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"Pineapple Express" Filmstills

Sony

Der FM4 Film Podcast feiert „Pineapple Express“ & andere Kiffer-Komödien

Die Veränderung der Gesetzeslage in Sachen Cannabis-Legalisierung in Deutschland inspirierte die aktuelle Folge. Im völlig rauchfreien FM4 Studio schwärmen wir über großartige Stoner-Comedys.

Von Christian Fuchs

Bei einem Los-Angeles-Besuch im Vorjahr muss ich bereits bei der Ankunft schmunzeln. Beim Verlassen des Flughafens grinst mir auf einem riesigen Schild ein gut aufgelegter Mann entgegen. „Need some weed?“ fragt ein Slogan darunter, mit einer fett gedruckten Telefonnummer. Die legale Cannabis-Versorgung ist längst in der kalifornischen Gesellschaft angekommen.

Dabei wirken die Menschen in der Millionen-Metropole alles andere als dauerbenebelt. Der neoliberale Leistungsdruck hält hier jede(n) gefangen, in und um Hollywood herum wird gearbeitet bis zum Umfallen. Gerade deshalb gehört, neben dem illegalen Leistungs-Treibstoff Kokain und dem Kult um psychedelische Pilze der Relax-Joint am Abend für viele zum Wellness-Ritual. Diverse Marihuana-Züchtungen kann man in unzähligen gut sortierten Shops kaufen, gegen Vorlage eines Altersausweis, besonders die Vaper-Variante ist beliebt.

"Pineapple Express" Filmstills

Sony

Legalisierung killt den Filmboom

In diesem liberalen kalifornischen Hier und Jetzt wirkt ein Kifferkomödien-Highlight wie „Pineapple Express“ beinahe antiquiert. Denn in dem Film aus dem Jahr 2008 schlagen sich Seth Rogen und James Franco als Protagonisten noch mit der Polizei herum. Troubles mit Cops und Dealern, kriminelle Verwicklungen, Autoverfolgungsjagden under the influence, all das gehört zu den Mustern des Genres Stoner-Comedy.

Die Überschneidungen zu Buddy-Movie und Actionfilm sind dabei durchaus erwünscht, es sind meist zwei ewig pubertierende Männer, die allerlei Bedrohungen auf maximal entspannte Weise überstehen müssen. Mal sehen, ob Filmemacher:innen noch entsprechende Geschichten einfallen, wenn in den USA immer mehr Bundesstaaten den THC-Konsum entkriminalisieren.

Die Veränderung der Gesetzeslage in Sachen Cannabis-Legalisierung auch in Deutschland inspirierte jedenfalls die aktuelle Folge unseres FM4 Film Podcast. Aus all den vielen Kifferkomödien, die seit den 70er Jahren produziert werden, haben wir ein paar Lieblingswerke herausgesucht, die auch ganz nüchtern bestens funktionieren.

"Pineapple Express" Filmstills

Sony

Der unfreiwillige Lachschlager: „Reefer Madness“ (1936)

Das erste Mal habe ich von diesem Machwerk in subkulturellen Kreisen gehört, in denen auch Filme von John Waters, den Zucker Brüdern oder Monty Pythons geschätzt wurden. Also grelle Komödien gegen den spießigen Zeitgeist. Dabei verkörpert „Reefer Madness“ genau das: Der schwarzweiße Aufruf zum Cannabisverbot ist das Dokument einer erzkonservativen Ära. Ein Propagandafilm, produziert von kirchlichen Gruppierungen, mit genügend reißerischen Szenen für den Exploitation-Markt.

Als die Hippies in den Sechzigern den warnenden Film entdeckten, gab es kein Halten mehr. Die Geschichte von braven Jugendlichen, die durch einen Joint zu amoklaufenden (Sex-)Bestien mutieren, ist auch fast schon übertrieben unfreiwillig komisch. Später entstand in Hollywood auch noch „Reefer Madness – The Musical“.

Auftritt Cheech & Chong: „Up In Smoke“, 1978

Schon ein Zug an einer lustigen Zigarette kann manche Charaktere in den Abgrund treiben, lernen wir in Aufklärungsfilmen. Das Roadmovie „Easy Rider“ wird 1969 dann zur Initialzündung einer neuen, aufgeschlossenen Sichtweise. In Hollywoodkreisen, wo der Joint noch das harmloseste Party-Accessoire darstellt, ahnt man eine neue Zielgruppe: Unzählige junge Leute lieben Filme UND Marihuana.

Auftritt Cheech Marin und Tommy Chong. Zwei Standup-Comedians, die mit schlichten Scherzen über das Kiffen zu Stars aufsteigen. 1978 bringen sie ihren ersten Kinofilm raus und werden zu den Posterboys der eingerauchten US-Nation. „Up In Smoke“ heißt der Cannabisklamauk, der einige Fortsetzungen nach sich zieht. Der deutsche Titel „Viel Rauch um Nichts“ lässt sich auch auf den etwas dürftigen Inhalt umlegen. Kifferkino, so viel macht bereits dieser Klassiker klar, ist zunächst mal nur für Kiffer lustig. Aber immerhin.

Schönheit und Langeweile der Siebziger: “Dazed and Confused”, 1993

Filmpodcast

Radio FM4

#195 FM4 Film Podcast: Kiffer-Komödien

Die Veränderung der Gesetzeslage in Sachen Cannabis-Legalisierung in Deutschland inspirierte diese Folge. Im völlig rauchfreien FM4 Studio schwärmen Pia Reiser und Christian Fuchs über großartige Kiffer-Komödien. Im Mittelpunkt: Richard Linklaters Highschool-Hommage „Dazed and Confused“, Gregg Arakis entgrenzter L.A-Trip „Smiley Face“ und der moderne Stoner-Klassiker „Pineapple Express”.

In einer ganz eigenen Liga spielt dagegen ein Film, der zu den Alltime-Lieblingswerken meiner Podcast-Kollegin Pia Reiser zählt. Ich bin gerne dabei, „Dazed and Confused“ in möglichst vielen Folgen zu erwähnen, die Highschool-Hommage von Richard Linklater ist toll gealtert.

„School´s out!“ von Alice Cooper dröhnt darin am Anfang aus einem Autoradio und vermischt sich mit dem erlösenden Läuten der Schulglocke. Ein Strom von kreischenden Jugendlichen läuft ins Freie, in die Sommerferien von 1976. Rendezvous für den Abend werden ausgemacht, Partys arrangiert, die warme Sommerluft füllt sich mit dem Geruch heimlicher Joints.

„Dazed and Confused“ versucht das provinzielle Lebensgefühl anno 1976 einzukreisen. Alkohol, erste Zungenküsse, ältere Mitschüler, die man wie die Pest hasst, und die Bereitschaft fast alles zu erdulden, um auf dem Schulhof und im Partykeller beliebt zu sein. Smells like teen spirit. Der Film braucht keinen klassischen Plot, er ist eine meisterlich inszenierte Abfolge von Initiationsriten, Drogenpartys, Spaß, Rock’n’Roll und jugendlicher Langeweile. Mitten drin tummeln sich zukünftige Stars wie Ben Affleck, Milla Jovovich oder Matthew McConaughey.

Anna Faris in mimischer Höchstform: “Smiley Face“, 200?

Wir ahnen es bereits: Kifferkino ist primär Bubenkino. Alle erfolgreichen Stoner Comedies, von „Half Baked“ bis „Harold & Kumar“, von afroamerikanischen Ablegern wie „So High“ und „Friday“ bis zu deutschen Streifen wie „Lammbock“, handeln von Männerfreundschaften ebenso wie vom Einrauchen. Frauen spielen in der vernebelten Buddywelt höchstens Nebenrollen als unerreichbare Sexobjekte.

"Smiley Face" Filmstill / Anna Faris

Koch Films

Anna Faris in „Smiley Face“

Eine große und besonders lustige Ausnahme bildet der Film „Smiley Face“ mit Anna Faris, durchaus ein Geheimtipp. Der Indie-Postpunk-Regisseur Gregg Araki, der hier einen Ausflug in den Mainstream wagt, gibt der superen US-Komödiantin vollste Freiheiten. Faris läuft zu mimischer Höchstform auf, gerade weil der vage skizzierte Plot so viel offen lässt. Da ist nur die Erzählung von einer dauerbekifften Schauspiel-Schülerin, die eines Tages zu viel erwischt. Der irrwitzige Irrweg der Protagonistin durch L.A. erinnert fast an eine bedröhnte weibliche Version von Franz Kafka im Klamauk-Modus.

Stoner-Bromance Deluxxe: “Pineapple Express”, 2008

Mit David Gordon Green ist das so eine Sache. Nach seiner furchtbaren „Halloween“-Trilogie und noch bevor er das „Exorcist“-Franchise für die Fans ruiniert, sollte man sich an die besten Zeiten des US-Regisseurs erinnern. Als er, fernab vom Horrorgenre, noch wunderbar poetische Südstaaten-Dramen und herrlich entgrenzte Komödien drehte.

Dabei zeigt der Spitzenfilm “Pineapple Express”, entstanden mitten in einer Humor-Hochblüte-Ära, noch eine weitere Stärke von Mr. Green. Er ist auch ein formidabler und sehr analoger Action-Regisseur, bei jedem jeder Auto-Zusammenstoß und jede Kugel schmerzen. Das abstruse Abenteuer, in das er Seth Rogen und James Franco als Stoner-Kumpels schickt, birgt fast verstörende Gewaltmomente. Und danach Augenblicke beinahe queerer Idylle.

Danny McBrides grandioser Auftritt als befreundeter Dealer symbolisiert die harte und zarte Gegensätzlichkeit des Films geradezu. „Pineapple Express“ ist eben vor allem auch eine Stoner-Bromance Deluxxe. Falls das Genre trotz aktueller Hanf-Legalisierungen überlebt: Besser wird Kiffer-Kino wohl kaum mehr werden.

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