgesetzten britischen Akzent stark an Slowthai erinnert. Besonders an „doorman“, das Feature mit Mura Masa aus 2019.

Schwächeln tun ausgerechnet zwei der Vorabsingles - „Mammamia“ und „The Lonliest“ entpuppen sich auch bei der Gesamtbetrachtung als die etwas zu gewollten, misslungenen Patzer.

Hat der Hype gerade erst begonnen?

Am Ende bleibt die Frage, ob der Måneskin-Hype vorbei ist, weiterhin offen.

Angesichts der Tatsache, dass sich die Band zum Album-Release ordentlich ins Zeug gelegt hat - da wurde in Rom eine Hochzeitszeremonie, inklusive Trauung, Brautkleider, Kuchen anschneiden und Strauß werfen ausgerichtet - ist aber klar, dass die Band sich ihrer Sache sicher ist und alles dafür tut, dass der Hype nicht abflaut. Mit dem gelungenen dritte Album „RUSH!“ ist der wichtigste Schritt dazu getan.

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