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- gemeinfrei -

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Es ist nicht leicht, der Zweite nach Gott zu sein.

„Nach dem lieben Gott kommt gleich der Papa!“, soll mal Mozart gesagt haben. Ich weiß nicht wie es ist, ein Gott zu sein, aber gleich nach ihm zu kommen ist beinah genauso verantwortungsvoll.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Man muss nicht alles können, aber fast alles. Meine Tochter behauptet, ich sei der größte Mann der Welt. Ich frage sie warum sie so denkt, wenn jeder sehen kann, dass ich mich eher in die Breite als in die Höhe entwickle. Sie meint, dass sie, wenn sie auf meinen Schultern sitzt, am weitesten sehen kann. Jetzt weiß ich was mit dem Klassiker gemeint ist , dass wir Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen sitzen.

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Es ist so traurig, dass meine Tochter bald nicht mehr auf meinen Schultern sitzen können wird. Dafür ist das Risiko eines Bandscheibenvorfalls einfach zu hoch.

Gestern hat sie mit ihrem Kindergartenfreund Philipp darüber gestritten, wessen Vater der stärkere sei. Für sie bin ich der stärkste, da ich auf Reisen den großen Koffer trage. Ich versuche ihr zu erklären, dass der Koffer Räder hat, und ich ihn nur ganz selten hochheben muss. Die Nachricht, dass ich stärker als der Papa von Philipp bin, hat mich ein bisschen besorgt. Der besagte Papa soll ein Boxmeister sein.

Ich hoffe nur, dass Philipp ebenso erfunden hat, dass sein Vater boxt, wie meine Tochter erfunden hat, dass ich Fiaker mit meinem bloßen Blick bewegen kann. Sie glaubt das, seit sie einmal im ersten Bezirk Fiaker fahren wollte. Um dieser finanziell stark belastenden Erfahrung zu entfliehen, habe ich ihr versprochen, dass, wenn sie die Augen schließt, der Fiaker verschwinden wird. Als sie die Augen geschlossenen hatte , bestiegen zum Glück drei chinesische Touristen den Fiaker und er war schnell weg. Als sie die Augen öffnete, war er verschwunden und ich erklärte ihr, dass ich Sachen mit dem bloßen Blick bewegen kann.

Sie wollte dann wissen, warum sie das nicht kann. Ich meinte, sie wird es können, wenn sie erwachsen wird.

Ich habe auch nicht gelogen, denn alle wissen, dass jede Dame mit ihrem Blick viel bewegen kann. Jetzt schaut meine Tochter ganz konzentriert auf Sachen und versucht sie zu bewegen. Wenn sie es nicht schafft, seufzt sie laut. Anscheinend ist sie noch nicht erwachsen geworden.

Jetzt muss ich ihr erklären, dass der stärkste nicht immer der klügste ist, oft sogar ist es Gegenteil. Wird sie dann glauben, dass ich der klügste bin? Oder muss ich dann beweisen, dass ich klüger als die anderen Papas bin. Es ist nicht leicht, der zweite nach Gott zu sein.

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