FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Fatma Aydemir, Enrico Ippolito, Hengameh Yaghoobifarah

Radio FM4 | Zita Bereuter

Delfi. Zeitschrift für neue Literatur

„Wir machen das Literaturmagazin, was wir selbst gerne lesen wollen“, meinen Fatma Aydemir, Enrico Ippolito und Hengameh Yaghoobifarah. Und geben das sehr supere Magazin „Delfi“ heraus.

Von Zita Bereuter

Begonnen hat es mit einer Art Witz bei einem Abendessen. Der Autor Enrico Ippolito unterhält sich mit dem Verleger von Ullstein über Literaturmagazine - v.a. im US-amerikanischem Markt. Enrico meint: „Gibt mir Geld und ich mache dir ein super Literaturmagazin. Alle haben gelacht.“ Später erzählt er das seinen Freund:innen Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah „Und beide waren so: Naja, aber warum nicht?“

Damit trifft sich eine Runde, die mit einer selbstbewussten Lässigkeit die deutschsprachige Gegenwartsliteratur aufgemischt und erweitert hat. Fatma Aydemir mit ihrem Roman „Dschinns“, Hengameh Yaghoobifarah mit „Ministerium der Träume“ und beide haben auch den Sammelband herausgegeben „Eure Heimat ist unser Albtraum“ - darin vertreten ist u.a. Enrico Ippolito - von ihm ist der Roman „Was rot war“. Hinzu kommt die Literaturkritikerin Miryam Schellbach, die mittlerweile im Ullstein Verlag für das Programm von Claasen zuständig ist. Die vier machen jetzt „Delfi“. Und das ist gut so. Denn das Konzept ist ebenso einfach wie überzeugend: „Wir machen das Literaturmagazin, das wir selbst gerne lesen wollen.“

Fatma Aydemir, Enrico Ippolito, Hengameh Yaghoobifarah

Radio FM4 | Zita Bereuter

von links nach rechts: Fatma Aydemir, Enrico Ippolito, Hengameh Yaghoobifarah

Analog ist besser...

In Zeiten, in denen etliche Zeitungen und Magazine – gerade im Kulturbereich - eingestellt werden, ist es umso erfreulicher, wenn neue Magazine auf den Markt kommen. Dass es analog ist, war ihnen wichtig. „Ich finde, dass die Haptik eines Printprodukts immer noch mal eine andere ist als ein eBook oder was Digitales“, meint Hengameh Yaghoobifarah. „Weil Literatur ja auch nicht so ein kleiner Zeitungsartikel ist, den man zwischen Tür und Angel unbedingt liest, sondern für das man sich auch mehr Zeit nimmt.“ Literatur online zu lesen scheint ihr weniger fokussiert. „Also ich kenne das selber von mir. Ich habe so 20 Tabs offen und lese dann keins davon. Wenn ich mir aber so ein Magazin einpacken kann, dann lese ich das viel eher noch mal in der U-Bahn oder wenn ich irgendwo warte oder so.“

Auch Fatma Aydemir sieht in einem Printmagazin die Möglichkeit einer Pause von dem Informationsfluss, den das digitale Lesen mit sich bringt. „Durch das Online sein ist es ein bisschen schwierig, seine Konzentration zu sammeln, um mal ein längeres Gedicht zu lesen oder so, wie wir das jetzt im Heft haben. Und ja, so ein Magazin funktioniert dann einfach anders. Du hast weniger Ablenkungen und es ist so eine andere Art von Vertiefung vielleicht in den Text möglich, als das jetzt auf so einem Bildschirm wäre.“

Von Delphi zu Delfi

Der Titel hat sich aus einem Theaterbesuch von Fatma Aydemir entwickelt. Gespielt wurde eine griechische Tragödie. „Und es gibt in der fast jeder griechischen Tragödie diesen Moment, wo man an das Orakel tritt und um Rat bittet. Und dieses Orakel von Delphi spricht dann einfach so in Versform irgendwas, und die ratsuchende Person muss das dann noch mal selber interpretieren.“ Diesen Interpretationsvorgang vergleicht Fatma Aydemir mit der heutigen Funktionsweise von Literatur. „Wie man eigentlich beim Lesen auch immer so ein bisschen Rat sucht im Text und wir alle aber was ganz Unterschiedliches mitnehmen - aus denselben Texten.“ Als Distanz zum antiken mythologischen Orakel schreiben sie ihr Magazin „Delfi“.

Buchcover "Delfi" mit verschwommener Katze

Ullstein

„Delfi. Magazin für neue Literatur“ herausgegeben von Fatma Aydemir, Enrico Ippolito, Miryam Schellbach und Hengameh Yaghoobifarah.
Erschienen bei Ullstein.

Autor_innen von DELFI #1:
Deniz Utlu, Eileen Myles, Enis Maci, Esther Dischreit, Eva Tepest, Lauren Groff, Maaza Mengiste, Maria Stepanova, McKenzie Wark, Mohamed Mbougar Sarr, Noemi Y. Molitor, Ocean Vuong, Olivia Wenzel, Senthuran Varatharajah

Tempel und die Crying Cat

Im Magazin „Delfi“ versammeln sich Prosa, Lyrik, Essays, Graphic Novels oder auch Reiseberichte – quer durch. Was alle vereint: „Es muss ein literarischer Text sein.“ Und er muss mit dem jeweiligen Thema zusammenhängen. In der ersten Ausgabe ist das „Tempel“. „Wir schreiben im Editorial, dass, wenn das Internet ein Tempel wäre, die Memes die Gaben wären“, erklärt Enrico Ippolito.

Also ist auf dem Cover nicht irgendeine Katze, sondern eine „Crying Cat“ - ein Werk von Laurent Pellissier. „Und das Schöne an diesem Motiv ist, dass es auf den ersten Blick vielleicht eine Art von Cuteness gibt, aber wenn du genauer hinschaust, hat es auch eigentlich was Bedrückendes, fast schon Verängstigendes. Und mit diesem Motiv wollten wir spielen.“

In der ersten Ausgabe finden sich 14 Texte von Olivia Wenzel über Deniz Utlu zu Eva Tepest oder Ocean Vuong. Sie alle haben exklusiv für Delfi geschrieben. Nicht alles ist einfach zu lesen. Aber wie meint Maaza Mengiste in ihrem Interview: „Literatur gibt niemals einfache Antworten.“

In der nächsten Ausgabe in einem halben Jahr sollen dann möglicherweise auch ein Text von jemandem aus dem Team sein. Aber auch für sie gilt wie für alle Autor:innen: man darf nur einmal in Delfi vorkommen. Denn das Delfi soll „eine Bühne, eine Plattform, ein Raum sein, wo man auch irgendwie möglichst viele Autoren teilhaben lassen will“, erklärt Fatma Aydemir. „Ich glaube, wir sind alle auch ganz glücklich über den Umstand, mal die Seite zu wechseln und Texte zu betreuen und zu lektorieren und mit dem Wissen, als Autor:innen sozusagen ins Lektorat zu gehen. Es macht einfach wahnsinnig Spaß. Wir genießen das jetzt einfach.“

mehr Buch:

Aktuell: