FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Eli Preiss am Rock im Dorf

Christoph Weiermeier

Hinterm Kukuruz da strahlt ein Festival: So war das Rock im Dorf 2023

Geh leck, war das schön. Ins beschauliche Kirchdorf/OÖ ist am Wochenende wieder ein strahlendes Festival eingekehrt. Eindrücke vom „Rock Im Dorf“.

Von Xaver Stockinger

Ich stehe in einem Maisfeld und bin verwirrt. Ein Schild, das mir den Fußweg durch die Kirchdorfer Wälder & Felder zum Festival-Gelände vom Rock im Dorf weisen soll, liegt ausgerissen auf dem Boden. Versuche ich es aufzustellen und den Stempen, auf dem es befestigt ist, wieder in die Erde zu stecken, stehen Schrift und Richtungspfeil auf dem Kopf. Was will mir das Rock Im Dorf damit sagen? Ist es ein bewusst gesetzter nihilistischer Willkommensgruß? Ist es Sabotage? Oder doch einfach sympathischer Pfusch von den Rock Im Dorf-Schilderbastlern? Wie dem auch sei, leichte Verwirrung ist nicht die schlechteste Voraussetzung, um ein Festival-Wochenende zu beginnen. Ich entscheide mich für querfeldein in den Kukuruz und lerne: In Kirchdorf führen alle Wege zum Rock Im Dorf.

Zwischen Bächen und Trauerweiden, umrahmt von den mächtigen Voralpen, tut sich ein grünes Paradies auf, und in dieses hat sich das Rock Im Dorf gepflanzt. Geht’s schöner? Kaum. An die 1.500 Besucher:innen strömen pro Festivaltag auf die weiten Wiesen vom Festivalgelände. Hier gibt’s so viel Platz, dass jedes Zelt am Campingplatz seinen eigenen Vorgarten hat.

Musikalisch hat sich das Rock im Dorf heuer wieder stärker dem eigenen Namen verschrieben: es wurde härter, rocklastiger gebucht. Die „Container-Stage“, die komplett von stählernen Frachtbehälter umschlossen war, war am diesjährigen Rock im Dorf das Zuhause der rauen Sounds. Eröffnet wurde dort von den Linzern Anda Morts. Doc-Martens und Iros versammelten sich vor der Bühne und in der Luft schwebte die Einigkeit darüber, dass der beste neue Punkrock aus der Stahlstadt kommt. Es folgte ein fuzziges Fiasko mit Bikini Beach, tonnenschwerer Stoner-Rock von Rotor und Lederhosen-Poppunk mit G‘nackwatschn, die neben verzerrten Gitarren mit ihrer Steirischen aufspielten.

Füchse, die mit Ratten tanzen

Brüllendes Highlight auf der Containerstage waren jedoch Franz Fuexe, vier Mostviertler, deren Songs Titel tragen wie „Everybody linksextrem“ oder „Kz 4 Nazis“. Elias Hirschl hat in seinem Roman „Salonfähig“ über diese Band geschrieben: „Franz Fuexe vereinen das Beste aus Punk und Rap […]. Die Kritiker sagen, dass sie immer sofort mit der Nazikeule kommen, aber naja, diese Kritiker sind halt Nazis und müssen ebenfalls gekeult werden. […] Auch das Publikum ist Premium: zur Hälfte Punks, zur Hälfte MusikwissenschaftlerInnen und zur dritten Hälfte Zivilbullen. Aber egal, im Moshpit sind alle Fuexe gleich blau.“ Begonnen hat das Franz Fuexe-Konzert am Rock im Dorf, indem der Sänger rattengleich gegen das Polizeigitter sprang. Geendet hat es, indem selbiger vom Publikum gehalten, brennende Bengalen in den Himmel hielt. Dazwischen war auf und neben und unter der Bühne ein einziger, riesiger Rattentanz. „Des woas, schleichts eich!“, so die Schlussworte der Band. Franz Fuexe sollte man zumindest einmal im Leben live gesehen haben (am 28.7. beim Popfest in Wien zum Beispiel).

Während die Container Stage den harten Gitarren gehörte, ging es auf der Main-Stage musikalisch bunter zu. FM4 Award-Gewinner Oskar Haag und Florence Arman schenkten dem Rock Im Dorf mit ihrer Sanftheit ruhige, konzentrierte Momente. Das alles im fast kitschig goldenen Licht der Abendsonne. Solidarität & Promiskuität versprühten Frittenbude, deren Konzert sich stellenweise zum Rave verwandelte. Für den Hip-Hop-Flavour sorgten neben EsRap, Eli Preiss und Yasmo natürlich auch Sharktank. Ihr Auftritt war es, der das Rock im Dorf Samstag Nacht mit einem Feuerwerk aus Poprock und Rap abschloss.

„Weil auch am Land Kultur & Subkultur stattfinden muss und nicht nur Brauchtum & Mainstream.“

Über 150 Ehrenamtliche stemmten das Rock Im Dorf 2023. Dazu kam ein Kernteam aus acht ebenfalls ehrenamtlichen Personen, die jährlich neben ihren eigentlichen Berufen jeweils an die 600 Stunden ins Projekt reinhackln, erklärt mir der Festivalleiter Erich Pöttinger. Auf die Frage, warum es das Wert ist, bekomme ich vom Rock Im Dorf-Chef eine klare Antwort: „Weil auch am Land Kultur & Subkultur stattfinden muss und nicht nur Brauchtum und Mainstream. Ich möchte nicht darauf angewiesen sein, als Mensch, der am Land lebt, in die Stadt fahren zu müssen, um gute Kultur zu erleben. Das ist unser Anspruch.“

Wie sich das Rock Im Dorf weiter entwickelt, welche musikalischen Wege es einschlägt, das werde Jahr für Jahr aufs Neue zwischen allen Beteiligten verhandelt. „Wir sind ein demokratischer Haufen: Der punkige Haufen will keine Sponsoren und klein bleiben. Der andere Haufen will größer werden, poppiger. Wir stehen hier vor einer Mischung.“

Eine Mischung, die sich sehen und hören lassen kann. Am Heimweg stehe ich wieder vor dem seltsamen Schild im Maisfeld. Das sieht nach den zwei Festivaltagen ziemlich durchgerockt aus. Der Richtungspfeil jedoch, der zeigt deutlich in den Himmel. Was mir das Schild diesmal sagen will? Vermutlich hatte es einfach eine gute Zeit. Danke Rock im Dorf, see u next time!

Aktuell: