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"The Killer" Szenenbild aus Film: Mann mit Sonnenbrille schaut gerade in die Kamera

Netflix

FILM

„The Killer“ ist der Anti-John-Wick

Auch wer glaubt, alle Filme zum Thema Auftragsmord zu kennen, wird hier überrascht. David Fincher präsentiert Michael Fassbender als asketischen Soziopathen in einem Thriller mit Realitätserdung.

Von Christian Fuchs

Was wäre das Kino ohne seine Killer? US-Regisseur David Fincher gilt bekanntlich als Spezialist für mörderische Psychopathen, von seinem modernen Klassiker „Se7en“ über fiebrige True-Crime-Thriller wie „Zodiac“ bis zur grandiosen FBI-Serie „Mindhunter“. In ihren gefährlichsten Momenten lassen diese Werke einen Nihilismus aufblitzen, der konventionelle Moral und Ethik mit einem milden Lächeln verachtet.

Das passt zu den spöttischen Voiceover-Monologen, die David Finchers neuen Film dominieren. Michael Fassbender spielt in „The Killer“ einen asketisch lebenden Yoga-Freak, der leidenschaftslos Menschen exekutiert, für fette Geldbeträge, zur melancholischen Kopfhörer-Musik von The Smiths. Danach verschwindet er, als deutscher Durchschnitts-Tourist verkleidet, in der Menge.

Obwohl der Auftragskiller ohne Namen seinen Job minutiös durchführt, passiert ihm ein Missgeschick. Statt dem unbekannten männlichen Opfer erwischt die Kugel in einem Hotelzimmer dessen Domina. Der Killer muss flüchten, seine Auftragsgeber würden ihn lieber tot sehen. Als im Chaos auch die Geliebte von Fassbenders Figur zu Schaden kommt, wird der Gejagte selbst zum Jäger.

Szene aus "The Killer": Mann mit Waffe, man sieht nur die Silhouette

Netflix

Knochenharter Realismus, stylish inszeniert

Schon der schnittige Vorspann, zwischen TV-Serien-Look und Crime-Cinema-Referenzen, macht klar: Nach dem schwarzweißen Old-Hollywood-Biopic „Mank“ ist Fincher wieder in der farbigen Gegenwart angekommen. Wer die Ausleuchtungskunst seiner Filme liebt, kommt alleine ästhetisch auf seine Kosten.

Inhaltlich knüpft die Netflix-Produktion „The Killer“ an die erwähnten düsteren Vorlieben des Regisseurs an, allerdings ohne den Industrial-Touch von Schockern wie „Se7en“. Dabei passt die Story dieses Films im Grunde auf eine Papierserviette. Seit Alain Delon in „Le Samourai“ 1967 als Auftragsmörder durch die Straßen von Paris streifte, hat man ähnliche Geschichten schon in unzähligen Varianten gesehen.

Aber noch nicht in dieser Form. „The Killer“ ist vor allem die Antithese zum überstilisierten, sinnentleerten, operettenhaften John-Wick-Quatsch. Wobei ein Film von David Fincher natürlich immer auch verdammt stylish ist. Aber statt einem Hybrid aus Comic-Kino und Computerspiel bekommen wir einen Thriller, der auf knochenharten Realismus setzt. Die schmerzhaft echteste Actionsequenz des Jahres inbegriffen.

Szene aus "The Killer": Mann mit Handschuhen sitzt im Schneidersitz am Boden

Netflix

Metapher auf die Arbeitswelt

Was den Film so besonders macht, ist, dass sich hinter den Kulissen die Richtigen getroffen haben. Im Regiestuhl sitzt mit Mr. Fincher ein (berüchtigt) akribischer Handwerker, der jeden Take unzählige Male drehen lässt, der auch noch den kleinsten Aspekt seiner Filme überwacht. Vor der Kamera agiert ein Schauspieler, der als durchdachter Kontrollfreak berühmt ist. David Fincher und Michael Fassbender wirken wie ein Dreamteam für diesen Film.

„The Killer“ handelt eben auch von Perfektionismus und stoischem Durchbeißen, fast wirkt der Film wie eine große Metapher auf die neoliberale Arbeitswelt, pingelig geplante Morde inklusive.

Szene aus "The Killer": Frau mit kurzen blonden Haaren

Netflix

Michael Fassbender, zurück von einer langen Auszeit als Vater und Rennfahrer, verkörpert verbissen den Mann, der wie eine Maschine funktioniert, bis Sand ins Getriebe kommt. Die immer lässige Tilda Swinton funkelt in einer Nebenrolle, das Casting überzeugt durchgehend. Nach Ausflügen in den Swingjazz und Soul begeistern Trent Reznor und Atticus Ross wieder mit einem nachtschwarzen Electro-Score. Fazit: „The Killer“ ist ein Krimi des Jahres, auf David Fincher ist Verlass.

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