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Cover von "Nekropolis" von Jurij Devetak, Boris Pahor

Schaltzeit Verlag

„Nekropolis“ von Boris Pahor - gezeichnet von Jurij Devetak

Boris Pahor ist einer der bekanntesten slowenischen Autoren. Er hat fünf Konzentrationslager überlebt und darüber geschrieben. Sein erstmals 1967 erschienenes Werk „Nekropolis“ hat Jurij Devetak jetzt in eine Graphic Novel gewandelt.

Von Zita Bereuter

Die „Manen“ sind die Geister der Toten im antiken Rom. „Den Manen derer, die nicht wiederkehrten“ widmet Boris Pahor sein Werk „Nekropolis“. Denn die Toten, die er in verschiedenen Konzentrationslagern gesehen hat, begleiteten ihn sein Leben lang. Ihnen gegenüber fühlte er sich schuldig, hat er doch – im Gegensatz zu ihnen - mehrere Konzentrationslager überlebt. Und er schreibt auch darüber.

Boris Pohar gilt als einer der bedeutendsten slowenischen Autoren. 1913 in Triest geboren gehörte er dort der slowenischen Minderheit an und erlebte als Bub, wie die italienischen Faschisten die slowenische Kultur und Identität auslöschen wollten und das slowenische Volkshaus verbrannt wurde. Slowenisch wurde als Sprache verboten.

Boris Pahor arbeitete bereits im Krieg als Dolmetscher. 1943 schloss er sich der slowenischen Befreiungsbewegung an. Er wurde verraten, verhaftet und in das KZ Dachau deportiert. Eineinhalb Jahre verbrachte er in verschiedenen Konzentrationslagern. Dass er diese überlebt hat, beschäftigte ihn sein Leben lang. Er schrieb Romane und Novellen über diese Zeit – u.a. „Nekropolis“. Er starb 2022 in Tiest.

2020 beendet Jurij Devetak sein Studium an der Scuola Intenazionale di Comics in Padua. In dieser Zeit, während der Pandemie, erzählt ihm sein bester Freund, dass er gerade „Nekropolis“ von Boris Pahor liest. Jurij Devetak kennt die Novelle, er hat sie vor Jahren in der Schule gelesen. Und er kennt den Autor Boris Pahor, der in seiner Nähe lebt. Beide leben sie slowenisch sprechend in Triest. Jurij Devetak liest also „Nekropolis“ noch mal. „It shocked me, this book. So I decided to draw it.“

In dem autobiographischen Buch „Nekropolis“ besucht Boris Pohar 1966 das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, in dem er während des Krieges inhaftiert war. Neben anderen Besucher:innen geht er durch das KZ und erinnert sich an seine Zeit als Häftling im Lager: Wie er durch einen glücklichen Zufall als Dolmetscher und Krankenpfleger ausgewählt wird. Wie er als solcher Tote wegtragen muss. Er erinnert sich an ausgehungerte Häftlinge, an junge Frauen auf dem Weg in die Gaskammern, an grausame Kommandanten. Er erinnert sich an die Abgestumpftheit. Auch an die eigene. „Der Mensch gewöhnt sich an alles. Wir waren abgestumpft.“

Während er sich an die Grausamkeiten erinnert, kommentiert Boris Pahor die gegenwärtigen Dinge im KZ. Unter den Besucher:innen ist etwa ein küssendes Paar „Wer hätte damals gedacht, dass hier einst verliebte Paare herumspazieren werden.“ Er sieht ein Mädchen, das sich in sein Spiel versunken an das Drahtseil klammert, das an den Schornstein des Krematoriums befestigt ist. Hin- und hergerissen bemerkt er: „Ja, ich habe Angst, dass es diesen Zeugen unseres Verderbens beschädigen könnte. Dabei sollte ich mir doch wünschen, die Kinderhände würden das Haus des Schreckens zum Einsturz bringen.“

Bilder aus "Nekropolis" von Jurij Devetak, Brois Pahor

Schaltzeit Verlag

Jurij Devetak (geb. 1997 in Triest) hat seinen Abschluss 2020 an der Scuola Intenazionale diComics in Padua gemacht. Er lebt und arbeitet in Nabrezina.

Jurij Devetak erzählt die Geschichte in deiner Graphic Novel von „Nekropolis“ mit Originalzitaten auf drei Ebenen: der alte Boris Pahor, der in Triest an der Schreibmaschine sitzt, der Boris Pahor, der in den 60er Jahren das KZ besucht und der KZ-Häftling Boris Pahor. Während des Zeichnens hatte er Boris Pahor im Kopf, erklärt Jurij Devetak im Interview. Er habe erst seine Geschichte gezeichnet und anschließend zu diesen Zeichnungen aus dem Originalwerk Zitate gesucht und dazu gefügt.

Cover von "Nekropolis" von Jurij Devetak, Boris Pahor

Schaltzeit Verlag

„Nekropolis“ von Boris Pahor und Jurij Devetak ist in einer Übersetzung aus dem Slowenischen von Barbara Anderlič im Schaltzeit Verlag erschienen.

Die Erzählung ist ausschließlich schwarz weiß – gesichtslose Figuren ohne feine Details. Boris Pahor trägt eine markante weiße Brille, seine Augen sieht man nicht. Der raue Strich ist „because ‚Nekropolis‘ for me is really a rough book, a difficult book. And it has an argument that’s so important and dramatic and horrible.“

Jurij Devetak wollte diese Geschichte für seine und die jüngeren Generationen zugänglich machen. „I tried to draw these things and make them available to a generation next to me. More easily to read.” Der Autor Boris Pahor war bereits 106 Jahre alt, als er von der Idee einer Graphic Novel erfahren hat. Sie gefiel ihm. „He was really enthusiast about it. He loved this approach, because I was younger – 86 years younger. I guess this was a surprise for him.“ Boris Pahor starb 2022 im Alter von 108 Jahren. Vor seinem Tod sah er noch einige Seiten der Graphic Novel. "He liked it.“

Die Mahnen, die Geister der Toten, haben Boris Pahor ein Leben lang nicht losgelassen. Auch Jurij Devetak widmet die Graphic Novel „Den Manen derer, die nicht wiederkehrten.“ Und er ergänzt, dass wir die Geschichte nicht vergessen dürfen und alles tun müssen, damit sie sich nicht wiederholt.

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