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Ein Sturm im Wasserglas: „How to Blow Up a Pipeline“

„Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“ heißt ein Buch des Ökologen Andreas Malm. Jetzt kommt ein Spielfilm ins Kino, der Zitate und Ideen aus dem Buch radikal aufgreift: „How to Blow Up a Pipeline“ fand erst keine Produktionsfirma.

Von Maria Motter

“Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“, hat Andreas Malm in seinem Buch gar nicht beschrieben (2020 bei Matthes & Seitz erschienen). Der Schwede ist Ökologe und Hochschullehrer, und er hält Sabotage für ein berechtigtes Mittel im Klimaschutz: Das sei Notwehr. Jetzt gibt es den Kinospielfilm „How to blow up a pipeline“: Acht junge Menschen kommen im Film im augenscheinlichen Nirgendwo der USA, im Norden Texas, zusammen. Dort, wo Geschäftsleute seit über 120 Jahren Öl aus dem Boden und in den letzten Jahrzehnten durch Fracking noch schneller in Pipelines befördern lassen, treffen sich die Jungen zum Widerstand.

Alle begehen Straftaten im Vorspann. Einer sticht Reifen auf, eine manipuliert die Überwachungskamera im Haus Wohlhabender und eine andere klemmt einen Flyer mit der Rechtfertigung ihrer Tat auf ein Auto. Ihre Widersacher bekommen kein Gesicht und bald rollen Fässer, nicht Köpfe.

Zwei junge Frauen sitzen am Rande einer Ölraffinerie.

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Zwei von acht im Ensemble von „How to blow up a pipeline“.

Ein Team in Texas

Ein Partypärchen trifft in „How to blow up a pipeline“ in der Steppe auf einen wortkargen Familienvater, Collegestudent*innen und die junge Putzfrau sind dabei. Eine schwerkranke Freundin und ein Indigener, der die Naturschutzorganisation seiner Mutter eine Wohlfühlgruppe für Weiße nennt, gesellen sich hinzu. Er zieht mit stirngerunzelter Konzentration an Drähten, ein Collegestudent zersägt einen Airbag und über eine Stunde wird mehr geufft und gehackelt als auf Heimwerkerkanälen. Texas hat die größte Pipeline-Infrastruktur der USA.

Das Partymädchen macht aus der Distanz ein Handyfoto, und der Score fiept nervös vor sich hin. „How to blow up a pipeline” ist gebaut aus Rückblenden und Schritten zur Tat. Es dauert eine krasse Werkstunde, bis dieser Krimi durch steiniges Gelände führt und tatsächlich Spannung bietet.

Und während der schwedische Ökologe Malm in seiner 200 Seiten kurzen Schrift darzulegen versucht, warum Pipelines in die Luft gejagt werden sollten und wie sich so manche vergangene soziale Bewegung entwickelt hat, sind die Protagonist*innen in „How to blow up a pipeline“ nicht mehr mit Überzeugungsarbeit beschäftigt. Aufschluss über ihre Beweggründe steckt in den Rückblenden, die jedem Charakter Profil geben. Man müsse außerhalb des Systems handeln, erklärt die Collegestudentin: Sabotage, das Zerstören von Eigentum.

Bei Malm liest man: „Announce and enforce the prohibition. Damage and destroy new CO2-emitting devices. Put them out of commission, pick them apart, demolish them, burn them, blow them up. Let the capitalists who keep on investing in the fire know that their properties will be trashed.“

Pärchen steht neben einer Industrieanlage mitten in der Landschaft.

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Und es hat Boom gemacht

Der Krimi über radikalen Aktivismus „How to blow up a pipeline“ gewinnt durch seinen feinen Unterbau. Das löchrige Gesundheitssystem der USA wird in einem kurzen Telefonat angeprangert. Um an lebensnotwendige Medikamente zu kommen, braucht es einen GoFundMe-Account und vor allem Spender. Ein Schlagabtausch in einer Armenausspeise klärt die Verhältnisse. Die Arbeiterschicht prügelt auf sich ein und haust in Baucontainern. Tweets vom „Klimagenozid“ und aus Desasterzonen flimmern über ein MacBook. Wie die Protagonisten zueinander in Beziehung stehen, wird mit jeder Rückblende klarer.

Schließlich wackelt die Handkamera und wird jetzt noch die Sabotage sabotiert? Wir gegen den Rest der Welt, gibt ein Sohn aus reichem Haus als Losung aus und will so sehr daran glauben. „How to blow up a pipeline“ ist ziemlich glatt gestrickt und zeigt einen Sturm im Schnapsglas auf der Kinoleinwand.

Ein Stück Propaganda hatten die Schauspielerin Ariela Barer und Regisseur Daniel Goldhaber nämlich nie im Sinn. Goldhaber hat zuvor schon an einer Doku über Klimaaktivismus gearbeitet. Dass er sich über seine eigene Naivität mit einer Szene in „How to blow up a pipeline“ auch lustig machen kann, muss man ihm hoch anrechnen. Da entschuldigt sich ein Filmemacher bei einem Aktivisten für seine Aufdringlichkeit und will Nummern austauschen. Um seinen Spielfilm „How to blow up a pipeline“ machen zu können, musste Daniel Goldhaber zu den Filmfestspielen nach Cannes reisen, um Gehör bei einem Produzenten zu finden. Zuhause in den USA gab es kaum bis keine Ressonanz auf seine Filmidee.

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