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Screenshot aus dem Computerspiel "Chants of Sennaar"

Rundisc / Focus Entertainment

Game

Im gewaltfreien „Chants of Sennaar“ erspielen wir Sprachen

Als neugieriger Reisende:r erkunden wir eine hübsche, Labyrinth-artige Welt innerhalb einer Variation des Turm von Babel. Dort ist es unser Ziel, die Sprachen der verschiedenen Völker zu entschlüsseln und damit wechselseitige Begegnung zu ermöglichen.

Von Robert Glashüttner

Kommunikation durch Sprache öffnet Türen zu anderen Menschen, Kulturen und Welten. Sie kann ebenso verbinden und Empathie stärken wie auch entzweien und hinters Licht führen. In jedem Fall aber erweitert die Kenntnis neuer Sprachen den eigenen Horizont und deckt für einen selbst Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen, Ländern und Völkern auf.

In unserem Leben ist das Lernen von Fremdsprachen ebenso alltäglich wie herausfordernd. Nicht jede Person ist ein Sprachentalent und viele tun sich schwer mit der ungewöhnlichen Mischung aus diszipliniertem Lernen (Grammatik, Phrasen, u.s.w.) einerseits und spielerisch-experimentellem Aneignen (möglichst viel Sehen, Lesen, Drauflosreden) andererseits. Definitiv spielerisch ist auch ein neues linguistisch geprägtes Game, das allerdings so gar nichts mit herkömmlichen Übersetzungstools und Sprach-Apps zu tun hat.

Screenshot aus dem Computerspiel "Chants of Sennaar"

Rundisc / Focus Entertainment

Sprachbau zu Babel

Wir gelangen in „Chants of Sennaar“ als Reisende:r an den Fuß eines riesigen antiken Turms, der uns mit hohen Wänden, langen Gängen, mächtigen Arkaden und antiken Toren zum Staunen bringt. Bald schon treffen wir auf andere Menschen, entweder so wie wir in Kutten gehüllt oder auch mit beeindruckenden Head-Pieces und manchmal auch mit unangenehm aussehenden Schwertern ausgestattet. Noch kennen wir weder die Rollen dieser Figuren noch verstehen wir ihre ikonischen Schriftzeichen. Doch das ändert sich bald, nachdem wir die Straßen, Plätze und Gebäude mit ihren Schildern besser studiert und mit den Leuten hier gesprochen haben.

„Chants of Sennaar“ ist ein linguistisches Puzzlespiel, in dem wir - wie in einem klassischen Point&Click-Adventure - alle verfügbaren Schauplatze gut studieren und möglichst viele Informationen sammeln. Diese Recherchen werden dann automatisch in unser Notizbuch geschrieben: also die Glyphen wie auch etwa diverse Schriftstücke. Nach und nach bekommen wir eine Idee davon, was das eine oder das andere Zeichen bedeuten könnte. Wir tippen unsere Vermutung ins Spiel ein und fortan übersetzt das Game grob all das, was wir glauben zu verstehen. Je mehr wir erforschen, desto öfter gibt es auch die Möglichkeit, bestimmte Schriftzeichen bestimmten Bildern zuzuordnen. Wenn wir auf diese Weise etwa die Glyphen für „Tür“, „Schlüssel“, „nicht“ und „Krieger“ richtig zuordnen, werden sie anschließend fortan korrekt freigeschaltet.

Screenshot aus dem Computerspiel "Chants of Sennaar"

Rundisc / Focus Entertainment

Schalt- und Drehrätsel

„Chants of Sennaar“, entwickelt vom Zwei-Personen-Team Rundisc aus Frankreich, ist im Vertrieb von Focus Entertainment für Windows, PS4+5, Xbox One+Series und Switch erschienen.

Die großartigen Sprachrätsel sind mit der Welt verwebt, sprich: Es genügt nicht, nach Hinweisen zu suchen und dann die Schriftzeichen zu übersetzen, sondern wir müssen auch beweisen, dass wir Zusammenhänge verstehen. So öffnen sich etwa Türen oder finden sich Schlüssel nur dann, wenn wir aufmerksam sind und Gesten und Sätze richtig deuten. Hat man die richtigen Verbindungen hergestellt und sich am korrekten Ort die nötigen Informationen geholt, sind die entsprechenden Schalt- und Drehrätsel selbst dann meist keine große Hürde mehr. Stealth-Elemente gibt es manchmal auch, wo wir uns meist vor diversen Wachen verstecken oder uns an ihnen vorbeischleichen müssen.

Auf jeder Ebene in diesem individuellen Turm von Babel wird eine eigene Sprache gesprochen. Haben wir alle Glyphen der ersten Ebene freigeschaltet, kommen wir eine Stufe höher und müssen unsere Sprachlerntechniken ein weiteres Mal auspacken. Das bisher Gelernte ist aber auch dann noch brauchbar - etwa, wenn wir auf Übersetzungen zweier Sprachen stoßen oder Hinweise haben, dass es Schnittstellen oder Ähnlichkeiten zwischen der einen und der anderen Sprache gibt.

Screenshot aus dem Computerspiel "Chants of Sennaar"

Rundisc / Focus Entertainment

Originelles Puzzlen mit Sprache in tollem Look

„Chants of Sennaar“ ist ein äußerst kluges, motivierendes und auch schickes Rätselspiel, das nicht überfordert, aber auch alles andere als trivial ist. Vor allem die eigenen Vermutungen, die nötig sind, um sich vorwärts zu hanteln, machen dieses Game besonders. Die Spieleentwickler:innen empfehlen auch - so wie es bei Computerspielen vor 30-40 Jahren üblich war - Bleistift und Papier neben Computer oder Konsole zu legen und sich Aufzeichnungen zu machen. Es ist in mancherlei Hinsicht wie beim wirklichen Sprachenlernen: Je mehr und je öfter man imitiert, desto besser geht es in Fleisch und Blut über. Eine der ersten Erkenntnisse im Spiel ist, dass es Schriftzeichen-Typen gibt - so sind die Glyphen für Gebäude etwa immer mit einer Art Rahmen versehen.

Dieses Spiel ist eine der bemerkenswertesten Überraschungen des diesjährigen Indiegame-Jahres und ein Muss für alle, die schon das großartige archäologische Sprachenspiel „Heaven’s Vault“ aus 2019 (FM4 hat berichtet) geschätzt haben.

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