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Albumcover: "Quaranta" von Danny Brown

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hip hop lesekreis

Danny Browns Wachstumsschmerzen

„Quaranta“, das sechste Album des Detroiter Rappers, ist eine introspektive, düstere Brillanz.

Von Natalie Brunner

Das Gesicht halb im Dunkeln, den Blick zu Boden gerichtet: so präsentiert sich der aus Detroit stammende Rapper Danny Brown auf dem Cover seines sechsten Albums „Quaranta“.

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Der Titel des Albums - „Quaranta“ heißt 40 auf Italienisch - spielt einerseits darauf an, dass Danny Brown 40 geworden ist. Andererseits referenziert der Titel auch das Wort „Quarantine“ und ist ein Hinweis auf die Einsamkeit und die Isolation, in der Danny Brown in Downtown von Detroit gearbeitet hat, das pandemiebedingt noch leerer als sonst war. In einer Geisterstadt hat Danny Brown also ein Album gemacht, auf dem er sich mit Depression, Sucht, Gentrifizierung, Obdachlosigkeit und dem Altern auseinandersetzt.

Der unter Strom stehende und auf MDMA in Höchstgeschwindigkeit mit seiner verknautschten Stimme rappende Danny Brown kommt hier fast gar nicht zum Vorschein; stattdessen ein erwachsener Mann, der versucht, sich nüchtern in einer schwierigen Welt zurechtzufinden.

Alter als Thema

Alter war schon immer ein Thema in der Musik von Danny Brown. Die Nummer „Grown Up“ war 2012 sein Durchbruch. Sein zweites Album Album heißt „XXX“, also 30, eine Anspielung auf sein damaliges Alter. Auf dem Cover von „XXX“ eine herausgesteckte Zunge, auf der irgendwas drogenmäßiges Beschleunigendes liegt. Danny Brown rappte mit seinem von Schimpfworten strotzenden Vokabular über den Verfall von Detroit und viel auch über Sex und Drogen. Brown wurde wegen der Kombination aus seinem schnellen, akrobatischen Flow, den schrägen Beats, seinem sinisteren Humor, aber auch wegen dem wirren Haar und seiner fehlenden Vorderzähne schnell als Unique Charakter eingestuft.

Das Folgealbum „Old“ zeigte aber eine ganz besondere Qualität von Danny Brown: Er ist gleichzeitig Innovator und Traditionalist. Einerseits schreckt er nicht von EDM-Collabos zurück, andererseits ist seine meisterliche Art des Storytellings und Rappens von den 90er Jahren beeinflusst. Auf „Quaranta“ ist er sehr weit weg von den psychedelisch verspielten, ins düstere kippenden Party-Raps, deren Hype er ins Rollen gebracht hat.

Er scheint ein Jahrzehnt Rockstarleben zu verarbeiten; kein hektischer, nasaler Flow mehr, sondern eine tiefere Stimmlage und ein Vortrag, der sicher geht, dass die Botschaft bei uns ankommt.

Albumcover: "Quaranta" von Danny Brown

Warp

Virtuelle Therapeutenpraxis

In den lyriklastigen Tracks von „Quaranta“ geht Danny Brown mit sich ins Gericht, protokolliert seine Fehler. „Quaranta“ ist eine virtuelle Therapeutenpraxis, in der wir Platz nehmen dürfen. Das kommt auf Rap-Alben nicht so oft vor, dass Scheitern, Bedauern, Verarbeiten und der Lernprozess ohne Selbstmitleid und Glorifizierung der Kern eines Albums sind. Danny Brown ist ein einsamer und isolierter Mann auf „Quaranta“. Die Extravaganz ist verschwunden. Gefängnis und Rehab hat er hinter sich und nach einer Trennung ist er von Detroit nach Austin, Texas gezogen. Die Themen sind universal schwer und Danny Brown geht sie sehr persönlich an. Auf „Down With It“ erzählt er uns von Sucht und Depression und darüber, wie er alles, was ihm persönlich wichtig war, verloren hat, weil er seiner Karriere gefolgt ist. Das Lied vom Traum, der zum Albtraum wird.

„Jenn’s Terrific Vacation“ ist ein Song über die Gentrifizierungsprozesse in Detroit; alles wird teurer, nichts wird besser. Danny Brown dreht auf in Richtung Hyper. Obwohl inzwischen in Texas wohnhaft, ist Danny Brown eng mit seiner Heimatstadt und ihrer musikalischen Geschichte verbunden.

„Quaranta“ ist ein Album über Wachstum und geprägt von Wachstumsschmerzen. Danny Brown dabei zuzuhören, wie er seinen Weg durch eine düstere, isolierte Welt sucht, ist heilsam und spannend und macht neugierig darauf, wo er als nächstes ankommen wird.

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