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Die Singer-Songwriterin Mitski

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„The Land Is Inhospitable And So Are We“ ist Mitskis Western-Album

Was macht man als Künstler:in an der Spitze des kommerziellen Erfolgs? Weitere TikTok-Hits schreiben? Mitski macht auf ihrem neuen Album „The Land Is Inhospitable And So Are We“ lieber Cowboy-Musik und das ist gut so.

Von Michaela Pichler

Es gibt Musik, die zaubert dir die schönsten Bilder in den Kopf. Die japanisch-US-amerikanische Singer-Songwriterin Mitski ist Meisterin in dieser Disziplin. Da gibt es zum Beispiel den Song „Washing Machine Heart“ - einer von ihren bekanntesten Songs, mittlerweile auf Spotify mit einer halben Milliarde Klicks. Mitski stellt sich das geschundene Herz als Waschmaschine vor, in die man eine neue Person einlädt, eine mit dreckigen Schuhen, die im Schleudergang des Kennenlernens herumgewirbelt werden. Am Ende des Waschgangs hat der Motor einen Systemfehler, die Schuhe kommen aber strahlend-weiß wieder heraus und rennen gleich weiter zum nächsten Liebesabenteuer. Autsch.

Songs übers Leiden und die Liebe, vor allem aber Songs über die Einsamkeit: Mitski macht es mit diesem Songwriting ihren Zuhörer:innen einfach, eine Empathie-Fläche zu bieten, Musik kann eben immer noch eine der besten Identifikationsfiguren liefern. Vielleicht ist das ein Grund, warum die Künstlerin in den letzten Jahren so viel Fan-Zuwachs über Social Medias wie TikTok gewonnen hat. Allein im letzten Jahr hat Mitski 2,5 Millionen Videos auf der Plattform musikalisch untermalt.

Mitski ist auch nur ein ahnungsloser Millenial

„Nobody“ ist einer von Mitskis Songs, die in den letzten Jahren auf TikTok viral gegangen sind. Das sind Lieder, die teilweise schon vor einem Jahrzehnt erschienen sind und jetzt von einer neuen Generation an Indie-Kids entdeckt werden. So ganz verstehen kann die japanisch-amerikanische Singer-Songwriterin den Hype selber nicht, wie Mitski letztes Jahr gegenüber dem britischen Magazin Dazed erzählt hat: "I guess I’m just a clueless millennial! I mean, I really, really appreciate your use of my music, but I don’t understand why there was a trend of people running away from the camera while my song „Nobody" is playing. I don’t understand what everyone’s running away from!? I don’t think the song is that scary.“

Mittlerweile werden alle Mitski-Kanäle von einem Social Media Manager betreut. Vor 2019 war Mitski selbst eigentlich ziemlich aktiv auf Social Media. Ihre Tweets haben damals immer wieder Kultstatus erreicht, mit ihrem klugen Humor, den sie auch gerne in ihren Songs einstreut. Doch nach ihrem bisher erfolgreichsten Album „Be The Cowboy“ war Mitski einfach gesagt überwältigt und irgendwann auch überfordert. Sie zieht sich nicht nur von diversen Kanälen zurück, sondern macht auch von der Musik auf unbestimmte Zeit eine Pause.

Das Albumcover zu "The Land Is Inhospitable And So Are We" von Mitski

Mitski / Dead Oceans

„The Land Is Inhospitable And So Are We“ ist Mitskis siebentes Album und am Freitag, den 15. September 2023, via Dead Oceans erschienen.

Endlich Cowboy!

Bis sie letztes Jahr dann ihre Disco-Pop-Platte „Laurel Hell“ veröffentlicht hat - mit einem Synthie-Sound wie für TikTok gemacht. Was Mitski allerdings jetzt abliefert, ist eine klare Abkehr davon: Ihr siebentes Album „The Land Is Inhospitable And So Are We“ klingt nämlich ganz anders.

Vielleicht feiert Mitski ihren Release mit einem neuen Paar Stiefeln, spuckt ab jetzt in einen Eimer und geht breitbeiniger durchs Leben als noch vor der Veröffentlichung. Mitskis siebentes Album ist ihre bisher amerikanischste Platte. Aufgenommen zwischen Los Angeles und Nashville (wo sonst?), hat der Indie-Star sich erstmals mit einer Band im Studio zusammen getan und die wüstenhaften elf Songs gemeinsam live eingespielt. Als Producer war wieder einmal Mitskis Langzeit-Kumpane Patrick Hyland am Werkeln, gemeinsam verfolgen die beiden schon seit 2013 eine gemeinsame Idee von herausstechendem Indie.

Einer der neuen Songs ist der Opener „Bug Like An Angel“, wieder so ein bestes Beispiel fürs Bilder-Schaffen: „There’s a bug like an angel stuck to the bottom / Of my glass, with a little bit left / As I got older, I learned I’m a drinker / Sometimes a drink feels like family“. Und damit das letzte Wort noch einmal so richtig in der Magengrube zwickt, hat sich Mitski an dieser Stelle einen großen Chor ins Studio gestellt, der einmal mehr das Wort „family“ ausreizt. Mitski meint dazu in einem Presse-Interview: „That’s the first big jump scare. And, you know, I love jump scares in my songs!“ Klangliche Schreckmomente, die einem im nächsten Moment aber genauso gut wieder auffangen zwischen schweren Textzeilen. Mitski streut solche Elemente in ihre Songs ein wie kleine Überraschungseier. „I think that’s the real fun about songwriting.“

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Mit einem Orchester und epischen Chorpassagen macht sich Mitski auf ihrem neuen Album einen Spaß. Teilweise klingt das sogar nach Country. Vielleicht möchte Mitski damit endlich ihr Sad Girl Image ablegen, für das sie unfreiwillig im Internet so gefeiert wird. Und stattdessen zum lonely Cowboy mutieren, mit dem sie immer wieder als Metapher für Freiheit und Selbstbestimmung gespielt hat. Schon vor fünf Jahren, als „Be The Cowboy“ ein Album über weibliche Ermächtigung geworden ist, hat sie das Bild des weißen, rücksichtslosen Einzelgängers hergenommen und für sich zurechtgebogen. Denn die Arroganz, die dieser überaus US-amerikanische Charakter darstellt, sei genau das Gegenteil dessen, was von einer asiatischen Frau erwartet wird. „I walk into a room and feel like I have to apologize for existing.“ Das ist ein wichtiger Satz von vielen, die Mitski in Interviews als Erklärung für ihre eigene Faszination zum Cowboy-Mythos geliefert hat.

Heute setzt sie sich den Cowboy-Hut selbst auf, untermalt ihre traurigen Geschichten von den kleinen und großen Stolpermomenten im Leben mit Fidel und schreibt dann auch noch über die universelle Liebe. Die immer schon der ganzen Musikmaschinerie kritisch eingestellte Mitski glaubt natürlich auch nicht ans Materielle. Als sie an dem neuen Album geschrieben hat, kam der Wahl-New-Yorkerin eine kleine Epiphanie: „I was thinking about what do I have that’s really acutally mine that can’t be taken away and I know this is corny but I was really thinking – it’s this love I feel in me, that I’ve created in me, that I’ve built in me, that I’ve held onto and it’s mine as long as I want it, as long as I give it up or let the world take it away from me.“ Was für ein Glück wir als Mitski-Fans haben, dass sie das in ihre Musik packt und uns dadurch daran teilhaben lässt.

Ein FM4 Musikpodcast über Mitski

Anlässlich ihres neuen Albums sprechen FM4s Christoph Sepin und Michaela Pichler über Mitski als TikTok-Phänomen, über das gute Weh in ihrer Musik, Cowboy-Beef und ihre originäre Ästhetik. Jetzt im FM4 Player oder als Extended Version überall, wo es Podcasts gibt.

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