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Family Dinner

Capra Film

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Austro-Folk-Horror im Herzen der Familie: „Family Dinner“

Kulinarik, Familie und Horror fließen in Peter Hengls „Family Dinner“ ineinander. Noch nie war ein Familienessen derart grauenhaft.

Von René Froschmayer

Es gibt sie in jeder Familie, jene Angehörigen, die etwas eigen sind. Die, die weder familiären Rückhalt noch eine freundlich-warme Atmosphäre schaffen. Unangenehme Seitenhiebe, unangebrachte Kommentare, angespannte Stille. Wer also das Grauen in Familienhappenings sucht, wird wahrscheinlich schnell fündig. Kein Wunder, dass seit jeher der familiäre Verband ein beliebter Schauplatz des Genre-Kinos ist - genauer gesagt des Horrorfilms.

So auch in Peter Hengls „Family Dinner“, ein Film, der die Vorfreude auf das nächste Familienfest (Ostern?) schmälert.

Family Dinner

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Familienessen des Grauen

Ausgangspunkt des Horrors ist die Familie der angeheirateten Tante, die sich als renommierte Ernährungsberaterin und Fernsehköchin Bekanntheit geschaffen hat. Mit dem neuen Mann und dem Sohn aus erster Ehe lebt sie in der tristen, ländlichen Einöde, auf einem dieser Bauernhöfe, deren landwirtschaftlicher Vergangenheit einem boboesken Lebenstraum gewichen ist. Kühl und grau sind die Innenräume des Hofes eingerichtet, Erdtöne stützen das unpersönliche Feeling. Kalt. Noch kälter ist nur die familiäre Atmosphäre, in die die Teenagerin Simone (Nina Katlein) geradezu hineinfällt.

Den österlichen Aufenthalt am Land bei Tante Claudia (Pia Hierzegger) hat sich Simone definitiv anders vorgestellt. Nicht die Einsamkeit oder die Natur haben die junge Frau raus aus der Stadt aufs Land gezogen, sondern der Wunsch abzunehmen – möglichst erfolgreich, mithilfe der Expertise der Tante. Somit steht Detox am Programm, Entgiftung durchs Fasten – passend zum katholischen Ritus der Karwoche weichen liebevoll angerichtete Speisen einem leeren Teller.

Mit dem Verzicht ist Simone nicht allein, denn auch Tante Claudia und ihr Mann Stefan (Michael Pink) fasten. Nicht aus religiösen Gründen, also im traditionellen Sinne. Lediglich Simones etwa gleichaltriger Cousin Philipp (Alexander Sladek) speist in kühler und angespannter Atmosphäre, hungernde Gesichter rund um ihn. Aber auch nur dann, wenn die Helikopter-Mama das Kotelett und Co klein schneidet. Irgendetwas stimmt hier nicht.

Klaustrophobische Kulinarik im Waldviertel

Klaustrophobisch, so beschreibt Pia Hierzegger die Atmosphäre der vom Lockdown überschatteten Dreharbeiten im FM4 Filmpodcast. Die geschlossenen Geschäftsfronten und die isolationsbedingte Verlassenheit verstärkten die ohnehin unheimliche Atmosphäre des niederösterreichischen Waldviertels, dessen Farbpalette sich zumindest einige Monate im Jahr auf diverse Grau- und Erdtöne beschränkt.

Family Dinner

Capra Film

Wie wohlduftende Leuchttürme, die das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, stechen die liebevoll von Food-Stylist*innen in Szene gesetzten Speisen aus dem tristen Grau in Grau. Nicht nur Schein, sondern auch Sein: Geschmeckt hat es auch, wie Nina Katlein und Alexander Sladek im FM4 Interview verraten. Ihr Langspielfilmdebüt hat sich für Jungdarsteller*innen somit auch kulinarisch ausgezahlt. Sinnliches Highlight: Pancakes, in dessen Genuss jedoch lediglich Sladek kommen durfte.

Österreich kann Horror, Österreich ist Horror

„Family Dinner“ ist ein Horror-Kammerspiel, kommt mit nur vier Darsteller*innen aus und schafft dabei eine unangenehme Einsamkeit an einem Ort, der im Verständnis der Mehrheit eigentlich Wärme und Geborgenheit ausstrahlt. Von der ersten Szene an umgibt Pia Hierzegger in ihrem Horror-Debüt ein zwielichtiger Schleier.

„Family Dinner“ ist ab 27. Jänner im Kino!

Ein Grinser über der Schulter der Teenagerin Simone hinweg reicht schon aus, um das Publikum frösteln zu lassen. Gepaart mit ihrer beklemmenden Faszination für esoterische Praktiken und spirituelle Riten entsteht ein schauriger Charakter, dessen bloße Anwesenheit ein unwohles Gefühl auslöst. Im FM4 Interview verrät Hengl, dass als Inspiration der Rolle der Tante das neuerliche Auflodern des Esoterik-Spiritualimus diente, vor allem im Milieu von Coronamaßnahmengegner*innen. „Wie gefährlich dieses Abdriften in selbstzusammengeschusterte Wahrheiten durchaus sein kann, haben wir in den letzten Monaten und Jahren gesehen.“, fügt Hengl an.

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Wem bei einem Horrorfilm noch nie das Wasser im Mund zusammen gelaufen ist, sollte sich „Family Dinner“ nicht entgehen lassen.

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