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Werner Kogler und Karoline Edtstadtler

APA/MAX SLOVENCIK

Regierung lüftet das Geheimnis um die Abschaffung des Amtsgeheimnisses

Der lang erwartete Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz wurde vorgestellt. Ein revolutionärer Paradigmenwechsel sagt die Regierung. Kritiker:innen sehen das nicht ganz so.

Von Ali Cem Deniz

„Byebye Amtsgeheimnis, welcome Infofreiheit“ sagt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Ende seiner Rede, die bis zur Zeit von Metternich geführt hat, um noch mal deutlich zu machen, wie historisch das Informationsfreiheitsgesetz ist - zumindest aus der Perspektive der Regierung. Passenderweise war auch, abgesehen von einem Leak des Entwurfs, bis zum letzten Moment der Entwurf nicht bekannt.

„Historischer Paradigmenwechsel“

Appropos Leak: von denen gab es ja in letzter Zeit besonders viele. Wenn das Informationsfreiheitsgesetz hält, was es verspricht, wird es in Zukunft die vielen Leaks vielleicht gar nicht mehr brauchen. Denn ein großer Teil der Informationen, die die Allgemeinheit betreffen, sollen dann für alle zugänglich sein.

Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadtler (ÖVP) spart nicht mit Superlativen und spricht von einem historischen Paradigmenwechsel. „Transparenz wird in Zukunft die Regel sein. Die Geheimhaltung die Ausnahme.“

Die türkis-grüne Regierung will mit dem neuen Gesetz nicht zuletzt auch Einheit präsentieren. Werner Kogler spricht liebevoll von der „Karo“, die mit ihm den Entwurf entwickelt habe. Edstadtler dankt dem „kongenialen“ Kogler für die gute Zusammenarbeit.

Alle Infos auf einer Plattform

Verwaltungsorgane, Gerichte, der Nationalrat, der Rechnungshof oder die Volksanwaltschaft müssen dem Entwurf zufolge proaktiv Informationen veröffentlichen. Etwa zu Studien, Gutachten, Umfragen. Kurz gesagt: zu allen Dingen, die Steuergeld kosten und die Allgemeinheit betreffen.

Auch Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes unterliegen, müssen der Informationspflicht nachkommen.

Proaktiv bedeutet in diesem Fall, dass die Daten auf der bereits bestehenden Plattform data.gv.at für alle Bürger:innen einsehbar veröffentlicht werden müssen. Allerdings gibt es einige Ausnahmen. Wenn es etwa um nationale Sicherheit, Datenschutz oder sensible persönliche Informationen geht. Auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen darf durch Auskunft nicht beeinträchtigt werden. Außerdem gibt es nicht ganz unumstrittene Ausnahmen für Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohner:innen.

Andere Regeln für kleine Gemeinden

Für kleine Gemeinden gilt die proaktive Informationspflicht nicht. Sie müssen nicht von sich aus informieren, allerdings gilt auch für sie, so wie für alle anderen Organe, die passive Informationspflicht. Bei direkten Anfragen müssen auch sie innerhalb von vier Wochen antworten.

Vor allem diese Ausnahme hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt. In den geleakten Entwürfen war noch die Rede von Gemeinden mit 10.000 Einwohner:innen. Die ÖVP wolle die kleinen Gemeinden, wo sie besonders stark ist, von dem Gesetz ausnehmen, hieß es daraufhin von Beobachter:innen.

Die Regierung hingegen argumentiert mit dem hohen Verwaltungsaufwand und den fehlenden Ressourcen in kleinen Gemeinden, die häufig keine eigenen Jurist:innen haben, die sie bei der Freigabe von Informationen unterstützen können, so Verfassungsministerin Edtstadtler. Jedenfalls gilt auch in den kleinen Gemeinden die passive Informationspflicht.

Kritik an dieser Ausnahme kommt von den NEOS. "Gerade in kleinen Gemeinden haben die Bürgerinnen und Bürger Angst, beim Bürgermeister nachzufragen und ihr Recht auf Information einzufordern, weil sie dann schnell im ganzen Dorf als Querulanten verschrien sind und Nachteile für sich und ihre Familie zu befürchten haben“ heißt es vom stellvertretenden NEOS-Klubobmann Niki Scherak in einer Aussendung.

Keine Ombudsstelle für Informationsfreiheit

Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, findet diese Kritik nachvollziehbar, zeigt sich aber froh, dass eine Kompromisslösung gefunden wurde. „Wichtig ist einmal, dass es überhaupt ein Informationsfreiheitsgesetz gibt und dass das leidige, komplett veraltete Amtsgeheimnis endlich wegkommt. Besser es gibt das große Ganze, als dass man auf jedem Detail draufsitzt“ sagt Kraus.

Aber sie kritisiert, dass es für die Zivilgesellschaft bis zur Vorstellung des Entwurfs nicht möglich war das geplante Gesetz in seinen Details zu untersuchen. Ob also, so wie der Vizekanzler es sagt, tatsächlich 95 Prozent der für die Allgemeinheit relevanten Informationen mit dem Gesetz zugänglich sein werden, wird sich in der Praxis zeigen.

Ein Detail, das auch vom Presseclub Concordia gefordert wurde, fehlt jedenfalls: eine Ombudsstelle für Informationsfreiheit. Die brauche es nicht, sagt die Regierung mit dem Verweis auf die Datenschutzbehörde. Sie soll in Zukunft kleinere Gemeinden bei Anfragen unterstützen. Das sei wahrscheinlich machbar, aber nicht die ideale Lösung, meint Daniela Kraus. „Salopp gesagt, ist es ein bisschen schizophren, dass du auf der einen Seite für den Datenschutz und auf der anderen Seite für die Transparenz zuständig bist.“

Das lange Warten auf das Gesetz

Damit der Entwurf überhaupt zum Gesetz wird, braucht die Regierung eine Zweidrittelmehrheit, also die Unterstützung der SPÖ und FPÖ. Die Blauen wollen das Gesetz in dieser Form nicht annehmen. Die SPÖ wolle erst prüfen und sei offen für Gespräche, teilte SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried per Aussendung mit. Allerdings kritisieren auch die Roten die Ausnahmeregeln für kleine Gemeinden.

Wenn das Gesetz beschlossen wird, soll es noch eine 18-monatige Übergangsphase geben. Informationsfreiheit wird es in Österreich also frühestens 2025 geben.

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