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Fotocollage Babylon, Oppenheimer, Barbie, Tár

Paramount Pictures / Universal Pictures International Switzerland / Warner Bros. Ent. / Focus Features

FM4 FILMPODCAST

Kinomania 2023: Das waren die Highlights im FM4 Film Podcast

Wir blicken nicht nur in unserer neuen Episode auf Lieblingsfilme zurück. Hier ist eine kleine Auswahl, von „Oppenheimer“ und „Barbie“ bis „Maestro“ und „Anatomy of a Fall“.

Von Christian Fuchs

Jetzt ist es wieder einmal passiert. Ein Meisterwerk stand einfach nicht auf unseren Notizzetteln, weil wir es im Vorjahr eingeordnet hatten. Nachdem „The Banshees of Inisherin“ aber gehäuft eurerseits in FM4-Foren auftauchte, warfen wir nochmal einen Blick auf den Starttermin des Films. Tatsächlich ist das grimmige irische Freundschafts-Drama des Regisseurs Martin McDonagh Anfang Jänner 2023 in den österreichischen Kinos angelaufen.

Unsere Listen sind aber schon länger geschrieben, die dazugehörige Rückblicks-Folge im FM4 Film Podcast bereits aufgenommen. „The Banshees of Inisherin“ hätte alles noch einmal durcheinander gewirbelt, dank des großartigen Spiels von Colin Farrell, Brendon Gleeson und Esel Jenny. Wir verweisen auf unsere einstige Lobeshymne und stürzen uns in ein turbulentes Filmjahr Zwanzigdreiundzwanzig.

Filmstill aus "The Banshees of Inisherin"

Searchlight Pictures

The Banshees of Inisherin

Damit uns nicht noch einmal ein ähnlicher Fehler unterläuft, waren Pia Reiser und meine Wenigkeit streng: Die Filme auf unserer Bestenliste müssen heuer in Österreich gestartet oder via Streaming legal erhältlich gewesen sein.

Also keine ekstatischen Festivalhits wie „Poor Things“, der auch erst Mitte Jänner anläuft und mit Sicherheit im nächsten Jahr hier führend dabei sein wird. Aber auch keine cinephilen Geheimtipps, die bloß verlockend im Netz herumschwirren. Letzte Anmerkung: Die Auswahl erfolgte sehr subjektiv einerseits, aber auch mit einem Blick auf Pop-Phänomene, die bestimmend waren. Und, ach ja, auf eine wertende Reihung verzichten wir ganz frech.

Dauer-Delirium: “Babylon” von Damien Chazelle

Unter den vielen Liebeserklärungen von Regisseur:innen an das Kino (als tatsächlichen und spirituellen Ort) ist Jungregisseur Chazelle eine der schönsten Varianten gelungen. Mit Monologen aus „Babylon“ könnte man Oscarverleihungen untermalen, so sehr wird hier das Medium Film gefeiert (als bewusst „niedrige“ Kunstform, als Lebensmittel, als Textur) und hochgejazzt (im wahrsten Sinn des Wortes). Passend dazu agieren Margot Robbie, Brad Pitt & Co. wie in einem Dauer-Delirium.

Gleichzeitig ist dieses dreistündige Epos natürlich ein gestreckter Mittelfinger an die Albtraumfabrik Hollywood, an das kapitalistische Haifischbecken Los Angeles (then and now), an die Industrie. Ambivalenz durchzieht jede Szene, vom wahnwitzigen Orgien-Beginn bis zum bitteren Ende, alles ist ekstatisch und ernüchternd (im gleißenden L.A.-Tageslicht, in grobkörnigem 35mm), geil und grausam zugleich. (CF)

Albernheit und Anachronismus: „Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwalder

Richtung Schwermut und Unsinn durch die Nacht: „Sisi und ich“ ist Frauke Finsterwalders fantastischer Film über eine Hofdame und deren Freundschaft zu einem der größten Popstars des 19. Jahrhunderts: Kaiserin Elisabeth. Mit großer Freude an Albernheit und Anachronismus erzählt Finsterwalder vom Machtgefälle in einer Freundschaft. In der Mitte des Films glänzt Sandra Hüller als Hofdame Irma, außerdem sind die Kostüme von Tanja Hausner die wunderbarsten, die mir in diesem Jahr untergekommen sind. Wo bleibt die „Sisi & Ich“-Kollektion? (PR)

Filmstill aus "Sisi & Ich"

DCM / Bernd Spauke

Sisi & Ich

Kontrolle und Kontrollverlust: „Tár“ von Todd Field

Wie auch „Babylon“ einer der Flops des Jahres, die Welt bleibt ungerecht. Dabei zählt dieses Dirigentinnen-Drama zu einer Königsklasse des Kinos: Filme, die nicht bloß fesseln, belustigen oder gar belehren. Sondern die mit dir eine Konversation beginnen, einen echten Dialog, der natürlich von den ganzen schweren (und essentiellen) Dingen handelt.

In „Tár“ geht es neben den Basics (Liebe und Tod) um Kunst, Gender, Identitätspolitik, Kontrolle und Kontrollverlust. Und vieles mehr. Und obwohl viel geredet wird, arbeitet Regisseur Todd Field primär mit cinematischen Mitteln, jedes Bild bringt alles auf den Punkt. Mittendrin Königin Cate Blanchett als herrische Dirigenten-Despotin, als dezidiert schwierige Frau, die mich völlig mitgerissen hat. (CF)

Mystery und History: „Die Theorie von Allem“ von Timm Kröger

Dürfte ich nur einen Lieblingsfilm des Jahres nennen, es wäre dieser hier. Ein Spiegelkabinett der Filmgeschichte, eine Referenz-Karussellfahrt, vor allem aber ein herausragend-originärer Film. Wer sich Timm Krögers „Die Theorie von Allem“ nicht angeschaut hat, hat Großes versäumt. Jan Bülow fährt als Physik-Doktorand zu einem Kongress in den Schweizer Alpen, verliert dort das Herz und vielleicht auch den Verstand. Wie heißt es bei Blumfeld? Wie sich Mystery und Hysteria und History verstärken? (PR)

Filmstill aus "Die Theorie von Allem"

Neue Visionen Filmverleih

Die Theorie von Allem

Existentialistisch & tragikomisch: “Beau is Afraid” von Ari Aster

Mit seinem Debütfilm „Hereditary“ verschaffte Ari Aster einem abgebrühten Horrorfan wie mir eine Dauer-Gänsehaut. „Midsommar“ bestätigte dann: Dieser junge Regisseur ist nicht nur ein bestechender Formalist. Sondern auch ein echter Kenner zwischenmenschlicher Abgründe. „Beau is Afraid“ verzichtet dafür gänzlich auf jegliche Genre-Verpackung.

Mit einem entgrenzten Joaquin Phoenix in der Hauptrolle zeigt Ari Aster den Schrecken der alltäglichen Existenz, der modernen Welt, der Familie, nähert sich surreal Leben und Tod, als ob Chuck Palahniuk und Ottessa Moshfegh zusammen das Drehbuch geschrieben hätten, auf den hoffnungslosen Spuren von Franz Kafka. Oder wie „Benjamin Button“ als existentialistisch-tragikomische Höllenfahrt, von Paul Thomas und Wes Anderson inszeniert. Ein monströser und unerhörter Film, mit dem ich mich durchaus identifizieren konnte, das macht mich very afraid. (CF)

Ein Biopic als Umarmung: „Maestro“ von Bradley Cooper

Bradley Cooper hat mit „Maestro“ nicht nur eine Liebesklärung an den Komponisten, Dirigenten und Musiker Leonard Bernstein gedreht. Er schafft es auch, dass man sich bis über beide Ohren in Bernstein verliebt, wenn man das nicht eh schon ist. Ein Meisterwerk, mit dem sich Cooper auch als grandioser Regisseur von Euphorie und Melancholie beweist - und von Liebe. Schon lange hat man kein Biopic mehr gesehen, das seiner Hauptfigur so zugetan war. Das heißt nicht, dass „Maestro“ aus Bernstein einen Übermenschen oder einen strahlenden Helden macht, aber es ist definitiv eine Umarmung, keine Dekonstruktion. (PR)

Filmstill aus "Maestro"

Jason McDonald/Netflix

Maestro

Feministischer Pop: “Barbie” von Greta Gerwig

Ja, was soll man noch sagen: Greta Gerwig hat es geschafft, eine Wollmilchsau in Filmform zu zaubern. Vermutlich gab es seit „Titanic“ nicht mehr das kollektive Gefühl, einen Film gesehen haben zu müssen. Und dann noch diesen hier? Ein Film über Spielzeug, von einer Indie-Ikone inszeniert? Die als antifeministisch verschriene Puppe als Gefäß für einen Film, der feministische Ideen in knallbunten Pop verpackt. „Barbie“ ist ein Film, der eigentlich nicht funktionieren sollte und der einen aber glücklich macht. Bitte jetzt trotzdem keine Sequels, Spin-Offs oder Prequels drehen. (PR)

Überschwang statt Subtilität: “Saltburn“ von Emerald Fennell

Emerald Fennell hat Pop, Begierde und dunkle Abgründe in den Mixer geworfen und erzählt mit „Saltburn“ eine over-the-top-Geschichte. Wer braucht schon Subtilität, wenn man Überschwang, Barry Keoghan und Jacob Elordi haben kann. NIEMAND! Aus Pop und Ideen aus dem Gothic Horror füttert sich „Saltburn“, der Film nimmt sich aber auch selbst nie ganz ernst, das schöne Wort bonkers wird man vermutlich brauchen, wenn man wirklich nur über den Plot sprechen möchte. (PR)

Filmstill aus "Saltburn"

Amazon Studios / MGM

Saltburn

Suspense gegen den Klimawandel: “How to blow up a pipeline” von Daniel Goldhaber

Ja, gut, die Zusammenfassung liefert da schon ganz gut der Titel ab. Daniel Goldhaber inszeniert eine Gruppe von jungen Menschen, die das Gefühl haben, Flugblätter verteilen und auf der Straße demonstrieren ist nicht mehr genug im Kampf gegen den Klimawandel. Goldhaber setzt in seinem Film auf Suspense, packt das Thema in einen Genrefilm, der einen von der ersten Sekunde an packt. (PR)

Mathematiker-Männer, die Bomben bauen: “Oppenheimer” von Christopher Nolan

In einem Zustand größter Aufgewühltheit in eine Pressevorführung zu gehen, mag nicht die beste Idee sein. „Oppenheimer“ hat mich dennoch in einem schwierigen persönlichen Moment gänzlich verschluckt, auf körperliche Weise berührt, meine Gedanken befeuert. Dass Christopher Nolan wieder einmal die ganze Überwältigungs-Maschinerie des Kinos beklemmend zum Einsatz bringt, konnte man ahnen. Aber der Detailreichtum, die Nuancen, das Dialog-Feuerwerk, die fantastischen Frauenfiguren in diesem (Anti-)Blockbuster über Mathematiker-Männer, die Bomben bauen, das alles hallt lange nach.

Dass dieser komplexe, sprachlastige, politische Film, der die Grenzen des Blockbuster-Kinos weit dehnt, zum erfolgreichsten Werk von Christopher Nolan geriet, an den Kinokassen sogar dessen Batman-Trilogie toppte, darf als ein Kinowunder des Jahres bezeichnet werden. (CF)

Filmstill aus "Oppenheimer"

Universal Pictures International Switzerland

Oppenheimer

Giftige weiße Männer: “Killers of the Flower Moon” von Martin Scorsese

Wenn es einen Regisseur gibt, der im Laufe seiner Karriere die rücksichtslosen Männerbünde, die Faschisten, Mafiosi und Geschäftsleute hinter der US-Geschichte analysiert und seziert hat, dann ist das Martin Scorsese. In „Killers of the Flower Moon“ nähert er sich erstmals dem Western, einfühlsam und schonungslos.

Robert De Niro hat für Scorsese bereits etliche Prototypen giftiger weißer Männer gespielt, Leonardo DiCaprio den Wolf aus der Wallstreet. In Martys neuem Film treffen sie aufeinander und verschmelzen fast auf verstörende Weise. „Killers of the Flower Moon“ gehört aber der großartigen Lily Gladstone und ihrem Blick - was für eine stille und erschütternde Performance in einem Film, der einen ewig nicht loslässt. (CF)

Schmerzhaftes Beziehungsdrama: “Anatomy of a Fall” von Justine Triet

Ein Mann stürzt in einem abgelegenen Haus in den Alpen zu Tode, seine Frau wird des Mordes verdächtigt, der sehbehinderte Sohn wird zwischen den Fronten beinahe zermahlen. Das klingt nach einem klassischen Thriller-Plot, aber Regisseurin Justine Triet ignoriert bewusst Genre-Konventionen. Sobald die Causa vor Gericht landet, verharrt „Anatomie eines Falls“ dort einen guten Teil seiner zweieinhalb Stunden Laufzeit. Und mutiert schleichend zum schmerzhaften Beziehungsdrama. Mittendrin: Die große Sandra Hüller als bodenständige, unbescholtene Frau, die unter Verdacht gerät. (CF)

Filmstill aus „Anatomie eines Falls“

Les Filmes Pelléas - Les Films de Pierre

Anatomie eines Falls

Tiere sind auch nur Menschen: “Guardians of the Galaxy Vol. 3” von James Gunn

Eigentlich wollte ich mir Urlaub vom Marvel Cinematic Universe nehmen. Als einstiger Fan empfinde ich die kalkulierten Reißbrett-Plots, die hässlichen CGI-Welten und den nervigen Humor mittlerweile als quälend. Und dann kommt dieser Film daher. Wahnwitzig surreale Sets, die besten Effekte in einem Marvel-Film, derbe Witze, eine fantastische Besetzung und das Maximum an Schleim, Gore und Punkrock, das sich in einen Disneyfilm ab 12 packen lässt.

Zum Comic-Kino-Meisterwerk des Jahres wird „Guardians of the Galaxy, Vol. 3“ aber durch eine Flashback-Geschichte, die wohl nicht nur mir das Herz herausgerissen hat. Alleine beim Gedanken an dieses Labor voller mutierter, gequälter Tiere rund um Waschbär Rocket (Bradley Cooper) werden meine Augen feucht. James Gunn ist nach diesem Film der neue vegane Held des Marvel-Mainstreams; grenzenlose Liebe für diesen Regisseur und seine Figuren. (CF)

Im FM4 Film Podcast: Lieblingsfilme 2023 mit Wiktoria Pelzer

Was für ein Filmjahr! Was war denn da alles noch abgesehen von „Barbie“ und „Oppenheimer“? Christian Fuchs und Pia Reiser werfen einen Blick auf das Filmjahr 2023 und küren ihre Lieblingsfilme – und sie sind nicht allein: Zu Gast ist Wiktoria Pelzer, Geschäftsführerin der Wiener Kinos Stadtkino und Admiralkino und eine der Initiatorinnen des Nonstopkino-Abos. Adieu, Filmjahr 2023, it was a blast! Zu hören am 25. Dezember am Mitternacht im FM4 Filmpodcast.

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