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Szene aus The Exorcist: Believer: zwei weibliche Figuren mit Narben im Gesicht blicken starr in die Kamera

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FILM

„The Exorcist: Believer” beschädigt das ikonische Original

Es gibt Sequels und Prequels, die kann man gelungen finden – oder einfach ignorieren. Wenn sich der Regisseur David Gordon Green aber einer Horror-Franchise nähert, wird es für Fans heikel. Nach seiner „Halloween“-Neudeutung nimmt er sich nun die „Exorzist“-Saga vor.

Von Christian Fuchs

Ein unangenehmer Film. Eklig. Modrig. Finster ohne Ende. Nein, ich meine natürlich nicht „The Exorcist: Believer“, das aktuelle überflüssige Sequel von David Gordon Green. Dazu mehr weiter unten. Die Rede ist vorher vom Original, das auch 40 Jahre nach seiner Premiere wenig von seinem Schrecken verloren hat.

The Exorcist“ (1973) ist mehr als eine simple Stilübung in Sachen Gänsehaut. Mehr als grüner Schleim und herumgedrehte Köpfe. Der kürzlich verstorbene Regisseur William Friedkin fängt das Klima der frühen Siebziger ein, das Ende der Hippie-Utopien, die Zersplitterung des alten Familienmodells, die daraus resultierende Verstörung auf allen Ebenen. Die fantastische Ellen Burstyn leiht diesem Gefühl als alleinerziehende Mutter ihr Gesicht. Dann bricht das Irrationale in diese kaputte Welt hinein, schnappt sich ihre kleine Tochter Regan (die 12-jährige Linda Blair) und aus dem realistischen Zeitdokument wird eine mittelalterliche Höllenfahrt.

Bis es soweit ist, muss man allerdings Geduld haben. Denn „Der Exorzist“ entwickelt sich wunderbar langsam, wie ein klassischer Thriller. Am Anfang wackelt nur das Bett. Aber irgendwann sind Regans Mutter und ihre Umgebung mit etwas konfrontiert, das nicht ins Weltbild der guten alten Schulmedizin passt. Etwas, das da oben im Kinderzimmer hockt und verdammt schlecht gelaunt ist.

Szene aus "The Exorcist": Frau schwebt über Bett

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Die Sequels: Heuschreckenschwärme und Voodoo-Rituale

Mit dem eher überflüssigen Director’s Cut hat New-Hollywood-Legende William Friedkin seinem Meisterwerk später ein wenig von seiner beklemmenden Atmosphäre genommen, sein Kollegen Francis Ford Coppola beging bei „Apocalypse Now“ denselben Fehler. Weil plötzlich ein Hauch zuviel gezeigt wird. Und das ist einer der Kardinalfehler des Horrorfilms, der auch große Regisseure wie Dario Argento plagt. Alles was in der Urversion schon zu sehen ist (ich sage nur: die Szene mit Regan und dem Kruzifix), reicht völlig, um auch heute noch unter die Haut zu gehen.

Ganz anders vom Tonfall her dann die Fortsetzung. „The Exorcist 2: The Heretic“ (1977) setzt vier Jahre nach den grauenhaften Vorfällen an. Linda Blairs Figur wurde zwar vom Beelzebuben befreit (in Wirklichkeit quälte den Teenstar der Dämon des Alkoholismus), leidet aber als 17-Jährige noch immer unter furchtbaren Albträumen.

Nachdem Pater Merrin (der geniale Max von Sydow) beim Exorzieren tödlich verunglückte, versucht Richard Burton (der wahrscheinlich am Set mit Linda so manche Wodkaflasche leerte), die junge Frau vom Bösen zu reinigen. Das endet bald in einem konfusen Szenario, in dem der muffige katholische Schrecken des Erstlings verloren geht.

Trotzdem verdient dieser vielgehasste Film eine Neueinschätzung. Vieles mag ambitioniert und missglückt zugleich wirken, aber Regisseur John Boorman, dem wir 70ies-Meisterwerke wie „Deliverance“ verdanken, gelingen auch wahrlich Gänsehaut erregende Momente. Würde nicht der Stempel eines „Exorzist“-Sequels an „The Heretic“ haften, hätten die Visionen voller Heuschreckenschwärme, die Voodoo-angehauchten Rituale und der fiebrige Grundton wohl Kultpotential.

Szene aus The Exorcist II: Frau mit Metallband um ihre Stirn - im Closeup

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Reflexion über Religion und Serienmord

Ein absoluter Geheimtipp ist schließlich „Exorcist 3: Legion“, der wieder in die Stadt Georgetown und zum Ursprung des Grauens zurückkehrt. William Peter Blatty, der Autor der erfolgreichen Romanvorlage, führt 1990 selbst Regie.

Abgebrühte Splatterfetischisten empfinden den subtilen Grusel dieses Films wohl als langweilig, dabei arbeitet er mit denselben geschickten Schocktaktiken, die damals das japanische Kino auszeichnen: von den Ringu-Streifen bis zu „Dark Water“. Geisteskranke krabbeln im Hintergrund auf der Decke herum, eine Sequenz mit einer Krankenschwester, einem unbekannten Täter und einer riesigen Schwere rangiert in meinen privaten Zähneklapper-Top Ten.

Nebenbei erweist sich „Der Exorzist 3“ als hochintelligente Reflexion über Gewalt, Religion und Serienmord. Von den Dialogen, die sich hier der Teufel im Körper eines Serienkillers (natürlich der einzigartige Brad Dourif) und ein vom Leben enttäuschter Polizist liefern, könnte jede TV-Philosophenrunde nur träumen.

Szene aus Der Exorzist 3: Krankenschwester in dunklem Gang

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Die Prequels: Satan is boring

Einen ebenso bedächtig inszenierten, stockdüsteren und vor allem ernsthaften Film wollte Regisseur Paul Schrader drehen, als man ihn wegen einem weiteren Beitrag zur Exorzisten-Saga anfragte. Ein Film sollte es werden, der die sinistren Abgründe des Katholizismus am Beispiel des jüngeren Pater Merrin erforscht. Am Ende des 2. Weltkrieges muss sich der Pater bei einer archäologischen Reise nach Afrika nicht nur seinen inneren Dämonen stellen, sondern auch Luzifer selbst.

Aber seriöses Horrorkino ist bei den involvierten Produzenten nicht gefragt. Nach der Vorführung des fertigen und zugegeben langatmigen Werks wird Schrader, der Schöpfer von tollen Filmen wie „American Gigolo“ von „Mishima“, der Drehbuchautor von „Taxi Driver“ und „Raging Bull“, sofort gekündigt. Seine Fassung von „Dominion: Prequel to the Exorcist“ verschwindet zunächst im Safe der Produzenten.

Auftritt Renny Harlin. Der einstmalige Spezialist für schnelle Popcorn-Action übernimmt die Produktion und dreht den Film gleich mal komplett neu. Und plötzlich verkehrt sich Paul Schraders Vision ins Gegenteil. „Exorzist: Der Anfang“ (2004) versucht mit hysterischen Mitteln das Furcht erregende Original zu toppen - und wirkt höchstens wie eine unfreiwillige Parodie. Da kann auch der famose Stellan Skarsgård als Lancaster Merrin nichts ausrichten.

„Satan is boring“ hat mal ein alter Song von Sonic Youth geheißen, der perfekt zu diesem Desaster passt. Unfassbar schlechte Spezialeffekte, abgedroschene Schockmomente und dazu noch jede Menge rassistischer Stereotypen: Was zum Teufel ist Renny Harlin bei diesem Film eingefallen? Paul Schraders Version ist leider auch nicht die Erleuchtung, muss man fairerweise sagen.

Szene aus The Exorcist III: Mann mit Schaufel in der Hand auf einem Friedhof

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Der Neustart: Religiöse Avengers gegen das Böse

Beinahe 20 Jahre nach diesem Quatsch sitze ich in einer Pressevorführung zu „The Exorcist: Believer“ und stelle mir mal wieder eine uralte Frage. Kann man als Kirchen-Kritiker:in überhaupt ein Fan dieser Filmreihe sein? Ja, es geht sich aus. Original-Regisseur William Friedkin hat sich zwar selbst als gläubig bezeichnet. Aber sein erzkatholischer Albtraum jagte anno 1973 auch Agnostikern und Atheisten einen gewaltigen Schrecken ein – und schockt dank heute kaum umsetzbarer Tabubrüche mehr denn je.

David Gordon Green, der auf seine Kindheit in den Südstaaten und eine damit verbundene religiöse Prägung verweist, vertraue ich diesbezüglich aber nur bedingt. Bei ihm sind die Karten klar verteilt: Der Fädenzieher hinter dem „Exorzist“-Revival verklärt Gottesfürchtige aller Sparten in seinem Film zu einer Art religiösem Avengers-Team, die gemeinsam gegen das ultimative Böse antreten.

In Greens oberflächlicher Inszenierung, die billige Nostalgie-Knöpfe drückt, geht ein ganz grundsätzlicher Subtext der „Exorcist“-Saga unter. Dass nämlich diese Filme, vor allem das Original, auf die Wurzeln aller Wüsten-Religionen anspielen: Die Furcht der Menschen vor dem Tod und die spezielle Angst von Männern vor erwachender weiblicher Sexualität. Dem intellektuellen Provokateur William Friedkin war diese Lesart natürlich bewusst. Wenn die alten Priester vor dem pubertierenden Kind knien und Linda Blair ihnen (mit fremder Dämonenstimme) Obszönitäten entgegenspuckt, spürt man das sarkastische Lächeln des Regisseurs beinahe.

Szene aus The Exorcist: Believer: zwei Frauen an zwei Stühlen festgebunden

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Unnötige Blickwinkel auf legendäre Storys

„If there is a spiritual world and I can come back“ meinte Mr. Friedkin kurz vor seinem Tod angeblich zu einem Kritiker, „I plan to possess David Gordon Green and make his life a living hell!” Der Altmeister hatte wohl einen Blick auf die “Halloween”-Trilogie seines jüngeren Kollegen geworfen, die eingefleischte Liebhaber:innen der Micheal-Myers-Franchise zum Verzweifeln brachte. Green dreht keine gewöhnlichen Fortsetzungen, seine Filme greifen tief in die DNA der Originalstoffe ein, präsentieren unnötige Blickwinkel auf legendäre Storys – und drohen dabei rückwirkend die Erinnerungen von Millionen zu beschädigen.

Dabei begann der US-Regisseur in den Nullerjahren als Indiepoet, mit gefeierten Südstaaten-Dramen wie „All the Real Girls“ oder „George Washington“. Stoner-Komödien wie „Pineapple Express“ bewiesen danach, dass David Gordon Green auch ein Gespür für absurde Situationen und irrwitzige Action besitzt. Leider entdeckte der Filmemacher noch eine weitere Seite seines Schaffens. Seit dem noch halbwegs vielsprechenden „Halloween“ Reboot anno 2018 verkauft sich Green auch als Horror-Spezialist.

Szene aus The Exorcist: Believer: Mann und Frau im dunkeln

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„The Exorcist: Believer“ beginnt noch vielversprechend, im Rhythmus eines Slow-Burn-Films. Diesmal sind gleich zwei kleine Mädchen aus verschiedenen Umfeldern von einem Dämon besessen. Bevor alle Regler auf 12 gefahren werden setzt Green auf die Bildsprache der 70er, inklusive langsamer bedrohlicher Zooms. Dann bekommen wir alles serviert, was zu einem Exorzisten-Film gehört: herumdrehende Köpfe, gespenstische Stimmen, sublime Botschaften, Schleim, Blut, christliche Predigten, Fanservice pur.

Das alles könnte man noch ignorieren, aber David Gordon Green holt die 90-jährige Ellen Burstyn als Chris MacNeil aus der Versenkung. So schön es ist, diese einmalige Darstellerin wieder auf der großen Leinwand zu sehen, so schmerzhaft wirkt ihr Auftritt in diesem Film. Fazit: Es ist besser diese fatale Fortsetzung zu meiden. Egal ob Atheist, Agnostiker, Gläubiger oder ganz normaler Horrorfan.

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