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Nahostkonflikt

APA/AFP/Mahmud Hams

OKFM4 Spezial: FAQ zum Nahostkonflikt

Wir haben in OKFM4 mit den ORF Korrespondenten Karim El-Gawhary in Kairo und Nikolaus Wildner in Tel Aviv gesprochen und ihnen eure Fragen zum Nahostkonflikt gestellt.

Am 7. Oktober haben Terroristen der Hamas in Israel 1.200 Menschen ermordet und weitere 240 verschleppt. Seitdem hat Israel den Kriegszustand ausgerufen und tausende Bomben im Gazastreifen abgeworfen. Gaza ist einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt – mehr als 2 Millionen Menschen leben auf einer Fläche, die kleiner als das Stadtgebiet von Wien ist. Das bedeutet, es gibt viele zivile Opfer. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde in Gaza spricht von über 13.000 Toten im Gazastreifen durch die Bomben und die israelische Bodenoffensive. Hunderttausende Menschen sind durch den Krieg aus ihren Wohnungen vertrieben worden.

Emily Busvine und Philipp Emberger haben in OKFM4 mit den ORF Korrespondenten Karim El-Gawhary in Ägypten und Nikolaus Wildner in Israel gesprochen und ihnen eure Fragen gestellt.

Fragen an Karim El-Gawhary & Nikolaus Wildner

FM4: Karim, wir haben ja gerade zu Beginn dieses Krieges von zerstörter Infrastruktur im Gazastreifen gehört. Wie kann man sich denn den Informationszugang für die Zivilbevölkerung vor Ort im Gazastreifen eigentlich vorstellen? Bekommen die Informationen, wann da Bombardements anstehen?

Karim El-Gawhary: Ja, also ich glaube vor allem über ihre Handys. Wenn das Handynetz funktioniert, bekommen sie Informationen. Ich habe auch eine Geschichte gemacht mit einem palästinensischen Kameramann, der eine Familie porträtiert hat, die in einem Zelt saß, in Khan Yunis im Süden und die Familie ist ursprünglich aus dem Norden des Gazastreifens geflohen. Und der Vater, ein älterer Mann, hatte immer noch sein altes Transistorradio dabei und das war für ihn sozusagen die zuverlässigste Quelle, an Informationen heranzukommen.

FM4: What about in Israel, Nikolaus? What is the media landscape like where you are? How is the conflict being covered locally?

Nikolaus Wildner: Das Motto, das zu Anfang in den Medien ausgegeben worden ist, war, dass man diesmal diskreter umgehen soll mit Informationen, die über den Fortschritt der Militäroffensive im Gazastreifen nach außen gelangen. Man muss dazusagen, dass Israel wirklich ein notorisch indiskretes Land ist. Also es gibt vielleicht nur hier den Fall, dass meistens Zeitungen und Medien schon über Inhalte von wirklich geheimen Regierungssitzungen wissen, bevor die überhaupt zu Ende gehen. Und das ist bis zu einem gewissen Grad nicht nur eine lustige Anekdote, sondern auch eine Form, wie Israel Inhalte an Medien kommuniziert. Also es gibt dann meistens so Meldungen, dass aus nicht namentlich genannten, hochrangigen Quellen, bestimmte Informationen nach außen gelangen.

FM4: Information kann ja auch als Waffe eingesetzt werden und uns erreichen ganz viele Fragen dazu. Wenn ich da zu Hause sitze und jeden Tag verschiedene Meldungen aus dem Gazastreifen von der Hamas und von Israel auf der anderen Seite bekomme, wem glaube ich da eigentlich, wenn ich da all diese Meldungen auf mich einprasseln sehe und höre?

Karim El-Gawhary: Ja, ich glaube, das ist wie in jedem Krieg. Man muss jede Information von jeder Kriegspartei mit einer gewissen Skepsis betrachten. Ob das jetzt der israelische Militärsprecher ist oder Informationen, die von der Hamas kommen, weil natürlich in so einem Krieg Propaganda ein Teil des Krieges ist. Ich glaube ein Problem, das wir ein bisschen haben in diesem Krieg ist, dass wir in meisten Kriegen Institutionen haben, die so ein bisschen als neutrale Institution gelten, sei es entweder die UNO oder das Internationale Rote Kreuz, oder internationale Menschenrechtsorganisationen, oder ähnliches. Ich glaube, was jetzt neu ist in diesem Krieg, ist nicht nur, dass man nicht nur den Informationen gegenüber skeptisch ist, die man von den Kriegsparteien selber bekommt, sondern dass auch große Skepsis gesät wird gegenüber diesen internationalen Organisationen, wie der UNO. Und ich glaube, dass das ein großes Problem ist, auch für zukünftige Kriege, weil wir dann praktisch eine Situation haben, wo wir nicht mehr nur den Kriegsparteien nicht trauen, sondern überhaupt niemanden mehr.

FM4: How should the often contradictory data and information be assessed?

Nikolaus Wildner: Ich würde anfangen mit der Beobachtung, die uns natürlich alle beschäftigt, in den sozialen Medien bis hin zum Freundeskreis und unter Bekannten und Verwandten: Dass es hier wirklich eine extrem polarisierte Wahrnehmung der jetzigen Situation gibt. Und wenn man sich anschaut, welche Meinungen, welche Profile, welche Informationsquellen die Menschen hier benutzen, sieht man, dass die meisten das sehen oder hören, was sie sehen und hören wollen. Es gibt nur wenige Menschen, aber die gibt es - und ich zähle uns als ORF da dazu - die versuchen, sich wirklich ein umfassendes Bild zu machen. Aber es gibt viele - das wird als „confirmation bias“ bezeichnet - die vielleicht teilweise auch dieselben Inhalte sehen, aber mit einem ganz anderen Blickwinkel wahrnehmen und darin immer einen Beweis sehen für die ausschließliche Gerechtigkeit der einen Seite oder die ausschließliche Verwerflichkeit der anderen Seite.

FM4: Over 40 days of war - it seems like it might never end. But looking into the immediate future, where might things go from here? What comes next? Nikolaus, is there any understanding of when we might be able to say: „this conflict is over“?

Nikolaus Wildner: Die kurze Antwort ist nein. Das Gefühl, das sich hier in Israel seit dem 7. Oktober breitgemacht hat, ist, dass die Zeit stehen geblieben ist. Und da ist es natürlich schwierig, zeitliche Prognosen in so einer Situation zu erstellen. Das Gefühl ist jedenfalls, dass das sehr lange dauern wird. Und die Frage ist auch, was sehr lange dauern wird: ein offener Krieg, eine militärische Auseinandersetzung, Raketenbeschuss, Soldat:inneen, die in Gaza sind, die gefährdet sind, dort getötet zu werden, Bedrohung an der Nordgrenze durch die Terrormiliz Hisbollah, Raketenbeschuss, Drohnen - diese ganzen Szenarien. Aber das Gefühl ist auch da, dass sich das ganze Land verändert hat und dass Israel irgendwie auch auf diese Situation reagieren muss und vielleicht etwas ändern muss oder sich rundherum etwas verändern muss.

FM4: Karim, wie lange hält denn die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen solche andauernden Bombardierungen noch durch?

Karim El-Gawhary: Sie hält es überhaupt nicht mehr aus. Wir haben, ich glaube, 14.000 Tote jetzt. Der gesamte nördliche Gazastreifen ist eigentlich eine Trümmerwüste. Es ist eigentlich nicht mehr auszuhalten hier. Es gibt fast nichts mehr zu verlieren. Aber es ist eben eine Situation, die die Menschen einfach noch mehr radikalisiert. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn man auch noch die andere Hälfte des Gazastreifens zerstört. Auch wenn man den ein oder anderen Hamas-Tunnel findet und wenn man uns am Ende möglicherweise noch die Schaltzentrale der Hamas irgendwo im Gazastreifen zeigt, wird am Ende das Ergebnis sein, dass die Hamas weiterexistieren wird und die Leute sich mehr radikalisiert haben. Auszuhalten ist es für die Palästinenser:innen im Gazastreifen schon lange nicht mehr.

OKFM4 zum Nahostkonflikt

Die ungekürzten Antworten und die ganze Sendung mit den ORF Korrespondenten findet ihr im FM4 Player, oder direkt hier:

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