FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Foto von Bex beim Waves Festival

Hannah Toegel

Bex gewinnt den XA Export Award beim Waves Festival

Eine Handvoll Highlights vom Waves Vienna Festival 2023: Bex, Chalk, Ada Oda, Güner Künier, Willow Parlo.

Von Katharina Seidler

Da steht sie und strahlt: Der XA Export Award ist vergeben, gewonnen hat ihn dieses Jahr Rap-Superstar-to-be Bex, das ist würdig und recht. Die Fachjury, bestehend aus internationalen Delegates aus dem Musikbusiness, die in Wien beim Waves Festival nach neuen Talenten scouten, hat richtig erkannt, dass Bex in Sachen Flow, in Sachen Bühnenpräsenz, Performance und Charisma in einer eigenen Liga spielt.

Das hat sie nicht nur am Waves-Freitag im Loft bewiesen, sondern unlängst auch am Popfest auf der großen Seebühne, nur wenige Jahre nach ihren ersten musikalischen Gehversuchen: „Making music came to me“, erzählt sie im Sieges-Interview, und sie nennt damit den besten Grund überhaupt für den Sprung hinein in ein Leben im Namen der Kunst. Die kommt nicht vom Können und vielleicht nicht einmal vom Wollen, sie kommt vom Müssen. Bei der Zeremonie in der alten WU überreicht Vorjahres-Gewinnerin Farce Bex mit großem Grinsen den Award, der mit einer finanziellen Tour-Förderung und Export-Hilfe beim internationalen Durchbruch einhergeht.

Foto von Bex bei der XA-Awardverleihung am Waves Festival

Alexander Galler

Shiny happy people: Farce, Franz Hergovich vom Austrian Music Export, Bex und Thomas Heher, Gründer des Waves Festivals

Darauf ein Sekt, und einmal mehr geht es los in Richtung Gürtel. Das Gewusel in den Gastgärten im Gürtel-Verkehrslärm, das Ausweichen am Fahrradstreifen, das Anstellen an den Bars von rhiz, Chelsea, Kramladen & Co, die Dosenbiere vom Würstelstand dazwischen, all das gehört in Wien zur Sozialisierung beim Ausgehen, in Wahrheit: zum Aufwachsen dazu. Wer hier hat zwischen 18 und 28 nicht mindestens einmal in einem der Gürtelbögen mit hochgerissenen Händen gebrüllt: „I miss the brightside“?

Die soziokulturelle Geschichte in diesen Gemäuern spürt man, das sagen ausnahmslos alle Musikerinnen und Musiker, denen wir am diesjährigen Waves zwischen Soundcheck und Artist Catering unser FM4 Mikro zum Interview unter die Nase halten. Hier stehen gekritzelte Namen auf allen Ziegeln, hier erlebt man im schwitzigen, überschaubaren Rahmen Konzerte, von denen noch viele Jahre später gesprochen wird. Und ja, hier starten Karrieren. Insofern ist es nur allzu passend, dass das Showcase Festival Waves im zweiten Jahr der Umbaupause seiner sonstigen Homebase Wuk wieder hier am Gürtel Station macht.

Ein kurzer Blick zurück zu den Anfängen des Waves, das 2011 von Beginn an als megalomanisches Projekt von Thomas Heher und seinem Team ins Leben gerufen wurde. Vom Flex zogen sich die Venuemeile damals über die Praterstraße in Richtung Fluc, später bespielte das Festival einzelne Lokale der Wiener Innenstadt, errichtete Partyzelte im Prater, mietete die Fläche des Wiener Eislaufvereins oder organisierte Bootsfahrten zum kurzzeitigen Schwesternfestival in Bratislava.

Foto von Chalk beim Waves Festival

Maria Viola Kaufmann

Abriss bei Chalk im Chelsea

Naturgemäß gingen nicht alle dieser waghalsigen Ideen auf. Während früher noch einige Headliner vom Kaliber Soap&Skin oder Gang of Four die Besucher:innenmassen anzogen - man munkelt auch von einem beinahe leibhaftig stattgefundenen Waves-Gig von Charli XCX, dem aber ihr plötzlicher Weltruhm zuvor kam - spielten kleinere Acts und Newcomer nicht selten vor einer buchstäblichen Handvoll Menschen, Tontechniker und Bar-Staff mitgerechnet, in schwer erreichbaren Locations irgendwo am Schwarzenbergplatz oder in einem Keller hinterm Stephansdom. Das Festival hat dazu gelernt, die „Branche“ hat auch international seinen Ruf gehört, und vor allem seit seinem Umzug ins Wuk 2016, das sich als ideale Networking-Spielwiese und Partyhopping-Location erwies, ist das Waves im Festivalherbst vieler Musiktrüffelsucher ein Fixpunkt. Es gibt so einige, die sich durch alle 100 Artists aus dem Lineup durchhorchen und ihre Wege zwischen 1170 und 1160 minutiös planen. Ein Hoch auf die Dedication!

Zu entdecken gab es auch in diesem Jahr wieder vieles, und wie üblich stolpert man dazwischen auch in zahlreiche für den eigenen Geschmack entbehrliche Konzerte. Unter den Highlights war am Waves Abschlusstag dieses Jahr etwa das Set der deutschen Musikerin Willow Parlo, deren atmosphärischer, dichter Dreampop in großen Wellen durch das bereits frühabends gut gefüllte Fanialive schwappt. Ihre hymnischen Songs, gesungen mit dem schönsten Schmelz in der Stimme des ganzen Wochenendes, scheinen für Willow Parlo die völlig natürliche Form des Ausdrucks zu sein, unprätentiöser geht es kaum. Making music came to her.

In Sachen Performance das pure Gegenteil, stellenweise etwas gar ausdrucksstark, trieben am Vorabend die nordirischen Noiserocker Chalk dem prallgefüllten Chelsea die Geister aus. Der stoische Beat des bisher erschienenen schlanken Werks dieses Trios - es gibt bislang eine einzige Chalk-EP - zieht seinen Drive aus den Erinnerungen an durchtanzte Technonächte (sagen wir, zu Underworld oder gar The Prodigy?). Ebenso wie ihre unüberhörbaren großen Vorbilder Gilla Band peitschen Chalk im 4/4-Takt kompromisslos nach vorne, treiben die Spannung nach dem Sustain- und Release-Prinzip nach oben, bis eine Noise-Eruption den Saal erlöst. Musikalisch und technisch spielen Chalk, die ihre Messer im Proberaum während der Pandemie ausgiebig wetzen konnten, bereits ganz vorne in der Liga anderer irischer Noiserock-Helden mit, auch wenn ihr Waves-Gig, wie sie im Gespräch zuvor berichten, erst ihr 15. Konzert überhaupt ist: „Cause I’ve been searching, Searching for something to do, Just to keep myself right.“

Foto von Ada Oda beim Waves Festival

Hannah Toegel

Ada Oda

Noch einen Tag zurück hin zum Waves-Donnerstag, der einem nach drei intensiven Festivaltagen bereits eine halbe Ewigkeit entfernt scheint. Kryptische T9-Notizen am Handy und der Mangel an verwackelten Handyfotos sind immer ein Zeichen dafür, dass der Abend gut war. Keine Zeit zum Bildermachen. Im B72 etwa spielten die belgisch-italienischen Indiepopper Ada Oda ein glücklichmachendes Konzert voll kleiner Hits, die mit ihrer guten Laune und der gerade perfekten Portion Trotzigkeit in der Stimme von Frontfrau Victoria Barracato alles erfüllen, was man sich von einem lieben, sympathischen, zart punky Indiekonzert wünscht.

Foto von Guener Kunier beim Waves Festival

Maria Viola Kaufmann

Güner Künier

Ähnliches gilt, wenngleich soundästhetisch Lichtjahre entfernt, für die wirklich umwerfende Berlinerin Güner Künier, die das rhiz am selben Abend ins die No-Wave-Zeit Ende der Siebziger Jahre zurück katapultiert. Der minimalistische Lo-Fi-Synthpunk ihres großartigen Debütalbums „Aşk“ wird in der Liveversion an Gitarre, Keys und Klangkasteln nochmals ein Stück mehr reduziert. Im Alleingang spielt Güner Künier als coolste Socke des Festivals den entkerntesten Rock’n’Roll der Welt, inklusive einer sehr passenden Can-Coverversion: „She brings the rain, it feels like spring.“ Die letzten Sommernächte des Jahres waren am Waves immer schon gut aufgehoben.

Aktuell: