FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Screenshot aus dem Computerspiel "A Webbing Journey".

Fire Totem Games

„Wenn’s keiner kennt, dann wird’s keiner kaufen“

Wie schaffen Computerspielentwickler:innen Aufmerksamkeit auf Social Media? Wir haben mit drei kleinen österreichischen Indie-Games-Firmen gesprochen, die durch gute PR-Arbeit auf TikTok und Co. die Sichtbarkeit ihrer Spiele erhöht haben.

Von Robert Glashüttner

Social-Media-Auftritte sind aus der Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr wegzudenken. Eigentlich kann man mittlerweile PR mit Social-Media-Arbeit gleichsetzen. Das betrifft alle Branchen und alle Firmengrößen - von der Einzelunternehmerin über den Klein- und Mittelbetrieb bis hin zum Großkonzern.

Diese Gleichschaltung ist einerseits gut, weil PR-Arbeit damit mehr oder weniger für alle in der selben Weise funktioniert und bis zu einem gewissen Grad auch für Transparenz sorgt. Andererseits ist man der Notwendigkeit, regelmäßig und in möglichst kurzen Abständen die diversen Social-Media-Plattformen zu bedienen, ausgeliefert. Wer sich nicht den Algorithmen von Instagram, TikTok und Co. beugt, existiert dort nicht. Hin und wieder etwas zu posten, ist zu wenig; sich beugen bedeutet: viel und vor allem regelmäßig Inhalte publizieren.

Screenshot aus dem Computerspiel "We Are One".

Flathead Studio

„We Are One“ von Flathead Studio

Doch Content-Erstellung kostet viel Zeit und benötigt ein nicht unbeträchtliches Wissen hinsichtlich Storytelling, Dramaturgie, Aufmerksamkeitsökonomie und Audio- und Videoschnitt - um nur einige Skills zu nennen. Doch selbst dann, wenn man alles richtig macht, ist Erfolg nicht garantiert. Wann und warum ein Posting viral geht oder nicht, bleibt weiterhin eine Blackbox. Den IT-Konzerne hinter den Plattformen ist das natürlich recht, denn so strampeln sich alle umso mehr ab, in der Hoffnung, irgendwann doch aus der Masse herauszustechen.

Best Practice von österreichischen Game-Indies

Die Computerspielbranche eignet sich grundsätzlich gut für Social-Media-Auftritte: Das Medium Game ist jung und vielseitig, die Zielgruppe offen und interessiert. Zudem sind Games vor allem visuell geprägt, was perfekt zur Bilder- und Videoflut auf Instagram und TikTok passt.

Zwei österreichische Indie-Game-Studios haben vor allem TikTok für sich entdeckt. Beide haben Ende 2021 bzw. Anfang 2022 begonnen, dort Videos zu posten. Zuerst wurden noch recht geradlinig und mit den eigenen Sprechstimmen die Spiele und ihre Features erklärt. Wenige Monate später waren die Video-Postings schon so, wie sie auf TikTok besser funktionieren: mit witzigen, Meme-kompatiblen Inhalten, grellen Farben, großen Überschriften, Emojis und künstlichen Text-to-Speech-Stimmen.

Das Salzburger Team von Flathead Studio, das das kluge Zeitreise-Klon-Game „We Are One“ für Virtual-Reality-Geräte entwickelt hat, erklärt etwa in wenigen Sekunden eine Spielmechanik mit einer kurzen, lustigen Animation - und generiert so über eine Million Aufrufe.

@weareonevr Game is Help Yourself - for Oculus Quest, links in bio #vr #gaming #oculusquest #applab ♬ original sound - We Are One

Bis zur Veröffentlichung des Spiels Mitte 2023 hat das Social-Media-Team, bestehend aus Melle und Daniel, wöchentlich circa zwei Videos erstellt und dafür laut eigener Aussage rund drei Stunden benötigt. Nicht mit einberechnet sind dabei allerdings die Community-Betreuung, sprich: das Lesen der und das Antworten auf Kommentare. Die können bei viralen Posts zahlenmäßig auch in die Tausenden gehen, wie ein kleiner Shitstorm im Frühherbst 2022 bewiesen hat. Ergebnis: 2,9 Millionen Aufrufe.

@weareonevr and it's way more performant on Quest #vr #gamedev #gameart #WeAreOneVR ♬ Aesthetic - Tollan Kim

Das (partiell) in Kärnten angesiedelte Studio Fire Totem Games hatte mit seinem entzückenden (noch unveröffentlichten) Spinnenspiel „A Webbing Journey“ (siehe Bild ganz oben) im März 2023 sein erstes stark-virales Posting mit über vier Millionen Aufrufen. Es handelt sich dabei um ein kleines Erklärvideo, in dem gezeigt wird, wie man als Spinne seine Fäden wirft und zieht. Der große Erfolg hat das Team dazu motiviert, fortan für rund drei Monate täglich (!) ein neues TikTok-Video zu produzieren.

Studioleiter Sebastian veranschlagt pro TikTok-Video zwei Stunden, plus nochmal zwei Stunden zum Lesen und Beantworten der Kommentare. Das ist zweifellos ein sehr hoher Arbeitsaufwand, der dann bei der Entwicklung des Spiels komplett fehlt. Allerdings, merkt Sebastian an, sollte man - abseits der Aufmerksamkeit an sich - nicht vergessen, dass die Kommentare auf Social Media auch viele Ideen einbringen, von denen es manche sogar ins Spiel schaffen. Abgesehen davon hat man dadurch natürlich immer auch eine gute Richtschnur, was vielen Leuten gefällt und was nicht.

Eine Plattform, die funktioniert

Sowohl für Fire Totem Games als auch für Flathead Studio ist es eine bestimmte Social-Media-Plattform, die für sie sehr gut läuft. Andere werden zwar auch bedient, aber mit weitaus weniger Erfolg. Dennoch ist das breite Streuen notwendig, um keine Chance auf Öffentlichkeitsarbeit vorüberziehen zu lassen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Edenfall".

Everflux Games

„Edenfall“ von Everflux Games

Der Tiroler Einzelentwickler Laurenz von Everflux Games, der gerade das Action-Abenteuer „Edenfall“ entwickelt, wo man in diverse Tierwesen schlüpfen kann, ist wiederum auf Twitter/X erfolgreich. Er konzentriert sich bewusst auf diese Plattform und postet dort seit August 2023 fast täglich, immer inklusive Kurzvideos.

Videos kämen auch auf Twitter/X mittlerweile besser an als Screenshots oder reine Text-Postings, sagt Laurenz. Dennoch möchte auch er sich künftig auf Instagram und TikTok erweitern, denn vor allem auf TikTok seien die tatsächlichen Spieler:innen, und weniger die Games-Entwickler:innen, wie es auf Twitter/X der Fall ist. Das bestätigen auch Melle und Dani sowie Sebastian im Gespräch mit FM4.

Es führt kein Weg daran vorbei

Obwohl der Aufwand mitunter hoch und das Ergebnis unberechenbar ist und man sich auch Dingen wie neuen Social-Media-Trends nie komplett verschließen kann: Ohne diese moderne Form der PR geht auch bei Games fast nichts mehr. Zwar spielt auch bei viralen Postings am Ende des Tages nur ein Bruchteil der jeweils interagierenden User:innen dein Spiel. Aber dennoch schafft es wichtige Aufmerksamkeit, oft eben auch im größeren Stil. Außerdem, wie es Laurenz schön zusammenfasst: „Das Spiel kann noch so gut sein, aber wenn’s keiner kennt, dann wird’s auch keiner kaufen.“

mehr Game:

Aktuell: