„Idol in Flammen“: Wenn Fantum zu Besessenheit wird

Die japanische Autorin Rin Usami ist Anfang zwanzig und hat bereits mehrere Literaturpreise bekommen. In ihrem schlanken, neuen Roman, der in Japan ein Bestseller ist, begleitet sie ein Mädchen, das ihr Leben komplett einem unerreichbaren Star unterordnet.

Von Jenny Blochberger

Die Schülerin Akari würde alles für ihr Idol tun. Ihr Idol heißt Masaki und ist Bandmitglied der bekannten J-Pop-Gruppe Mazamaza. Für ihn schwänzt sie die Schule, kauft sündhaft teure Konzerttickets und bestellt sich spezielles Band-Merchandise. Sie schaut sich alle Interviews mit ihm an und analysiert danach jedes Wort und jedes Gesichtsmuskelzucken ausführlich in ihrem Blog.

Seit einem Jahr bin ich Masakis Fan. In dieser kurzen Zeit habe ich alle Informationen, die er in den letzten zwanzig Jahren mit der Öffentlichkeit geteilt hat, so gut es geht zusammengetragen, weshalb ich seine Antworten bei der Fragestunde in den Fanmeetings jetzt ziemlich gut voraussagen kann. Wenn er auf einer Bühne auftritt, erkenne ich ihn an seiner Ausstrahlung, selbst wenn ich so weit weg sitze, dass ich ihn mit bloßem Auge kaum sehen kann.

Nerdwissen vs. Schulstoff

Als Bloggerin ist Akari selbst ein kleiner Star. Dort tauscht sie sich mit anderen Hardcore-Fans aus, die Akari für ihre klarsichtigen Analysen und ihre Dedication bewundern. Diese Dedication würde sich ihre Mutter für die Schule wünschen. Aber egal wie sehr sie sich beim Lernen bemüht, Akari kann sich den Schulstoff einfach nicht merken. Dabei wäre sie auch in der Schule der Star, wenn man sie bei Prüfungen fragen würde, wann genau welches Konzert von Mazamaza stattgefunden hat, wie die Setlist damals lautete und welches Outfit Masaki dabei anhatte.

Früher setzte unsere Mutter mich und Hikari oft zu zweit in die Badewanne und ließ uns das Einmaleins oder das Alphabet aufsagen. Erst wenn wir es geschafft hatten, durften wir raus. Ich saß jedes Mal ewig lange im Wasser. Die Buchstaben und Wörter, die meine große Schwester von sich gab, blieben einfach nicht in meinem Kopf hängen, sodass ich am Ende benommen wurde und mich Mama mit einem „Genug für heute“ aus der Wanne hob.

Die Parallelwelt als Zufluchtsort

Ihre Lernschwäche wird durch den Leistungsdruck, der in Familie und Schule herrscht, nur befördert. Vor dem Druck flüchtet sie lieber in eine Parallelwelt, in der nichts von ihr verlangt wird als reine Hingabe zu ihrem Idol.

Die emotionale Isolation der jungen Frau, die trotz Familie, Schule und Job immer mehr vereinsamt, ist eindringlich geschildert. Akari hat das Gefühl, den Anforderungen der „echten Welt“ einfach nicht gerecht werden zu können. Ihr Idol hingegen will nichts von ihr, setzt sie nicht unter Druck, bietet nur eine Projektionsfläche für ihre Gefühle. Es ist eine perfekte Beziehung, über die sie die komplette Kontrolle hat. Als Masaki in einen Skandal gerät und seine Beliebtheitswerte abstürzen, trifft das Akari wie ein persönlicher Schicksalsschlag.

„Idol in Flammen“ ist bereits der zweite Roman der jungen japanischen Autorin Rin Usami. Sie bleibt dicht an ihrer Protagonistin und deren Besessenheit dran - eigentlich eine Sucht, die von der Pop-Industrie bedient und ausgebeutet wird. Während die Bands von echten Gefühlen singen und von der Hingabe zu ihren Fans sprechen, bringen sie ständig neue Merchandising-Artikel heraus, die ihre Fans Unsummen kosten. Usami beschreibt detailliert und einfühlsam ein Fantum, das gleichzeitig Rettungsanker und Mühlstein um den Hals einer jungen Frau ist.