FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Roisin Murphy

Ninja Tune / Nik Pate

Róisín Murphy mit neuem Album und einer Kontroverse

Viel Lob und gute Chart-Platzierungen gibt es für ihr neues Album „Hit Parade“. Es läuft richtig gut für Róisín - wenn da nur nicht diese Sache mit dem Posting wäre.

von Eva Umbauer

Als eine Hälfte vom englischen Electronic-Duo Moloko lief die gebürtige Irin Róisín Murphy seit den 1990er zur Höchstform auf, schwang sich schließlich frei von Moloko-Gründer Mark Brydon, mit dem sie nicht nur eine berufliche Beziehung verband, und erschuf fortan Platten unter ihrem eigenen Namen.

Die neueste, „Hit Parade“, bringt uns wieder zum Popstar Róisín Murphy zurück, nicht nur wegen des Albumtitels. Róisín kann Pop, und auf Platz Zwei der britischen Albumcharts ist sie mit „Hit Parade“ auch, von der Spitze nur ferngehalten von Olivia Rodrigo. Es läuft also richtig gut für Róisín - wenn da nur nicht diese Sache mit dem Posting wäre.

Vor wenigen Wochen postete Róisín Murphy auf Facebook: „Puberty blockers are f*, absolutely desolate, big pharma laughing all the way to the bank. Little mixed-up kids are vulnerable and need to be protected, that’s just true. Please don’t call me a terf, please don’t keep using that word against women.“

Neben verschiedenen anderen medizinischen Anwendungen werden Pubertätsblocker auch Transgender-Kindern/Jugendlichen verschrieben, mit dem Ziel, das Einsetzen der Pubertät hinauszuzögern und ihnen so mehr Zeit zu geben, ihre Identität zu finden.

„Hit Parade“ war, zumindest in Großbritannien, eines der Alben, auf die schon mit richtig großer Spannung gewartet wurde, seit der Release der Platte angekündigt worden war. Fertig ist die Platte schon seit einer Weile. Kurz vor der geplanten Veröffentlichung hatte sich Róisín mit ihrem Sager über die „kleinen Kids, die durcheinander sind“ und die vor der Pharmaindustrie, die mit ihnen viel Geld machen will in dem sie ihnen Pubertätshemmer verabreicht, beschützt werden müssten, mehr als nur ein wenig in die Nesseln gesetzt

Róisín Murphy entschuldigte sich später via Twitter (oder X?) für ihr Posting, indem sie unter anderem erklärte, halt besorgt gewesen zu sein, dass diese „puberty blockers“ Schaden anrichten könnten. Aber da war der Schaden schon angerichtet.

Ninja Tune, das Plattenlabel, bei dem Róisín Murphy nun zuhause ist, stoppte alle Promo-Aktivitäten und sagte auch die beiden Auftritte in London ab, die zur Albumveröffentlichung gebucht waren. Zwischendurch hieß es, Ninja Tune würde alle Einnahmen von „Hit Parade“ an Organisationen spenden, die sich gegen Transphobie engagieren, dies bestritt Róisín Murphy aber später, und Ninja Tune äußert sich dazu nicht.

Manche Journalist:innen bekamen das neue Album von Róisín Murphy zum Vorabhören schon vor über einem halben Jahr, so etwa auch eine Journalistin der britischen Zeitung Guardian, die, wie sie in einem Artikel mit dem Titel „Hit Parade review - a masterful album, with an ugly stain“ schreibt, die Platte rauf und runter hörte und gar nicht mehr genug bekommen konnte von dieser Wundertüte, die „Hit Parade“ ist, sich nun aber nicht mehr daran erfreuen könne. Ein Thema auf der Platte wäre nämlich, wie wunderbar es ist, der Mensch sein zu können, der man tief im Inneren ist, sich nicht verstecken oder verleugnen zu müssen. Aber genau das, so meint sie, scheint Róisín Murphy jungen Transgender Personen nicht zugestehen zu wollen.

„Hit Parade“ erscheint drei Jahre nach dem letzten Róisín-Album, „Róisín Machine“, insgesamt entstand es aber über einen längeren Zeitraum hinweg, nämlich über sechs Jahre. Ihr „partner in crime“ bei „Hit Parade“ ist der deutsche Musiker/Producer DJ Koze. Der Techno/House/Hip-Hop-Könner und Róisín Murphy kennen einander schon länger. Sie sang vor sechs Jahren auf seinem Album „Knock Knock“ und man blieb in Verbindung. Stefan Kozalla aka DJ Koze, bezeichnet Róisín Murphy als „Freigeist“, mit dem es sich gut austauschen lässt über allerlei Popkulturelles.

Die Zusammenarbeit für „Hit Parade“ verlief long distance - sie in London, er in Hamburg, ohne direkte Nähe, um einander nicht zu viel zu beeinflussen. DJ Koze erhielt von Róisín Murphy dabei die ausdrückliche Erlaubnis, mit ihren Ideen zu tun, was immer er für gut befinde. Nur als er Ideen wegwerfen wollte, auch welche von ihm selbst, da schritt sie ein. In den Mistkübel sollte nun wirklich nichts.

Roisin Murphy - "Hit Parade"

Ninja Tune

„Hit Parade“ von Róisín Murphy ist bei Ninja Tune erschienen.

„That old magic is back“, singt Róisín Murphy auf „CooCool“. Der alte Zauber ist zurück. Fast fühlt sich die inzwischen 50-jährige Róisín Murphy wie damals in den 90ern, als sie das erste Moloko-Album machte, jenes mit dem frechen Titel „Do You Like My Tight Sweater?“. Auf dem durchaus von ihrer eigenen Biografie inspirierten „Hit Parade“ ist aber auch von Krankheit und Tod die Rede. Damit alles nicht zu schwer wiegt, gibt es lustige Einsprengsel zwischen den einzelnen Tracks, die es aber eigentlich gar nicht brauchen würde, denn man will sowie sofort weiter zum nächsten Song.

„Hit Parade“ ist ziemlich verspielt, oder besser: wild, weird und exzentrisch, Róisín Murphy eben. Dub-Techno trifft auf Country-Soul, dunkle synthetische Instrumente auf warmherzige, echte Gitarren. Da gibt es Orchestrales, Disco-Grooves, Jazz-Funk, Pop, oder auch Gospeliges. Das könnte einem insgesamt eventuell zuviel Fleckerl-Teppich sein, aber wenn man sich darauf einlässt, hat das durchaus etwas, wie Róisín und Koze das alles zusammenhalten - nicht zuletzt Róisín mit ihrer Stimme und Persönlichkeit.

„Hit Parade“ ist ein zweiter Frühling für die Ex-Moloko-Sängerin. Róisín Murphy, Queen of Electronic Music. Wenn nur diese Sache mit dem Posting nicht wäre...

mehr Musik:

Aktuell: