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Becca Mancari

Sophia Matinazad

Becca Mancari ist eine der besten US-Songwriter:innen

Becca Mancari aus Nashville, Tennessee ist Singer-Songwriterin im modernen musikalischen Gewand. „Left Hand“ nennt sie ihre neue Platte, bei der auch Julien Baker und Brittany Howard von Alabama Shakes mitmachen. Wunderschöner Stoff mit schwierigem Hintergrund.

von Eva Umbauer

Becca Mancari hat ihre Denkweise geändert. Ich bin eine Außenseiterin, ein Underdog, nicht wichtig genug - so und ähnlich dachte Becca meist über sich selbst. Erst als sie anfing, das nicht mehr zu tun, fingen die Dinge an zu fließen. Neue Songs konnten entstehen. Eine Ermutigerin dabei war Brittany Howard. Brittany ist eine Freundin von Becca, und Becca findet, dass Brittany eine unfassbar gute Musikerin ist. Sie weiß das, schließlich waren Becca und Brittany zusammen im Folk-Trio Bermuda Triangle. Brittany Howard wurde mit ihrer Band Alabama Shakes bekannt und macht inzwischen auch solo Musik, und sie macht bei einem der neuen Songs von Becca Mancari mit: „Don´t Ever Worry“. Becca und Brittany haben den Track miteinander geschrieben und er ist eines der Herzstücke am neuen Album von Becca Mancari.

„Britt sent me a little mp3 with live drums tracked as well, and said ‚hey, becc, there might be something here have fun with it,‘ and that’s what I took into a session at home. At first it was really hard for me to find a melody line, but then this phrase kept popping up in my mind: ‚Don’t even worry, I got you.‘ I kept imagining how it would sound with Britt’s booming voice over top of me singing that line. I think there are so many romantic love songs, but not enough friendship love songs, and for me this was written about the experience of being friends with Brittany for over a decade.“

"Left Hand" von Becca Mancari

Captured Tracks

„Left Hand“ von Becca Mancari ist bei Captured Tracks erschienen.

Auch Julien Baker gastiert auf der neuen Platte von Becca Mancari, die aus Staten Island, New York kommt, aber inzwischen in Nashville, Tennessee wohnt. Dort ist nicht nur glatter Country-Pop zuhause, sondern auch Musiker wie Jack White, The Black Keys oder die Kings Of Leon. Weiters gibt es in Nashville inzwischen auch eine tolle Szene bestehend aus Songwriterinnen wie Bully, Soccer Mommy oder eben Becca Mancari. Auch Julien Baker lebt jetzt in Nashville. Der neue Song von Becca, bei dem Julien mitmacht, heißt „Over And Over“ und ist im Studio von Julien Baker entstanden.

„This song comes from my wanting to write something slightly out of my wheelhouse, but still very much my voice and my story. I wrote this song about how I had this whole other life before I moved to Nashville. I was a janitor in South Florida after coming back from living in India with my older sister who was a missionary at the time there, and I literally worked at my old high school in West Palm Beach. I went ‚back into the closet‘ during that time. I was told by the church/school that I had to have demons cast out of me, so they made me go through a prayer ‚cleansing‘ and they said hard work would be good so that I would be so tired and worn out that I could remain celibate. I eventually left that job and became a teacher in the Florida public school system, where my students encouraged me to pursue music after I played guitar for them in class one time. So, when I moved to Nashville I was actually still suppressing my queerness until finally I was able to accept myself.“

Becca Mancari ist nicht-binär und verwendet im Englischen die Pronomen „they/she“. Mit ihrem dritten Album hat sie sich wieder ein Stück herausgeschrieben aus ihrem Aufwachsen. Ihr Großvater - er ist 93 Jahre alt - war der erste in der Familie, der Beccas Queerness akzeptierte. „You are loved“, sagte er nur knapp, aber es bedeutete viel für Becca. Louis Mancari wanderte als junger Mann aus Süditalien in die USA aus. Mütterlicherseits liegen die Wurzeln von Becca Mancari in Puerto Rico, jenem karibischen Außenposten der USA.

Den Song „I Needed You“ hat Becca Mancari für ihre Mutter geschrieben, als diese an Krebs erkrankte. Die Mutter brach den Kontakt zur Tochter ab, als diese ihr Coming Out hatte. Es gibt nun wieder eine Beziehung, auch wenn sie nach wie vor schwierig ist. Aber, so betont Becca in Interviews zu ihrer neuen Platte, es gibt keinen Hass zwischen Mutter und Tochter. „I wish I would have met you when you were nineteen“, singt Becca Mancari, und weiters heißt es im Songtext: „I think, you would have liked me.“ „I Needed You“ ist ein Liebeslied an die Mutter - eine imaginäre Konversation zwischen den beiden Frauen. Der Song beginnt reduziert, akustisch, dann kommen Streicher hinzu, Holzblasinstrumente und allerlei Effekte.

„Homesick Honeybee“ nennt Becca Mancari den neuen Song, der mit einer Sprachnachricht von ihrem Opa beginnt. „I am still looking for a place to call my home“, heißt es hier in den Lyrics. Es geht um den Schmerz, von anderen in der Familie nicht akzeptiert zu werden. Immerhin konnte Becca inzwischen ihre Partnerin mit nach Hause zu den Eltern bringen.

„I was reading about how when honey bees get lost from their colony they can’t survive on their own for very long, and even if they try and join another colony they literally have a different smell that keeps them from being accepted into that new colony. For me this song on a personal level chronicles my leaving the community I grew up in and being essentially shunned from them for living authentically.“

Becca Mancari veröffentlichte ihr Debütalbum „Good Woman“ vor sechs Jahren. Es war ein eher nüchternes Americana-Folkrock-Album. Mit der nächsten Platte, dem 2020 erschienenen Album „The Greatest Part“, erweiterte Becca ihr Spektrum schon, und jetzt mit „Left Hand“ ging sie noch einen Schritt weiter.

Tiefsinnige, sehr persönliche Texte und tolle Melodien sind Becca Mancari nicht mehr genug. Sie ist eine Singer-Songwriterin in modernem Gewand und spielt mit allerlei Sounds und Stilen. Mal ist Becca jetzt Bedroom-Pop-Künstlerin, dann wieder Soft-Rockerin, genauso wie Chillwave-Fan oder Trip-Hopperin. Es gibt Jazziges auf „Left Hand“, Sinfonisches, Surreales, gesprochenes Wort und allerlei Brüche, aber sie sind immer zart und nie brutal. Alles ist organisch, nichts ist erzwungen. Wunderschöner Stoff mit schwierigem Hintergrund.

„Don’t Close Your Eyes“ hat tolle Synths und ebenso tolle Beats. Becca Mancari sitzt bei diesem Song, den sie mit dem Nashville-Songwriter/Producer Daniel Tashian geschrieben hat, selbst am Schlagzeug. Daniel komponierte schon für die Alternative-Country-Musikerin Kacey Musgraves oder auch für den US-Star Demi Lovato. Becca lässt nun auch den Pop in ihre Songs. Das neue Album hat sie selbst produziert, diesmal also ganz ohne Zac Farro, der am letzten half. Aber bei einem der neuen Songs spielt er die Drums.

„It’s Too Late“ macht auf die dunkle Zeit, die Becca Mancari nach ihrer letzten Platte hatte, aufmerksam. „I almost drove off the road that night, did you know that I almost did it so many times.“ „Eternity“ hat wunderbare Harmonien, „Mexican Queen“ ist ein Love-Song für Beccas Partnerin Maria, die aus Mexico kommt, in „Left Hand“ geht es um das Gefangensein in sich selbst, das verhindert, dass man lebt.

„‚To Love The Earth‘ is my love song to the universe, it’s my love song to believing in myself and to never abandon it again“, sagt Becca Mancari über „To Love The Earth“. Es ist ein spiritueller Love-Song an die Erde, von der radikale christliche Gemeinden in den USA immer schon sagten, dass sie brennen wird. Becca Mancari ist in einer solchen Gemeinde aufgewachsen, aber „You Don’t Scare Me“ nennt sie einen anderen ihrer neuen Songs. Becca Mancari hat keine Angst mehr.

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